Verfassungsrechtlerin fordert Recht auf Vaterschaftstest
In der Diskussion um heimliche Vaterschaftstests hat sich die Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf von der Universität Potsdam dafür ausgesprochen, die Rechte der Väter zu stärken. Väter im juristischen Sinne sollten die Möglichkeit bekommen, ihre biologische Vaterschaft unabhängig von einer Vaterschaftsanfechtung testen zu lassen, sagte Brosius-Gersdorf im Deutschlandradio Kultur.
Wuttke: Dr. Frauke Brosius-Gersdorf ist Verfassungsrechtlerin, arbeitet an der Universität Potsdam und ist jetzt zu Gast im Studio. Sie plädiert schärfstens für eine Änderung der derzeitigen Rechtslage und hat dazu auch kürzlich ein Buch veröffentlicht. Guten Morgen!
Brosius-Gersdorf: Guten Morgen!
Wuttke: Über 20.000 Vaterschaftsprozesse in jedem Jahr in Deutschland. Warum sehen sich so viele Männer überhaupt gezwungen, zu heimlichen Vaterschaftstests zu greifen?
Brosius-Gersdorf: Ja, Männer greifen oder viele Männer greifen zu heimlichen Vaterschaftstests, weil sie sich in einer Art Notlage befinden, und zwar in einer vom Gesetzgeber verschuldeten Notlage. Wer im Rechtssinne Vater eines Kindes ist und Zweifel an seiner leiblichen Vaterschaft hegt, der hat nach geltendem Recht keine Möglichkeit, seine Vaterschaft feststellen zu lassen ohne Zustimmung des Kindes und der Mutter. Und, das ist der zweite Aspekt, er hat auch keine Möglichkeit, seine Vaterschaft feststellen zu lassen, ohne sie zugleich anzufechten. Das heißt, wer herausfinden möchte, ob er der leibliche Vater eines Kindes ist, der muss seine Vaterschaft anfechten.
Eine solche Vaterschaftsanfechtung, die hat aber verschiedene Pferdefüße: Zum einen führt die Anfechtungsklage, wenn sie Erfolg hat, dazu, dass der Vaterschaftsstatus rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes beseitigt wird, und zwar auch dann, wenn der Vater seine Pflege- und Erziehungsverantwortung für das Kind eigentlich weiter wahrnehmen will. Es wird also mehr zerstört, als der Vater im Einzelfall zerstören will. Zum anderen ist es so, dass in der Praxis oft schon allein durch die Erhebung der Anfechtungsklage die ehelichen und familiären Beziehungen zerrüttet werden, denn Mutter und Kind erfahren durch die Erhebung der Klage von dem Verdacht des Vaters, und damit ist oft der Fortbestand der Ehe und Familie schon gefährdet.
Wuttke: Trotzdem hat der Bundesgerichtshof ja vor zwei Jahren dem Selbstbestimmungsrecht Vorrang vor der Wahrheit gegeben, trotz der ganzen Probleme, die Sie da geschildert haben. Sie kritisieren das. Warum?
Brosius-Gersdorf: Ja, ich meine, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2005 das Persönlichkeitsrecht des Vaters nicht hinreichend gewürdigt hat. Der Bundesgerichtshof hatte die Vaterschaftsanfechtungsklage des heutigen Klägers vor dem Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen, und der Hinweis darauf, dass der für eine solche Anfechtungsklage erforderliche Anfangsverdacht, dass der juristische Vater nicht der leibliche Vater des Kindes ist, durch einen heimlichen Vaterschaftstest, den der Kläger damals hat machen lassen, nicht begründbar sei, weil der Mann, der Kläger dadurch, dass er das Genmaterial des Kindes ohne dessen Zustimmung analysieren ließ, das Persönlichkeitsrecht des Kindes verletzt habe, und das führe eben zur Unverwertbarkeit des heimlichen Vaterschaftstests.
Ich meine allerdings, dass in dieser Situation angesichts der defizitär ausgestalteten Rechtslage die Annahme nahe gelegen hätte, dass sich der Kläger, der Vater in einer Notwehr ähnlichen Lage befand, in der er das Recht hatte zu einem heimlichen Vaterschaftstest, und dass der heimliche Vaterschaftstest auch verwertbar war in dieser Situation.
