Verfolgt, verhaftet, ermordet
Tausende homosexueller Männer wurden während der NS-Zeit verfolgt und verhaftet. Bis zu 10.000 überlebten die Konzentrationslager nicht. Im Paul-Löbe-Haus gleich neben dem Bundestag dokumentiert nun eine Ausstellung die Verfolgung von Homosexuellen durch die Nazis und zeigt, dass die Diskriminierung auf Grundlage des § 175 bis in die jüngste Vergangenheit der Bundesrepublik hineinreichte.
Es sind sehr unterschiedliche Schicksale, die diese kleine, aber eindrucksvolle Ausstellung zeigt. Da ist der Gerichtsassessor Jürgen Rief, der 1935 anonym angezeigt wurde, der aber fliehen und im Exil überleben konnte. Eine andere Schautafel zeigt die Verfolgung des Arztes Bernhard Langer, der zwar Mitglied der NSDAP war, 1940 aber als Homosexueller denunziert wurde und ins Konzentrationslager kam.
Zigtausende wurden verfolgt und verhaftet. Ein anderer Fall ist der des Helmuth Jahn, von der Gestapo auch Anzeigenfetischist genannt, weil er, während er sich Jungen auf dem Strich suchte, andere Männer beobachtete und seine Notizen der Polizei übergab. Nach der Vernehmung eines Jungen wird er selbst festgenommen und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. 5000 bis 10.000 homosexuelle Männer überlebten die Konzentrationslager nicht.
Die Ausstellung im Foyer des Paul-Löbe-Hauses gleich neben dem Reichstag gebe den Opfern Gesichter, so der Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Thierse, es sei eine Präsentation, die
" … begreifbarer macht, was es damals bedeutete, homosexuell zu sein und Objekt von Ausgrenzung, von Verfolgung, von Unterdrückung, ja, auch von Ermordung zu sein."
Es ist darüber hinaus eine Ausstellung, die auch mit der Geschichte der Bundesrepublik und der Gegenwart zu tun hat.
Nach Ansicht des grünen Abgeordneten Volker Beck ist der Bundestag deshalb der richtige Ort für diese Ausstellung:
"Diese Ausstellung gehört in das Parlament, sie steht hier goldrichtig, denn Entscheidungen des Gesetzgebers haben das Leben homosexueller Bürgerinnen und Bürger in hohem Maße beeinflusst. Und ich finde, es dokumentiert schon den Fortschritt, den Politik und das Parlament vollzogen haben, dass dies einmütig über alle Fraktionsgrenzen hinweg so beschlossen wurde. Es zeigt den zivilisatorischen Fortschritt."
Der § 175 stammt schon aus dem Jahr 1871. 1935 verschärften die Nazis die entsprechenden Strafvorschriften, der Nachweis einer homosexuellen Geschlechtshandlung entfiel als Voraussetzung für eine Verurteilung. Nach dem so genannten "Röhmputsch", also der Ermordung des homosexuellen SA-Führers Ernst Röhm und vieler Regimegegnern durch die Schergen des Regimes 1934 wurden Homosexuelle zu Staats- und Volksfeinden erklärt, und ihre Verfolgung erreichte einen neuen Höhepunkt. Begonnen hatten Ausgrenzung und Verfolgung indessen kurz nach der Machtergreifung der Nazis.
Etwa die Hälfte aller Ermittlungsverfahren ging übrigens auf Denunziationen zurück.
In dieser Ausstellung sucht man Bilder von Frauen vergebens, nicht weil lesbische Sexualität nicht unterdrückt wurde, sondern weil weibliche Sexualität nicht ernst genommen wurde und deshalb im Strafgesetzbuch nicht auftauchte.
