Vergaloppiert
Er zeigt nur ein einziges Werk und das ist noch nicht einmal neu: Maurizio Cattelan ist in der Fondation Beyerler bei Basel zu sehen. Das wirkt nicht wie ein Comeback, sondern eher wie ein hochtrabend aufgewärmter Evergreen. Aber Cattelan hat sowieso Besseres zu tun.
Es gibt nur ein einziges Werk und das ist noch nicht einmal neu: Maurizio Cattelan ist in der Fondation Beyerler bei Basel zu sehen. Das ist kein Comeback, sondern eher hochtrabend aufgewärmte Evergreens. Aber Cattelan hat sowieso Besseres zu tun.
Bei Maurizio Cattelan muss man mit allem rechnen. Niemand wäre zum Beispiel ernsthaft überrascht, wenn es gar nichts zu sehen gäbe, so wie Anfang der neunziger Jahre bei einer Ausstellung in einem italienischen Schloss. Die Räume waren völlig leer, doch aus einem offenen Fenster baumelte ein Strang aus zusammengeknüpften Bettlaken – der stets zu Scherzen aufgelegte Künstler hatte sich abgeseilt.
So gesehen ist man in dieser Schau noch gut bedient, denn es gibt nur ein einziges Werk zu sehen. Ganz oben, knapp unter der fünf Meter hohen Decke, hängen fünf ausgestopfte Pferde, als wären sie im Galopp gegen die Wand gerannt. Ihre Hälse stecken fest im weißen Putz, die braunen Leiber mit den schwarzen Schweifen schweben hilflos in der Luft.
Der Effekt ist schon enorm, allein die Statik ist verblüffend. Doch neu ist das nicht. 2007 hat Cattelan das Werk erschaffen, fünf einzelne Pferde, und hier hat er nichts weiter getan, als alle fünf Exemplare erstmals an einem Ort zusammenzuführen.
"Kaputt", der Titel des Werks, bezieht sich auf den gleichnamigen Roman des italienischen Schriftstellers Curzio Malaparte. Malaparte erzählt darin zum Beispiel eine Begebenheit aus dem Zweiten Weltkrieg von eingeschlossenen Pferden in einem zugefrorenen See in Finnland, von denen nur noch die Köpfe aus dem Eis ragten, und wie sich die Soldaten auf die gefrorenen Pferdeköpfe wie auf einen Hocker setzten, um ihre Zigaretten und Pfeifen zu rauchen.
Das klingt sehr spannend und bizarr, hilft aber nicht wirklich bei der Deutung von Cattelans Pferdequintett. Natürlich bieten sich mannigfache kunsthistorische Assoziationen an; man mag sich auch fragen, ob sich der Pulk der Rösser in Panik vergaloppiert hat oder ob da eine Hürde zu hoch war, und irgendwie wird man die Pferde verstehen als eine Mischung aus Mut und Angst, Verzweiflung, Tragödie und Allegorie. Kurator Sam Keller:
"Ein Satz, der von Maurizio gekommen ist, ist, dass er gesagt hat, bei diesem Werk geht es um heroische Anstrengungen und ihr Scheitern an der Realität."
Das darf man sicher ebenso politisch wie poetisch nehmen. Zugegeben, es ist ein starkes Bild; aber auch ein starkes Stück, das sich Cattelan da leistet. Wenn die Erwartungen derart hochgeschraubt sind wie hier, bleibt auch Platz für Enttäuschung.
Denn statt eines echten Comebacks bietet Cattelan, der Spezialist für Schock und Schabernack, nichts als hochtrabend aufgewärmte Evergreens. Aber, sagt der Kurator:
"Er lässt es ja den Leuten offen, wie sie darauf reagieren und ist dann selbstbewusst genug. Außerdem sagt er immer: Versagen muss auch eine Option bleiben. Und in vielen seiner Werke geht es ja um das Versagen, unter anderem auch in diesem."
Cattelan, derzeit das erste Jahr im selbstgewählten Ruhestand, ist übrigens keineswegs untätig. Er widmet sich einer Zeitschrift mit dem schönen Titel "Toilet Paper", die neue Nummer erscheint diese Woche pünktlich zur Schau.
"Maurizio Cattelan ist wirklich ein wichtiger Künstler, und man hört nicht einfach auf, Künstler zu sein. Er wird sicher weiter aktiv sein. Es ist auch möglich, dass er weitere Werke kreiert, nur werden das vielleicht andere Werke sein als er das in der Vergangenheit gemacht hat."
Maurizio Cattelan selbst hat allerdings noch niemals einen Finger krumm gemacht für seine Werke. Die Ausführung seiner Konzepte und Ideen überlässt er stets Spezialisten – im Fall der Pferde einem Tierpräparator, der exzellente Arbeit geleistet hat, meint Sam Keller:
"Das sieht immer so einfach aus. Aber das ist gar nicht einfach. Denn das sind nicht irgendwelche Ackergäule, sondern das müssen sehr elegante, schöne Pferde sein, die gibt’s aber ganz selten. Er will auch keine Pferde umbringen, das heißt., er muss warten, bis so ein Pferd stirbt, das heißt, da gibt es viel an Arbeit, bis das Form bekommt, und da sieht man dann schon die Hand eines großen Künstlers."