Wuttke: Sie argumentieren ja jetzt mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes in Bezug auf den Vater, nämlich mit der Menschenwürde. Inwiefern?
Brosius-Gersdorf: Ja, mit der Menschenwürde, mehr eigentlich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Man muss einfach sehen, dass eine solche Vaterschaftsuntersuchung die Interessen und Belange sämtlicher Familienangehörigen berührt, nicht nur des Vaters, sondern auch des Kindes und der Mutter. Der Vater kann sich, also der juristische Vater eines Kindes kann sich in seinem Interesse, die Kindesabstammung in Erfahrung zu bringen, auf sein Persönlichkeitsrecht berufen, denn die Kenntnis der Kindesabstammung nimmt eine zentrale Schlüsselstellung ein für die Entfaltung seiner Identität, für sein Selbstverständnis.
Wuttke: Aber was ist mit der Familie, die ja, sagen wir mal, "eine durchaus intakte" sein kann?
Brosius-Gersdorf: Ja, die familiären Beziehungen, die ehelichen und familiären Beziehungen, die können durch einen Vaterschaftstest, durch eine Vaterschaftsfeststellung natürlich Schaden nehmen. Andererseits muss man sehen, dass, wenn der juristische Vater eines Kindes tatsächlich Zweifel an seiner leiblichen Vaterschaft hat, dass dann in der Regel niemandem genützt ist dadurch, dass man einem Vater die Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung nimmt. Hier kann es sehr viel sinnvoller sein, dem Vater die Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung zu geben, damit er seine Zweifel verifiziert, damit er Klarheit hat, ob er auch wirklich der biologische Vater des Kindes ist, und dann müssen sich alle Familienangehörigen mit der Situation auseinandersetzen.
Wuttke: Sie nehmen ja auch die Position der Mutterschaft aufs Korn. Wie weit schützt das Persönlichkeitsrecht den Egoismus, sage ich mal, Kind und Vater so lange im Dunkeln tappen zu lassen im Zweifelsfall?
Brosius-Gersdorf: Ja, also durch die Vaterschaftsuntersuchungen sind eben nicht nur die Rechte des Vaters berührt, sondern durchaus auch die Interessen der Mutter und natürlich vor allen Dingen des Kindes berührt. Die Mutter wird durch eine Vaterschaftsuntersuchung in ihrem Interesse berührt, nicht ans Licht kommen zu lassen, ob es einen vor- oder außerehelichen oder außerlebensgemeinschaftlichen Seitensprung gab. Das ist durchaus prinzipiell mal ein anerkennenswertes Interesse. Die Mutter kann sich insofern auf ein, wie man das so schön nennt, sexuelles Selbstbestimmungsrecht berufen.
Wenn man aber diese Rechte der Mutter einstellt in die Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht des Vaters, dann meine ich, dass diese Rechte der Mutter in vielen Fällen zurücktreten müssen. Eine Mutter, die Mutter eines Kindes, die gegenüber dem juristischen Vater des Kindes nun einmal kraft Schwangerschaft und Geburtsereignis einen Wissensvorsprung hat, kann keinen Anspruch haben, die Wahrheit zu verhindern. Wenn ein Vaterschaftstest ergibt, dass der juristische Vater auch der leibliche Vater des Kindes ist, dann kann die Mutter mit dieser Wahrheit leben. Wenn der Vaterschaftstest ergibt, dass der juristische Vater nicht der biologische Vater ist, dann muss sie mit der Wahrheit leben.
Wuttke: Auf diese Selbstbestimmung muss ich noch mal zu sprechen kommen, denn Frauen haben ja nun sehr lange um das Selbstbestimmungsrecht kämpfen müssen, und nun, nach Ihrem Vorschlag, soll es für einen Mann, um es mal ganz platt zu sagen, auch wieder ausgehebelt werden.
