Verhängnisvoller Mondausflug
Frank Schätzings Roman liest sich wie ein auf 1300 Seiten aufgeblasenes Drehbuch von der Stange: ziemlich ermüdend. Die Science-Fiction-Literatur steckt in der Krise - und das bekommt man auch in "Limit" zu spüren: die Vision von der Ressourcensuche auf dem Mond ist nichts als in die Zukunft verlängerte Gegenwart.
Endlich ist er da, der neue Frank Schätzing: "Limit", ein Science-Fiction-Roman mit mehr als 1300 Seiten und einem fulminanten Auftakt. Es ist das Jahr 2025. Die USA und China suchen auf dem Mond nach dem Gas Helium-3, das fossile Brennstoffe wie Erdöl und Kohle ersetzen soll. Die Amerikaner sind dabei auf die Infrastruktur angewiesen, die ihnen ein ehrgeiziger Unternehmer namens Julian Orley zur Verfügung stellt. Ein "Spacelift", eine Art überdimensionierter Lastenaufzug, soll die Strecke zwischen der Erde und einem Verladebahnhof im Orbit überbrücken. Jetzt fehlen nur noch ein paar Investoren. Also überredet Orley eine Gruppe von Millionären zu einem verhängnisvollen Ausflug auf den Mond.
Frank Schätzing hat ein großes Talent zur kreativen Recherche, das hat er bereits in seinem meeresbiologisch fundierten Bestseller "Der Schwarm" gezeigt. Und auch das scheinbar fiktive Setting in "Limit" ist nichts als in die Zukunft verlängerte Gegenwart. Die Idee, Helium-3-Vorkommen außerhalb der Erde zu erschließen, existiert seit Mitte der 80er, die USA und China planen tatsächlich, in den nächsten 20 Jahren bemannte Stationen auf dem Mond einzurichten, und sogar der "Spacelift" ist bereits von einem Physiker beschrieben worden. Äußerst realistisch ist darüber hinaus die Vorstellung einer Public-Private-Partnership im Bereich der Raumfahrt – schließlich werden schon jetzt staatliche Aufgaben inklusive der Kriegsführung an Firmen abgegeben.
Das ist dunkle Seite des Mondes, und genau darum geht es in der besseren Science-Fiction-Literatur: um einen Blick auf die nicht ganz so schöne Welt von morgen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich die Rahmenbedingungen allerdings entscheidend verändert. Der technische Fortschritt hat eine märchenhafte Geschwindigkeit erreicht, oder, um es mit einem der wenigen klugen Sätze aus "Limit" zu sagen: "Nachdem sich die Wirklichkeit von der Science-Fiction-Literatur emanzipiert hat, greift sie nun ihre Ideen auf." Diese Entwicklung hat auch literarische Auswirkungen. Nachdem die Wirklichkeit selbst zur "science fiction" geworden ist, steckt das Genre in einer tiefen Krise, und das bekommt man auch in "Limit" zu spüren. Wie viele seiner hilflosen Kollegen versucht Frank Schätzing, visionäre Defizite mit den dramaturgischen Mitteln eines Hollywood-Blockbusters auszugleichen.
Doch ein Buch ist kein Film. Kinoreife Action wirkt auf dem Papier einfach immer etwas blass, und vermeintlich spritzige Dialoge formen noch lange keine Charaktere. So liest sich dieser Roman wie ein auf 1300 Seiten aufgeblasenes Drehbuch von der Stange: ziemlich ermüdend. Während eine "Geheimorganisation" das amerikanische Helium-3-Projekt zu sabotieren versucht, jagt eine knappe Hundertschaft gesichtsloser Protagonisten über den Mond und produziert selbst am Rand des kargen Mare Frigoris noch einen schlechten Kalauer nach dem nächsten: "Und warum wird so ´ne olle Wüste Meer genannt?" Gut möglich, dass solche munteren Plaudereien im Weltraum in ein paar Jahren zum Alltag gehören werden. Um die Zukunft der Science-Fiction-Literatur steht es dagegen definitiv schlecht.
Besprochen von Kolja Mensing
Frank Schätzing: Limit
Roman
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009
1320 Seiten, 26 Euro
Frank Schätzing hat ein großes Talent zur kreativen Recherche, das hat er bereits in seinem meeresbiologisch fundierten Bestseller "Der Schwarm" gezeigt. Und auch das scheinbar fiktive Setting in "Limit" ist nichts als in die Zukunft verlängerte Gegenwart. Die Idee, Helium-3-Vorkommen außerhalb der Erde zu erschließen, existiert seit Mitte der 80er, die USA und China planen tatsächlich, in den nächsten 20 Jahren bemannte Stationen auf dem Mond einzurichten, und sogar der "Spacelift" ist bereits von einem Physiker beschrieben worden. Äußerst realistisch ist darüber hinaus die Vorstellung einer Public-Private-Partnership im Bereich der Raumfahrt – schließlich werden schon jetzt staatliche Aufgaben inklusive der Kriegsführung an Firmen abgegeben.
Das ist dunkle Seite des Mondes, und genau darum geht es in der besseren Science-Fiction-Literatur: um einen Blick auf die nicht ganz so schöne Welt von morgen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich die Rahmenbedingungen allerdings entscheidend verändert. Der technische Fortschritt hat eine märchenhafte Geschwindigkeit erreicht, oder, um es mit einem der wenigen klugen Sätze aus "Limit" zu sagen: "Nachdem sich die Wirklichkeit von der Science-Fiction-Literatur emanzipiert hat, greift sie nun ihre Ideen auf." Diese Entwicklung hat auch literarische Auswirkungen. Nachdem die Wirklichkeit selbst zur "science fiction" geworden ist, steckt das Genre in einer tiefen Krise, und das bekommt man auch in "Limit" zu spüren. Wie viele seiner hilflosen Kollegen versucht Frank Schätzing, visionäre Defizite mit den dramaturgischen Mitteln eines Hollywood-Blockbusters auszugleichen.
Doch ein Buch ist kein Film. Kinoreife Action wirkt auf dem Papier einfach immer etwas blass, und vermeintlich spritzige Dialoge formen noch lange keine Charaktere. So liest sich dieser Roman wie ein auf 1300 Seiten aufgeblasenes Drehbuch von der Stange: ziemlich ermüdend. Während eine "Geheimorganisation" das amerikanische Helium-3-Projekt zu sabotieren versucht, jagt eine knappe Hundertschaft gesichtsloser Protagonisten über den Mond und produziert selbst am Rand des kargen Mare Frigoris noch einen schlechten Kalauer nach dem nächsten: "Und warum wird so ´ne olle Wüste Meer genannt?" Gut möglich, dass solche munteren Plaudereien im Weltraum in ein paar Jahren zum Alltag gehören werden. Um die Zukunft der Science-Fiction-Literatur steht es dagegen definitiv schlecht.
Besprochen von Kolja Mensing
Frank Schätzing: Limit
Roman
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009
1320 Seiten, 26 Euro