Unklare Rechtslage für Vergewaltigungsopfer
Wie viel Widerstand muss eine Frau leisten, damit der Straftatbestand der Vergewaltigung erfüllt ist? Dazu gibt es derzeit nur eine unklare Rechtsprechung, kritisiert die Oberstaatsanwältin Sabine Kräuter-Stockton. Sie fordert die Streichung des sogenannten "Nötigungsmerkmals".
Die Saarbrücker Oberstaatsanwältin Sabine Kräuter-Stockton hat sich für eine Änderung des Vergewaltigungsparagraphen 177 des Strafgesetzbuches ausgesprochen.
Das für eine Strafverfolgung auch erforderliche "Nötigungsmerkmal" solle aus dem bisherigen Gesetz gestrichen werden, sagte Kräuter-Stockton am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur:
"Strafbarkeit würde dann daran anknüpfen, dass ein Mensch sexuelle Handlungen an einem anderen Menschen vornimmt. Und dass der andere Mensch damit nicht einverstanden ist."
So Kräuter-Stockton vor dem Hintergrund der heutigen Herbstkonferenz der Justizminister. Dort wird auch über Änderungen beim Vergewaltigungsparagraphen beraten.
Seit Jahrzehnten existieren Schutzlücken bei Vergewaltigungsopfern, äußerte die auch im Deutschen Juristinnenbund engagierte Oberstaatsanwältin. So seien nach der bisherigen Rechtsprechung drei Punkte für eine Strafverfolgung notwendig. Das seien zum einen sexuelle Handlungen eines Täters am Opfer, zum anderen das mangelnde Einverständnis des Opfers. Beim dritten Punkt bestehe jedoch Änderungsbedarf:
"Zusätzlich muss der Täter entweder Gewalt anwenden oder drohen mit bestimmten schweren Gewalttaten. Oder er muss eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzen. Also wenn dieser dritte Punkt zusätzlich nicht erfüllt ist, dann liegt keine Vergewaltigung vor. (...) Das ist die jetzige Rechtslage."
"Zusätzlich muss der Täter entweder Gewalt anwenden oder drohen mit bestimmten schweren Gewalttaten. Oder er muss eine schutzlose Lage des Opfers ausnutzen. Also wenn dieser dritte Punkt zusätzlich nicht erfüllt ist, dann liegt keine Vergewaltigung vor. (...) Das ist die jetzige Rechtslage."
Im Moment gebe es eine widersprüchliche und sehr unzuverlässige Rechtsprechung zu dem Punkt, wann das von Gesetzgeber zusätzlich geforderte Merkmal Gewalt vorliege, kritisierte Kräuter-Stockton. Das führe nicht nur aus der Sicht der Strafverfolger, sondern auch aus Sicht der Täter zu einer unklaren Situation:
"Denn es ist sehr schwer, im vorhinein zu sagen, hier nehmen die Gerichte jetzt das Merkmal Gewalt an. (...) Das heißt, der Täter weiß im voraus eigentlich gar nicht: Macht er sich jetzt strafbar oder nicht."