Brosius-Gersdorf: Ja nun, also das Selbstbestimmungsrecht, das existiert erst einmal, das habe ich ja auch gesagt. Aber es ist einfach nicht schrankenlos gewährleistet, und es muss einfach immer in Abwägung gebracht werden mit kollidierenden Rechten anderer, und zu diesen kollidierenden Rechten gehören die Rechte des juristischen Vaters ebenso wie die des Kindes, und man muss einfach im konkreten Einzelfall sehen, was sich für Interessen hinter diesen Rechten verbergen. Und wie gesagt, die Kenntnis der Kindesabstimmung, das kann für die Persönlichkeitsentwicklung des Mannes eine ganz entscheidende Schlüsselvoraussetzung sein, und da meine ich eben, dass die Rechte der Mutter, diesen Seitensprung geheim zu halten, in der Regel zurücktreten müssen.
Wuttke: Wir haben gehört, auch die Bundesjustizministerin ist mit der augenblicklichen Gesetzeslage nicht glücklich. Sie will, dass die Schwelle des Anfangsverdachts sozusagen gesenkt wird, dass Väter schneller die Möglichkeit haben, Beweise auf den Tisch zu legen. Nun stellt sich die große Frage, was wird das Bundesverfassungsgericht um 10:00 Uhr urteilen. Wie groß ist denn die Bredouille für den Gesetzgeber, sich in diesem Fall jetzt nun zu bewegen?
Brosius-Gersdorf: Ich glaube, die Bredouille für den Gesetzgeber ist nicht allzu groß. Frau Bundesministerin Zypries hat ja selbst schon gesagt, dass sie da auch Handlungsbedarf sieht, und ein Gesetz wird sicher in nächster Zeit, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ein Gesetzentwurf vorgelegt werden.
Ich meine, dass der Gesetzgeber in zweierlei Hinsicht aktiv werden muss: Zum einen muss er ein Verfahren schaffen, dass juristischen Vätern die Möglichkeit gibt, ihre biologische Vaterschaft unabhängig von einer Vaterschaftsanfechtung feststellen zu lassen. Es muss Vätern möglich sein, ihre Vaterschaft testen zu lassen, ohne zwangsläufig das rechtliche Band zum Kind zu zerschneiden, eben wenn sie die Pflege- und Erziehungsverantwortung weiter für das Kind wahrnehmen wollen. Das ist der erste Aspekt, und der zweite Aspekt ist, der Gesetzgeber muss dafür Sorge tragen, dass Väter eine solche Vaterschaftsfeststellung im Einzelfall auch gegen den Willen der Mutter und des Kindes durchsetzen können.
Wuttke: Warum aus heimlichen Vaterschaftstests legale Vaterschaftstests werden sollen. Die Argumente von Frauke Brosius-Gersdorf von der Universität Potsdam. Ich danke Ihnen, dass Sie im Studio waren.
Brosius-Gersdorf: Guten Morgen!
Wuttke: Über 20.000 Vaterschaftsprozesse in jedem Jahr in Deutschland. Warum sehen sich so viele Männer überhaupt gezwungen, zu heimlichen Vaterschaftstests zu greifen?
Brosius-Gersdorf: Ja, Männer greifen oder viele Männer greifen zu heimlichen Vaterschaftstests, weil sie sich in einer Art Notlage befinden, und zwar in einer vom Gesetzgeber verschuldeten Notlage. Wer im Rechtssinne Vater eines Kindes ist und Zweifel an seiner leiblichen Vaterschaft hegt, der hat nach geltendem Recht keine Möglichkeit, seine Vaterschaft feststellen zu lassen ohne Zustimmung des Kindes und der Mutter. Und, das ist der zweite Aspekt, er hat auch keine Möglichkeit, seine Vaterschaft feststellen zu lassen, ohne sie zugleich anzufechten. Das heißt, wer herausfinden möchte, ob er der leibliche Vater eines Kindes ist, der muss seine Vaterschaft anfechten.
Eine solche Vaterschaftsanfechtung, die hat aber verschiedene Pferdefüße: Zum einen führt die Anfechtungsklage, wenn sie Erfolg hat, dazu, dass der Vaterschaftsstatus rückwirkend auf den Tag der Geburt des Kindes beseitigt wird, und zwar auch dann, wenn der Vater seine Pflege- und Erziehungsverantwortung für das Kind eigentlich weiter wahrnehmen will. Es wird also mehr zerstört, als der Vater im Einzelfall zerstören will. Zum anderen ist es so, dass in der Praxis oft schon allein durch die Erhebung der Anfechtungsklage die ehelichen und familiären Beziehungen zerrüttet werden, denn Mutter und Kind erfahren durch die Erhebung der Klage von dem Verdacht des Vaters, und damit ist oft der Fortbestand der Ehe und Familie schon gefährdet.
