"Losgegangen als Couch Potato"
Hape Kerkelings Buch "Ich bin dann mal weg" war ein Riesenerfolg, hunderttausende Deutsche haben es gelesen und pilgerten auf den Spuren des TV-Stars auf dem Jakobsweg. Ein Gespräch mit Regisseurin Julia von Heinz und Schauspielerin Katharina Thalbach, die das Buch verfilmt haben.
Susanne Burg: Erst mal begrüße ich ganz herzlich die Regisseurin des Films, Julia von Heinz, und die Schauspielerin Katharina Thalbach. Guten Tag!
Julia von Heinz: Guten Tag!
Katharina Thalbach: Wunderschönen Sonnabend!
Burg: "Ich bin dann mal weg", ein Titel, der bei vielen Deutschen im Gedächtnis ist allein aufgrund des Bestsellers von Hape Kerkeling. Das Buch ist ja nun schon ein paar Jahre alt. Wie haben Sie, als es heraus kam, den Wirbel um das Buch wahrgenommen, und wann haben Sie dann das erste Mal sich damit auseinandergesetzt?
von Heinz: Ich hatte es nicht gelesen, hatte aber das Gefühl, ich kenne das Buch. Es war so in aller Munde. Und als der Anruf kam von der UFA damals, ob ich Interesse hätte, das zu verfilmen, habe ich auch sofort so getan, als kenne ich es schon längst, und habe gesagt, ja, und Interesse. Und dann bin ich sofort unten in die Bücherei, wo das seit Jahr und Tag in so einem Ständer steht, und habe es dann auch gleich gelesen und dachte dann, gut, dass du ja gesagt hast, das ist wirklich interessant.
Viele Roadmovies angesehen
Burg: Wie ist es Ihnen ergangen?
Thalbach: Ich habe es gehört, und zwar lange, bevor das ein Bestseller war. Ich habe ein Hörbuch gemacht, und derselbe Verlag hatte mit Hape gerade produziert, wo Hape ja sein erstes Buch eingelesen hat, also sein Buch eingelesen hat, und dann haben die mir diese Hör-CD geschenkt. Ich gehöre mit zu den Fans der ersten Stunde.
Burg: Es ist ja die Geschichte eines Menschen in einer Krise, mit sehr viel Humor geschrieben. Konnten Sie sich damit auch in gewisser Weise identifizieren?
Thalbach: Hape Kerkeling, der ja nun seit Jahrzehnten da an vorderster Fernsehfront steht und wahrscheinlich keinen Schritt aus dem Haus machen konnte, ohne dass Massen über ihn herfielen, dass man da auch mal das Bedürfnis hat, unsichtbar oder einer von vielen zu sein, das kann ich natürlich nachvollziehen. Aber identifizieren – ich bin glücklicherweise nicht in dieser Situation.
Burg: Frau von Heinz, das Buch ist ja so eine Art fast innerer Monolog, also Hape allein mit sich und der Welt, eine Reise, die über viele Tage geht. Wie schwierig war es, daraus eine Filmdramaturgie zu entwickeln?
von Heinz: Das war schwer, und da haben wir auch wirklich lange dran gesessen. Ich habe ja nicht mitgeschrieben, aber habe das engmaschig mit betreut, habe auch viele Roadmovies mir angeguckt. Und die besseren fand ich doch die, die neben Ganzen "und dann, und dann, und dann", was ja erst mal die vorgegebene Struktur ist, doch auch einen Bogen schaffen. Das haben wir dann versucht, indem wir von den vielen, vielen Begegnungen natürlich Figuren zusammenlegen und über die ein Stück weit diesen Bogen schaffen. Und dann haben wir ja die schöne Erlaubnis bekommen, zu sagen, wir gehen in die Kindheit vom Hape Kerkeling, machen die Rückblenden und erzählen eben auf der einen Ebene den Weg vom Kind zum Showmaster, und dann, auf der anderen Ebene, den Weg vom Showmaster wieder zu einem Menschen, der wieder weiß, wer er ist, ohne dass eine Kamera zuguckt, sage ich jetzt mal so vereinfacht. Und ich finde, diese Ebene hat uns unheimlich geholfen, da eine Dramaturgie, eine stimmige, hinzukriegen.
Entscheidende Frage: "Kann ich alleine sein?"
