"Erdogan hat den Kompass verloren"
Mit der Verhaftung führender Politiker der pro-kurdischen Partei HDP hat Präsident Erdogan eine "klare rote Linie" überschritten, meint Özcan Mutlu. Der Grünen-Politiker kritisiert, Kanzlerin Merkel habe viel zu lange zur Entwicklung in der Türkei geschwiegen.
Der türkischstämmige Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu (Bündnis 90/ Grüne) hat die Verhaftung führender Politiker der pro-kurdischen HDP in der Türkei scharf kritisiert.
Damit habe Präsident Erdogan "eine klare rote Linie" überschritten, sagte Mutlu im Deutschlandradio Kultur. Die Verhaftungen würden der Türkei sowohl in den EU-Beitrittsgesprächen als auch bei anderen Abkommen sehr schaden. Er verstehe nicht, wohin Erdogan wolle, so der Grünen-Politiker. "Es ist einfach so, als hätten die Türkei und Erdogan den Kompass verloren."
Merkel hat zu lange geschwiegen
Mutlu kritisierte ferner die passive Haltung, die Deutschland und die EU gegenüber der Türkei an den Tag legten. Es sei zwar erfreulich, dass die Bundeskanzlerin sich vor einigen Tagen zur Türkei geäußert habe. Aber: "Leider viel, viel zu spät und nicht deutlich und drastisch genug."
Zwar brauche man die Türkei für die Bewältigung der Flüchtlingssituation, räumte Mutlu ein. Auch bestehe die Möglichkeit, dass – wenn Ankara wolle – sich viele der drei Millionen Geflüchtete in der Türkei auf den Weg nach Europa machten. "Aber das bedeutet nicht, dass wir in Europa, weil Flüchtlinge bei uns Zuflucht suchen werden – womit auch die Türkei droht –, dass wir alle unsere Werte über Bord werfen, zusehen, wie die Demokratie mit Füßen getreten wird."
EU-Beitrittsverhandlungen sollen Rechtsstaatlichkeit zurückbringen
Der Grünen-Politiker plädierte dafür, in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei das Justizkapitel zu eröffnen, "damit endlich das türkische Recht mit dem EU-Recht harmonisiert wird, die Gewaltenteilung wieder eingerichtet wird".