Wuttke: Trotzdem hat der Bundesgerichtshof ja vor zwei Jahren dem Selbstbestimmungsrecht Vorrang vor der Wahrheit gegeben, trotz der ganzen Probleme, die Sie da geschildert haben. Sie kritisieren das. Warum?
Brosius-Gersdorf: Ja, ich meine, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2005 das Persönlichkeitsrecht des Vaters nicht hinreichend gewürdigt hat. Der Bundesgerichtshof hatte die Vaterschaftsanfechtungsklage des heutigen Klägers vor dem Bundesverfassungsgericht zurückgewiesen, und der Hinweis darauf, dass der für eine solche Anfechtungsklage erforderliche Anfangsverdacht, dass der juristische Vater nicht der leibliche Vater des Kindes ist, durch einen heimlichen Vaterschaftstest, den der Kläger damals hat machen lassen, nicht begründbar sei, weil der Mann, der Kläger dadurch, dass er das Genmaterial des Kindes ohne dessen Zustimmung analysieren ließ, das Persönlichkeitsrecht des Kindes verletzt habe, und das führe eben zur Unverwertbarkeit des heimlichen Vaterschaftstests.
Ich meine allerdings, dass in dieser Situation angesichts der defizitär ausgestalteten Rechtslage die Annahme nahe gelegen hätte, dass sich der Kläger, der Vater in einer Notwehr ähnlichen Lage befand, in der er das Recht hatte zu einem heimlichen Vaterschaftstest, und dass der heimliche Vaterschaftstest auch verwertbar war in dieser Situation.
Wuttke: Sie argumentieren ja jetzt mit dem Artikel 1 des Grundgesetzes in Bezug auf den Vater, nämlich mit der Menschenwürde. Inwiefern?
Brosius-Gersdorf: Ja, mit der Menschenwürde, mehr eigentlich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Man muss einfach sehen, dass eine solche Vaterschaftsuntersuchung die Interessen und Belange sämtlicher Familienangehörigen berührt, nicht nur des Vaters, sondern auch des Kindes und der Mutter. Der Vater kann sich, also der juristische Vater eines Kindes kann sich in seinem Interesse, die Kindesabstammung in Erfahrung zu bringen, auf sein Persönlichkeitsrecht berufen, denn die Kenntnis der Kindesabstammung nimmt eine zentrale Schlüsselstellung ein für die Entfaltung seiner Identität, für sein Selbstverständnis.
Wuttke: Aber was ist mit der Familie, die ja, sagen wir mal, "eine durchaus intakte" sein kann?
Brosius-Gersdorf: Ja, die familiären Beziehungen, die ehelichen und familiären Beziehungen, die können durch einen Vaterschaftstest, durch eine Vaterschaftsfeststellung natürlich Schaden nehmen. Andererseits muss man sehen, dass, wenn der juristische Vater eines Kindes tatsächlich Zweifel an seiner leiblichen Vaterschaft hat, dass dann in der Regel niemandem genützt ist dadurch, dass man einem Vater die Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung nimmt. Hier kann es sehr viel sinnvoller sein, dem Vater die Möglichkeit der Vaterschaftsfeststellung zu geben, damit er seine Zweifel verifiziert, damit er Klarheit hat, ob er auch wirklich der biologische Vater des Kindes ist, und dann müssen sich alle Familienangehörigen mit der Situation auseinandersetzen.
Wuttke: Sie nehmen ja auch die Position der Mutterschaft aufs Korn. Wie weit schützt das Persönlichkeitsrecht den Egoismus, sage ich mal, Kind und Vater so lange im Dunkeln tappen zu lassen im Zweifelsfall?
Brosius-Gersdorf: Ja, also durch die Vaterschaftsuntersuchungen sind eben nicht nur die Rechte des Vaters berührt, sondern durchaus auch die Interessen der Mutter und natürlich vor allen Dingen des Kindes berührt. Die Mutter wird durch eine Vaterschaftsuntersuchung in ihrem Interesse berührt, nicht ans Licht kommen zu lassen, ob es einen vor- oder außerehelichen oder außerlebensgemeinschaftlichen Seitensprung gab. Das ist durchaus prinzipiell mal ein anerkennenswertes Interesse. Die Mutter kann sich insofern auf ein, wie man das so schön nennt, sexuelles Selbstbestimmungsrecht berufen.