Burg: Ich finde interessant, dass Sie sagen, Sie haben sich viele Roadmovies angeschaut. Ich musste an einen jüngeren Film denken, wo es eben auch um eine Frau geht, die auf eine Reise geht. "Wild – Der große Trip" von Jean-Marc Vallée. Die Parallele, die ich gefunden habe, war diese Selbstironie, mit der die Hauptdarstellerin auf diese Reise geht und irgendwie so sich selbst auf die Schippe nimmt in der Blauäugigkeit, mit der sie meint, sie kann nun diesen ja noch sehr viel fordernden Weg gehen. Aber auch da irgendwie so diese Herausforderung, den Witz zu kombinieren mit den tatsächlichen körperlichen Herausforderungen, also das auch ernst zu nehmen und nicht sich nur lustig zu machen.
von Heinz: Mit Roadmovie meine ich natürlich auch all das. Es gibt ja auch von David Lynch den Film, wo der Mann mit dem Rasenmäher durch Amerika fährt. Ich habe auch Bücher gelesen, zum Beispiel von Werner Herzog, "Vom Gehen auf Eis" heißt das, glaube ich. Der ist ja mal von München nach Paris gelaufen oder so. Und auch der schreibt ganz viel, wie ihm die Füße weh tun und so weiter. Eben, das ist eben ein elementarer Teil davon, der dazugehört und der auch, glaube ich, wichtig ist, um die inneren Prozesse auszulösen, dass man den Körper mal wieder spürt und guckt, wer ist das denn eigentlich.
Burg: Auf der Wanderung lernt er nun auch zwei Frauen kennen, die eine große Rolle spielen im zweiten Teil des Films, mit denen er versucht, schon im ersten Teil eine Beziehung aufzubauen, was dann auch im zweiten Teil – mit denen er sich dann anfreundet. Inwieweit ist dann auch diese Beziehungsebene wichtig für genau diese Dramaturgie eines Filmes? Inwieweit haben Sie das auch wirklich ausgebaut?
von Heinz: Ja, das war eben ein wichtiges Element, die Frage "Kann ich alleine sein?". Kann ich überhaupt noch alleine sein, nachdem ich es so viele Jahre überhaupt nicht mehr gewesen bin. Und er kann es ja eben nicht, und sucht, und will im Grunde Beschäftigung und Gesellschaft. Und erst, als er sich von diesem Gedanken freimacht, ist er im Grunde auch erst offen dafür, diese Gesellschaft um sich zu haben. Das war ein wichtiges dramaturgisches Element für uns, und das haben wir ja auch relativ klar dann gebaut, viel klarer noch, als es im Buch war, dass er die sucht und immer wieder abblitzt, bis die dann endlich von sich aus auf ihn zukommen, weil er nicht mehr so desperat ausstrahlt, dass er nicht allein sein möchte.
Eine typische Ruhrpott-Figur
Burg: Und er ist ja die ganze Zeit auch auf der Suche, er will ja herausfinden, wie er eigentlich nun zu Gott steht, was das alles soll, warum er diesen Trip unternimmt. Und irgendwann ist er dann in einem kleinen Dorf, und da ist so der große Moment, wo er aber dann doch ganz allein ist. Diese Szene hätte auch viel bombastischer sein können. Wie aufgeladen sollte diese Szene sein, wie überhöht durfte sie sein?
von Heinz: Ungewöhnlich überhaupt für einen Film ist, dass, bevor er weint, liegt eine achtminütige Strecke ohne jeglichen Dialog. Sehe ich nicht oft im Kino, im Fernsehen schon mal gar nicht. Fand ich eine richtige Entscheidung von mir oder von uns allen, die wir den Film gemacht haben, zu sagen, so, jetzt wird mal sieben oder acht Minuten nur gelaufen, ganz wenig Voice-over. Musik ist natürlich wichtig, aber jetzt fangen auch Symbole an, wichtig zu werden.
Er versteht, warum der Jakobsweg seit Jahrhunderten ein Weg ist, auf dem Menschen laufen. Er sieht die alten christlichen Symbole, er sieht in der Ferne andere Pilger. Und über diese lange Einsamkeitsstrecke baut sich das in ihm auf, und wenn er dann dieses – dann sieht er ja sich selbst als kleines Kind, und wir wissen natürlich durch sein zweites Buch, wie das im Grunde aufgeladen ist. Das ist ja verbunden mit dem Verlust der Mutter und mit dem Aufwachsen bei der Oma. Das haben wir ja auch im Film gesehen. Und wenn er das gesehen hat und dass angenommen hat, dann kann er im Grunde loslassen und auch alleine sein. Und durch dieses Weinen ist das symbolisiert. Also, es ist schon sehr gebaut und durchdacht am Ende, und ich bin froh, wenn es nicht so bombastisch rüberkommt.
Das liegt aber auch am Devid, der das einfach schlicht und ergreifend spielt. Der macht das schön mit dem Weinen. Das ist nicht aufgesetzt, das ist nicht peinlich, sondern ich finde, dass das von innen kommt. Ich spüre das genau, wie sich das aufbaut über diese lange Strecke.