Der Bundestag hat dieses Kapitel spät aufgearbeitet. Erst 1969 entfernte das Parlament die Strafbarkeit der Homosexualität aus dem Strafgesetzbuch, und erst 1994 wurde der ganze § 175 gestrichen. 2002 beschloss der Bundestag, diese Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung zu rehabilitieren, 2003 entschied das Parlament, nicht nur den ermordeten Juden und den Sinti und Roma ein Denkmal in Berlin zu errichten, sondern auch den verfolgten und ermordeten Homosexuellen.
Die strafrechtliche Verfolgung der Homosexuellen hörte mit dem Ende der NS-Herrschaft keineswegs auf. 2000 bekannte der Bundestag in einer Entschließung, dass die auch nach 1945 geltende strafrechtliche Ahndung der Homosexualität die Menschenwürde der Betroffenen verletzt habe. Volker Beck:
"Es gehört zu den absoluten Schandflecken in der Geschichte des Bundestages, dass der Gesetzgeber das Strafrecht gegen Homosexuelle in der NS-Fassung von 1935 zwei Jahrzehnte unverändert in Kraft ließ. Der Staat hat unbarmherzig verfolgt. Allein der Verdacht, ein 175er zu sein, konnte den sozialen Ruin bedeuten."
Es geht also bei dieser Ausstellung um mehr als die Erinnerung an das NS-Unrecht. Wolfgang Thierse:
"Wir erinnern an Unrecht zunächst und vor allem, indem wir an die Opfer erinnern, ihrer gedenken. Aber indem wir das tun, meinen wir natürlich Gegenwart und Zukunft gestalten, unser Verhalten heute und morgen."
Für Beck ergibt sich aus der Geschichte eine besondere deutsche Verantwortung für die Gegenwart. Denn die Verfolgung von Homosexuellen gehört keineswegs der Vergangenheit an. In 70 Ländern ist sie strafbar, in Ländern wie Afghanistan, Pakistan, dem Jemen, dem Sudan und Saudi-Arabien wird sie mit dem Tode bestraft. Deshalb, so Beck sei es nicht hinnehmbar, dass Menschen, die aus diesen Ländern nach Deutschland geflohen seien, wieder in ihre Heimatländer abgeschoben würden:
"Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist das für mich unfassbar. Deutsche Behörden machen geltend, man könne sich in Afghanistan oder dem Iran gefahrlos privat homosexuell betätigen, solange man dies heimlich tue… Schauen wir uns die Ausstellung an. Heimlichkeit haben auch die Homosexuellen im NS-Deutschland immer wieder versucht, dennoch sind viele denunziert und verfolgt worden und Tausende in die Fänge von Polizei und Justiz geraten."
Zigtausende wurden verfolgt und verhaftet. Ein anderer Fall ist der des Helmuth Jahn, von der Gestapo auch Anzeigenfetischist genannt, weil er, während er sich Jungen auf dem Strich suchte, andere Männer beobachtete und seine Notizen der Polizei übergab. Nach der Vernehmung eines Jungen wird er selbst festgenommen und zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. 5000 bis 10.000 homosexuelle Männer überlebten die Konzentrationslager nicht.
Die Ausstellung im Foyer des Paul-Löbe-Hauses gleich neben dem Reichstag gebe den Opfern Gesichter, so der Vizepräsident des Bundestages, Wolfgang Thierse, es sei eine Präsentation, die
" … begreifbarer macht, was es damals bedeutete, homosexuell zu sein und Objekt von Ausgrenzung, von Verfolgung, von Unterdrückung, ja, auch von Ermordung zu sein."
Es ist darüber hinaus eine Ausstellung, die auch mit der Geschichte der Bundesrepublik und der Gegenwart zu tun hat.
Nach Ansicht des grünen Abgeordneten Volker Beck ist der Bundestag deshalb der richtige Ort für diese Ausstellung:
"Diese Ausstellung gehört in das Parlament, sie steht hier goldrichtig, denn Entscheidungen des Gesetzgebers haben das Leben homosexueller Bürgerinnen und Bürger in hohem Maße beeinflusst. Und ich finde, es dokumentiert schon den Fortschritt, den Politik und das Parlament vollzogen haben, dass dies einmütig über alle Fraktionsgrenzen hinweg so beschlossen wurde. Es zeigt den zivilisatorischen Fortschritt."