Nun gut, doch eines muss man dennoch sagen: Wegen des Werks von Cattelan eigens nach Riehen zu fahren, lohnt sich nicht. Aber man kann die parallel gezeigte Hauptausstellung von Max Ernst zum Anlass nehmen. Neben all den Wunderlichkeiten und Phantastereien des großen Surrealisten hinterlassen Cattelans Pferde zweifellos den stärksten Eindruck. Und das schafft nun auch nicht jeder.
Bei Maurizio Cattelan muss man mit allem rechnen. Niemand wäre zum Beispiel ernsthaft überrascht, wenn es gar nichts zu sehen gäbe, so wie Anfang der neunziger Jahre bei einer Ausstellung in einem italienischen Schloss. Die Räume waren völlig leer, doch aus einem offenen Fenster baumelte ein Strang aus zusammengeknüpften Bettlaken – der stets zu Scherzen aufgelegte Künstler hatte sich abgeseilt.
So gesehen ist man in dieser Schau noch gut bedient, denn es gibt nur ein einziges Werk zu sehen. Ganz oben, knapp unter der fünf Meter hohen Decke, hängen fünf ausgestopfte Pferde, als wären sie im Galopp gegen die Wand gerannt. Ihre Hälse stecken fest im weißen Putz, die braunen Leiber mit den schwarzen Schweifen schweben hilflos in der Luft.
Der Effekt ist schon enorm, allein die Statik ist verblüffend. Doch neu ist das nicht. 2007 hat Cattelan das Werk erschaffen, fünf einzelne Pferde, und hier hat er nichts weiter getan, als alle fünf Exemplare erstmals an einem Ort zusammenzuführen.
"Kaputt", der Titel des Werks, bezieht sich auf den gleichnamigen Roman des italienischen Schriftstellers Curzio Malaparte. Malaparte erzählt darin zum Beispiel eine Begebenheit aus dem Zweiten Weltkrieg von eingeschlossenen Pferden in einem zugefrorenen See in Finnland, von denen nur noch die Köpfe aus dem Eis ragten, und wie sich die Soldaten auf die gefrorenen Pferdeköpfe wie auf einen Hocker setzten, um ihre Zigaretten und Pfeifen zu rauchen.
Das klingt sehr spannend und bizarr, hilft aber nicht wirklich bei der Deutung von Cattelans Pferdequintett. Natürlich bieten sich mannigfache kunsthistorische Assoziationen an; man mag sich auch fragen, ob sich der Pulk der Rösser in Panik vergaloppiert hat oder ob da eine Hürde zu hoch war, und irgendwie wird man die Pferde verstehen als eine Mischung aus Mut und Angst, Verzweiflung, Tragödie und Allegorie. Kurator Sam Keller:
"Ein Satz, der von Maurizio gekommen ist, ist, dass er gesagt hat, bei diesem Werk geht es um heroische Anstrengungen und ihr Scheitern an der Realität."
Das darf man sicher ebenso politisch wie poetisch nehmen. Zugegeben, es ist ein starkes Bild; aber auch ein starkes Stück, das sich Cattelan da leistet. Wenn die Erwartungen derart hochgeschraubt sind wie hier, bleibt auch Platz für Enttäuschung.
Denn statt eines echten Comebacks bietet Cattelan, der Spezialist für Schock und Schabernack, nichts als hochtrabend aufgewärmte Evergreens. Aber, sagt der Kurator:
"Er lässt es ja den Leuten offen, wie sie darauf reagieren und ist dann selbstbewusst genug. Außerdem sagt er immer: Versagen muss auch eine Option bleiben. Und in vielen seiner Werke geht es ja um das Versagen, unter anderem auch in diesem."
Cattelan, derzeit das erste Jahr im selbstgewählten Ruhestand, ist übrigens keineswegs untätig. Er widmet sich einer Zeitschrift mit dem schönen Titel "Toilet Paper", die neue Nummer erscheint diese Woche pünktlich zur Schau.
"Maurizio Cattelan ist wirklich ein wichtiger Künstler, und man hört nicht einfach auf, Künstler zu sein. Er wird sicher weiter aktiv sein. Es ist auch möglich, dass er weitere Werke kreiert, nur werden das vielleicht andere Werke sein als er das in der Vergangenheit gemacht hat."
Maurizio Cattelan selbst hat allerdings noch niemals einen Finger krumm gemacht für seine Werke. Die Ausführung seiner Konzepte und Ideen überlässt er stets Spezialisten – im Fall der Pferde einem Tierpräparator, der exzellente Arbeit geleistet hat, meint Sam Keller:
"Das sieht immer so einfach aus. Aber das ist gar nicht einfach. Denn das sind nicht irgendwelche Ackergäule, sondern das müssen sehr elegante, schöne Pferde sein, die gibt’s aber ganz selten. Er will auch keine Pferde umbringen, das heißt., er muss warten, bis so ein Pferd stirbt, das heißt, da gibt es viel an Arbeit, bis das Form bekommt, und da sieht man dann schon die Hand eines großen Künstlers."
Nun gut, doch eines muss man dennoch sagen: Wegen des Werks von Cattelan eigens nach Riehen zu fahren, lohnt sich nicht. Aber man kann die parallel gezeigte Hauptausstellung von Max Ernst zum Anlass nehmen. Neben all den Wunderlichkeiten und Phantastereien des großen Surrealisten hinterlassen Cattelans Pferde zweifellos den stärksten Eindruck. Und das schafft nun auch nicht jeder.