Burg: Frau Thalbach, es gibt, wie schon eben erwähnt, diese Rückblenden in die Kindheit. Hape ist bei der Oma und dem Opa aufgewachsen. Sie spielen diese Oma. Wie haben Sie diese Figur zum Leben erweckt?
Thalbach: Ich habe mich natürlich in erster Linie wirklich ein bisschen mit dem Ruhrpott auseinandergesetzt, auch mit der Sprache. Ich hatte ziemlich schnell ein Gefühl für die. Das war auch wie so eine Time-Tunnel, beim Drehen dann allein in die Wohnung reinzukommen und in die Straße, die Julia dann gefunden hat. Ja, ich bin durch diesen Tunnel da gerutscht und war dann da. Und hatte auch Kostüme, die ich geliebt habe. Ich musste eigentlich gar nicht viel machen. Ich musste es nur sein.
von Heinz: Hast du gehört, was Hape gesagt hat?
Thalbach: Nein.
von Heinz: Er hat gesagt – ich habe ein Interview von ihm –, dass du ihr so ähnlich bist. Dass er ein bisschen erschrocken ist, weil du dann seiner echten Oma so ähnlich gewesen bist. Ich zeige dir das mal.
Thalbach: Das finde ich aber ganz toll, das ehrt mich total. Dann war das – dann muss da auch was gewesen sein, was ich immer als übersinnlich bezeichne.
Burg: Aber es ist nicht so, als hätten Sie Fotos gesehen oder irgendwas?
Thalbach: Nichts, gar nichts, also wirklich nichts. Ich weiß nicht, wie die Oma aussah.
Burg: Sie sagten eben, Sie haben sich mit dem Ruhrpott auseinandergesetzt. Was ist denn das Ruhrpöttische an der Figur?
Thalbach: Die Sprache. Und dann etwas, was mir natürlich auch ein bisschen vertraut ist, weil der Ruhrpott immer, wenn ich da – und ich habe ja sehr viel gearbeitet da am Theater und auch gedreht – das erinnert mich immer ein bisschen an die DDR. Das ist mir nahe, das ist mir vertraut. Aber mit der Sprache, da musste ich – das war etwas, was mir nicht so nahe war.
Manche hielten Striesow für Kerkeling
Burg: Dieser Film "Ich bin dann mal weg" hat ja auch eine lange Geschichte in der Entstehung. Sie sind dann erst später eingestiegen, aber bei der Constantin-Film hätte Hape Kerkeling sich selbst spielen sollen. Hätten Sie das für eine gute Idee gehalten?
von Heinz: Ich dachte im ersten Moment, als dieser Anruf kam, von dem ich gerade schon erzählt hatte, ach ja, alles klar, dann drehst du das ja mit Hape Kerkeling. Das war der allererste Gedanke. Und dann hieß es aber, das ist ohne Hape Kerkeling, und dann dachte ich, kann das denn gehen? Dann dachte ich aber, es geht im Grunde nur so. Ich hatte ja dann das Drehbuch gelesen. Ich möchte jetzt nicht mit einem echten Hape Kerkeling auf einem Berg stehen, und jetzt soll der weinen, und dann gefällt mir das vielleicht nicht, und dann sage ich ihm, jetzt bitte noch mal oder stärker, und dann sagt er, nein, aber so war das doch gar nicht, ich war ja dabei – also, wie soll ich denn den führen? Er wollte es selbst ja auch gar nicht, und dann ist die Constantin ausgestiegen, und nun hat die UFA es produziert.
Thalbach: Dazu muss man natürlich auch sagen, ich meine, das beschreibt er ja in seinem Buch, dass er als Couch Potato losgegangen ist und sehr schlank wieder angekommen ist. Und ich weiß nicht, ob er Lust gehabt hätte, diesen Weg noch einmal zu beschreiten für den Film.
Burg: Devid Striesow hat es dann auf sich genommen. Er spielt Hape. Wie schwierig war es, Striesow in einen Menschen zu verwandeln, den ja jeder Deutsche vor Augen hat?
von Heinz: Dass der Devid dann doch diese optische Ähnlichkeit hatte, aber immer stärker noch entwickelt hat, er hat sich ja richtig in den verwandelt, wurde dann angesprochen auf dem Jakobsweg, dass er als Hape Kerkeling da die Bücher unterschreiben soll und so – das hat mich auch überrascht. Ich habe mir klipp und klar gesagt, er muss nicht so aussehen. Hape Kerkeling sieht eh aus, wie alle ihn kennen. Da kommen wir nicht ran und wollen es auch nicht.
Burg: Und jetzt, als Geschenk zu Weihnachten im Kino, am 24. läuft der Film an, "Ich bin dann mal weg!" Ich danke recht herzlich Jule von Heinz, der Regisseurin, und Katharina Thalbach, Schauspielerin.
Thalbach: Danke schön!
von Heinz: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.