Wenn man aber diese Rechte der Mutter einstellt in die Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht des Vaters, dann meine ich, dass diese Rechte der Mutter in vielen Fällen zurücktreten müssen. Eine Mutter, die Mutter eines Kindes, die gegenüber dem juristischen Vater des Kindes nun einmal kraft Schwangerschaft und Geburtsereignis einen Wissensvorsprung hat, kann keinen Anspruch haben, die Wahrheit zu verhindern. Wenn ein Vaterschaftstest ergibt, dass der juristische Vater auch der leibliche Vater des Kindes ist, dann kann die Mutter mit dieser Wahrheit leben. Wenn der Vaterschaftstest ergibt, dass der juristische Vater nicht der biologische Vater ist, dann muss sie mit der Wahrheit leben.
Wuttke: Auf diese Selbstbestimmung muss ich noch mal zu sprechen kommen, denn Frauen haben ja nun sehr lange um das Selbstbestimmungsrecht kämpfen müssen, und nun, nach Ihrem Vorschlag, soll es für einen Mann, um es mal ganz platt zu sagen, auch wieder ausgehebelt werden.
Brosius-Gersdorf: Ja nun, also das Selbstbestimmungsrecht, das existiert erst einmal, das habe ich ja auch gesagt. Aber es ist einfach nicht schrankenlos gewährleistet, und es muss einfach immer in Abwägung gebracht werden mit kollidierenden Rechten anderer, und zu diesen kollidierenden Rechten gehören die Rechte des juristischen Vaters ebenso wie die des Kindes, und man muss einfach im konkreten Einzelfall sehen, was sich für Interessen hinter diesen Rechten verbergen. Und wie gesagt, die Kenntnis der Kindesabstimmung, das kann für die Persönlichkeitsentwicklung des Mannes eine ganz entscheidende Schlüsselvoraussetzung sein, und da meine ich eben, dass die Rechte der Mutter, diesen Seitensprung geheim zu halten, in der Regel zurücktreten müssen.
Wuttke: Wir haben gehört, auch die Bundesjustizministerin ist mit der augenblicklichen Gesetzeslage nicht glücklich. Sie will, dass die Schwelle des Anfangsverdachts sozusagen gesenkt wird, dass Väter schneller die Möglichkeit haben, Beweise auf den Tisch zu legen. Nun stellt sich die große Frage, was wird das Bundesverfassungsgericht um 10:00 Uhr urteilen. Wie groß ist denn die Bredouille für den Gesetzgeber, sich in diesem Fall jetzt nun zu bewegen?
Brosius-Gersdorf: Ich glaube, die Bredouille für den Gesetzgeber ist nicht allzu groß. Frau Bundesministerin Zypries hat ja selbst schon gesagt, dass sie da auch Handlungsbedarf sieht, und ein Gesetz wird sicher in nächster Zeit, nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, ein Gesetzentwurf vorgelegt werden.
Ich meine, dass der Gesetzgeber in zweierlei Hinsicht aktiv werden muss: Zum einen muss er ein Verfahren schaffen, dass juristischen Vätern die Möglichkeit gibt, ihre biologische Vaterschaft unabhängig von einer Vaterschaftsanfechtung feststellen zu lassen. Es muss Vätern möglich sein, ihre Vaterschaft testen zu lassen, ohne zwangsläufig das rechtliche Band zum Kind zu zerschneiden, eben wenn sie die Pflege- und Erziehungsverantwortung weiter für das Kind wahrnehmen wollen. Das ist der erste Aspekt, und der zweite Aspekt ist, der Gesetzgeber muss dafür Sorge tragen, dass Väter eine solche Vaterschaftsfeststellung im Einzelfall auch gegen den Willen der Mutter und des Kindes durchsetzen können.
Wuttke: Warum aus heimlichen Vaterschaftstests legale Vaterschaftstests werden sollen. Die Argumente von Frauke Brosius-Gersdorf von der Universität Potsdam. Ich danke Ihnen, dass Sie im Studio waren.