Verfallene und restaurierte Synagogen

Von Thomas Senne |
Über lange Zeit haben Helmut Dollhopf und Herbert Liedel in Franken jüdische Gotteshäuser fotografiert und präsentieren nun Bilder von rund 30 dieser Synagogen in ihrer Fotoausstellung im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Der Titel der Schau, "Jerusalem lag in Franken", spielt auf das einstige reiche jüdische Leben in dieser Region an.
Sie sind Spurensicherer mit der Kamera, fasziniert von Kulturlandschaften und alten historischen Gebäuden. Vor allem aber interessieren die beiden Nürnberger Fotografen Helmut Dollhopf und Herbert Liedel Langzeitstudien, bei denen sie Motive nach Jahren wieder besuchen und erneut fotografieren.

Auf diese Weise wollen sie Zeit, Vergänglichkeit, erlebbar machen und - Geschichte. Bei ihrem Synagogen-Projekt hatten sie in den 80er-Jahren meist verfallene jüdische Gotteshäuser dokumentiert und 25 Jahre später wieder abgelichtet. Das Resultat dieser Exkursionen: "Jerusalem lag in Franken", so der Titel der aktuellen Nürnberger Ausstellung, die auf gründlichen Recherchen beruht.

""Da hat's ein Buch gegeben von einem gewissen Herrn Diamant, der hat die ganzen Synagogen und Friedhöfe in Deutschland aufgeführt – bei Friedhöfen ein 'F' und bei Synagogen ein 'S' – und wir wussten natürlich nicht, was überhaupt existiert. Das war wirklich in diesem Sinn Feldforschung. Man musste sich durchfragen und dann hat man natürlich im Laufe der Zeit einen Blick dafür bekommen für die Architektur, für die Rundfenster. Dann konnte man das oftmals selbst ausmachen: Da steht ne Synagoge, wo wir das vorher gar nicht gewusst haben"."

Oft fiel es schwer, erzählt Helmut Dollhopf, die fränkischen Synagogen auf dem Land überhaupt ausfindig zu machen. Immer wieder, ergänzt sein 60-jähriger Kollege, seien sie damals Anfeindungen und Ressentiments ausgesetzt gewesen.

""Wir haben eigentlich auf eigen Faust unsere Erkundungen immer gemacht und haben versucht, in die Synagoge reinzukommen. Das war nicht immer leicht, auch ist es mal vorgekommen, dass wir keinen Zugang bekommen haben, dass wir weggeschickt worden sind und die Leute gesagt haben: 'Was wollt ihr überhaupt?' Das hängt natürlich auch mit den Besitzverhältnissen zusammen. Die Synagogen sind oft verkauft worden an Privatleute. Und die haben dann gesagt: 'Das ist unser Privateigentum und da brauchen wir niemanden reinlassen zum Fotografieren'"."

Herbert Liedel ließ sich davon aber ebenso wenig abschrecken wie sein heute 68-jähriger Freund, und so entstanden mit ihrem gemeinsam benutzten Fotoapparat, einer "Pentax", Farbaufnahmen, die heute rare Zeitdokumente sind: Bilder voller Wehmut, die vom erzwungenen Niedergang jüdischer Architektur künden, aber auch die Poesie einer verlorenen Zeit ausstrahlen.

" "Wir fotografieren natürlich erst mal die Totale und dann schauen wir halt schon, welche Charakteristika hervorzuheben sind, die das Gebäude als Synagoge auszeichnen. Und damals halt vor allem, wo die Zweckentfremdungen am deutlichsten zu erkennen sind. Wir haben ja da den Thoraschrein, der in jeder Synagoge gen Osten gerichtet ist, der zentrale Punkt in dem Sakralraum, und wenn sich dort viel Unrat und Gerümpel befunden hat, das war dann halt schon sehr, sehr schockierend oft"."

So war die Synagoge von Georgensgmünd nach dem Krieg beispielsweise als Turnhalle verwendet worden und diente anschließend als Holzlager. Auch andere jüdische Gotteshäuser – wie dies Aufnahmen aus den 80er-Jahren in der Nürnberger Schau mit quälender Deutlichkeit dokumentieren - wurden landwirtschaftlich genutzt und waren dem Verfall preisgegeben. Rund 25 Jahre später, das zeigen im Vergleich dazu die aktuellen Fotos, hat sich der Umgang mit diesen Sakralbauten grundlegend geändert.

""Die Situation ist jetzt eine ganz andere, stellt sich eben entspannter dar. Man hat also doch das Gefühl, dass hier etwas geschehen ist – im positiven Sinne","

meint Helmut Dollhopf und verweist auf seine Fotos vom heutigen Zustand der Synagogen. Die werden – nach dem Aussterben der Tätergeneration inzwischen meist liebevoll restauriert - heute oft als Kulturzentren, Bibliotheken oder Wohnhäuser genutzt.

Aber es gibt auch unrühmliche Ausnahmen, wie beispielsweise das ehemalige jüdische Gotteshaus von Walsdorf. Dessen baulicher Zustand hat sich nach über 20 Jahren kaum verändert. Bröckelnder Putz und architektonische Tristesse als Ausdruck von fehlendem Geschichtsbewusstsein?

""Wir hoffen, dass wir eine Sensibilisierung erreichen. Man kann - auch mit Rücksicht auf die jeweiligen Besitzverhältnisse – nur hoffen, dass hier etwas geschieht. Andererseits muss man natürlich sagen: Man kann nicht alle Synagogen sanieren. Es geht eigentlich gar nicht. Man braucht ein Nutzungskonzept. Und dann muss man natürlich auch sagen: Es existieren vor Ort natürlich auch keine jüdischen Gemeinden mehr"."

Dass die Fotos ausgerechnet in der zum Dokumentationszentrum umfunktionierten NS-Kongresshalle auf dem ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände zu sehen sind, auf rohen, unverputzten Backsteinwänden, ist ein später Triumph der jüdischen Opfer des Nazi-Regimes. Gleichzeitig wird durch die Bilder aber auch der erlittene kulturell-religiöse Verlust schmerzlich bewusst. Denn heute wird keine der restaurierten fränkischen Land-Synagogen mehr als Gotteshaus genutzt.

Service:
Die Ausstellung "Jerusalem lag in Franken" ist noch bis zum 28. März im Nürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände zu sehen. Der gleichnamige Bildband zur Ausstellung ist im Würzburger Echter Verlag erschienen und kostet 29 Euro. Weitere Infos unter: www.museen.nuernberg.de