Der § 175 stammt schon aus dem Jahr 1871. 1935 verschärften die Nazis die entsprechenden Strafvorschriften, der Nachweis einer homosexuellen Geschlechtshandlung entfiel als Voraussetzung für eine Verurteilung. Nach dem so genannten "Röhmputsch", also der Ermordung des homosexuellen SA-Führers Ernst Röhm und vieler Regimegegnern durch die Schergen des Regimes 1934 wurden Homosexuelle zu Staats- und Volksfeinden erklärt, und ihre Verfolgung erreichte einen neuen Höhepunkt. Begonnen hatten Ausgrenzung und Verfolgung indessen kurz nach der Machtergreifung der Nazis.
Etwa die Hälfte aller Ermittlungsverfahren ging übrigens auf Denunziationen zurück.
In dieser Ausstellung sucht man Bilder von Frauen vergebens, nicht weil lesbische Sexualität nicht unterdrückt wurde, sondern weil weibliche Sexualität nicht ernst genommen wurde und deshalb im Strafgesetzbuch nicht auftauchte.
Der Bundestag hat dieses Kapitel spät aufgearbeitet. Erst 1969 entfernte das Parlament die Strafbarkeit der Homosexualität aus dem Strafgesetzbuch, und erst 1994 wurde der ganze § 175 gestrichen. 2002 beschloss der Bundestag, diese Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung zu rehabilitieren, 2003 entschied das Parlament, nicht nur den ermordeten Juden und den Sinti und Roma ein Denkmal in Berlin zu errichten, sondern auch den verfolgten und ermordeten Homosexuellen.
Die strafrechtliche Verfolgung der Homosexuellen hörte mit dem Ende der NS-Herrschaft keineswegs auf. 2000 bekannte der Bundestag in einer Entschließung, dass die auch nach 1945 geltende strafrechtliche Ahndung der Homosexualität die Menschenwürde der Betroffenen verletzt habe. Volker Beck:
"Es gehört zu den absoluten Schandflecken in der Geschichte des Bundestages, dass der Gesetzgeber das Strafrecht gegen Homosexuelle in der NS-Fassung von 1935 zwei Jahrzehnte unverändert in Kraft ließ. Der Staat hat unbarmherzig verfolgt. Allein der Verdacht, ein 175er zu sein, konnte den sozialen Ruin bedeuten."
Es geht also bei dieser Ausstellung um mehr als die Erinnerung an das NS-Unrecht. Wolfgang Thierse:
"Wir erinnern an Unrecht zunächst und vor allem, indem wir an die Opfer erinnern, ihrer gedenken. Aber indem wir das tun, meinen wir natürlich Gegenwart und Zukunft gestalten, unser Verhalten heute und morgen."
Für Beck ergibt sich aus der Geschichte eine besondere deutsche Verantwortung für die Gegenwart. Denn die Verfolgung von Homosexuellen gehört keineswegs der Vergangenheit an. In 70 Ländern ist sie strafbar, in Ländern wie Afghanistan, Pakistan, dem Jemen, dem Sudan und Saudi-Arabien wird sie mit dem Tode bestraft. Deshalb, so Beck sei es nicht hinnehmbar, dass Menschen, die aus diesen Ländern nach Deutschland geflohen seien, wieder in ihre Heimatländer abgeschoben würden:
"Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist das für mich unfassbar. Deutsche Behörden machen geltend, man könne sich in Afghanistan oder dem Iran gefahrlos privat homosexuell betätigen, solange man dies heimlich tue… Schauen wir uns die Ausstellung an. Heimlichkeit haben auch die Homosexuellen im NS-Deutschland immer wieder versucht, dennoch sind viele denunziert und verfolgt worden und Tausende in die Fänge von Polizei und Justiz geraten."