Firmenerben maßvoll zur Kasse bitten
Mittelständische Familienunternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft - und deshalb ist eine Privilegierung wie die bei der Erbschaftssteuer auch völlig in Ordnung. Aber nicht zu diesem Ausmaß.
Eins vorweg: In Karlsruhe geht es nicht um Oma-ihr-klein-Häuschen, das immer gerne angeführt wird, um mögliche Änderungen an der Erbschaftssteuer gleich erster Klasse zu beerdigen. In Karlsruhe geht es um richtig viel Geld, um Erbschaftssteuer, die Firmenerben zu 100 Prozent erlassen wird, wenn sie das Unternehmen sieben Jahre lang ohne Jobverluste weiter führen. Bei fünf Jahren sind es 85 Prozent.
2012 sparten die Firmenerben durch diese Begünstigung fast elf Milliarden Euro an Erbschaftssteuer, das gesamte Aufkommen an dieser Steuer betrug im selben Jahr gerade mal 4,3 Milliarden Euro. Das ist politisch so gewollt. Die Regelung soll verhindern, dass im Erbfall Jobs nur deshalb verloren gehen, weil die Erbschaftssteuer zu einem Aderlass führt, von dem sich ein Unternehmen hinterher nicht wieder erholt.
Mittelstand ist Jobmaschine in Deutschland
Wenn aber eine Steuervergünstigung rund zweieinhalb Mal so hoch ist wie die verbleibenden Gesamt- bzw. Resteinnahmen aus einer Steuer, dann ist das eine übermäßige Privilegierung. Wer so ein ausgeprägtes Privileg weiter nutzen will, muss schon gute Argumente haben. Ja, es stimmt: Mittelständische Familienunternehmen sind die Jobmaschine in Deutschland; sie sind über Generationen gewachsen und oft in Regionen verankert, in denen heute kein Mensch Arbeitsplätze schaffen würde.
Sie können im Erbfall in eine prekäre Lage kommen, wenn etwa unter dem alten Chef Stillstand herrschte und ausgerechnet dann die Erbschaftssteuer zuschlägt, wenn ein Jüngerer den Laden wieder auf Vordermann bringen will. Und womit wäre wem gedient, wenn erst gnadenlos Erbschaftssteuer kassiert wird und dann ein Unternehmen koppheister geht?
Je großzügiger die Ausnahmen, desto findiger die Berater
Alles stimmige Argumente, sie reichen für eine Privilegierung, aber sie reichen nicht für eine Privilegierung dieses Ausmaßes. Familienunternehmer pflegen eifrig das Bild des verantwortungsbewussten, des vorsorgenden und des am nachhaltigen Unternehmenserfolg orientierten Chefs. Die bisherige Erfahrung zeigt aber auch: Je großzügiger die Ausnahmen, desto findiger wurden die Berater von Unternehmenserben, diese Ausnahmen weidlich auszuschlachten. Und selbst wenn das Bild des treusorgenden Familienunternehmers überwiegend stimmen sollte: Warum sollte ein Familienunternehmer dieses Schlages nicht auch für den ja nicht unwahrscheinlichen Erbfall vorsorgen und Rückstellungen bilden so wie für andere Risiken im Unternehmerleben auch?
Es ist durchaus angemessen und auch geboten, hierzulande auch Firmenerben maßvoll zur Kasse zu bitten, wenn ihnen leistungslos ein Sachvermögen in den Schoß fällt. Eine überfällige Korrektur haben die Karlsruher Richter jetzt in der Hand. Sie müssen und können die bisherige Überprivilegierung maßvoll korrigieren. Je eher sie ein Urteil fällen und je kürzer sie den Zeitrahmen setzen, innerhalb dessen ein neues Gesetz her muss, desto besser ist das auch für die Familienunternehmen. Denn diese brauchen Planungssicherheit.