Verhaltensforschung

Wie Menschen und Hunde kooperieren

06:55 Minuten
Eine Person sitzt auf einer Weise mit einem erhobenen Zeigefinger gegenüber einem Hund.
Am Max-Planck-Institut wird die besondere Beziehung zwischen Mensch und Hund erforscht. © Max-Planck-Institut / SHH
Von Sibylle Kölmel |
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Hunde sind im Laufe der Evolution eine so enge soziale Verbindung zu Menschen eingegangen wie kaum ein anderes Tier. Ob das an einer besonders ausgeprägten Kooperationsbereitschaft von Hunden liegt, soll jetzt ein Forschungsprojekt klären.
"Ich mache die Kamera an und dann sage ich den Namen der Studie und den Namen des Hundes – welchen Tag wir haben und so", erklärt Blanca Vidal Orga und hält eine beschriftete kleine Tafel in die Kamera:
"Wir machen eine Kooperationsstudie mit Amadeus, heute ist der 13. Juni 2021, wir machen Testtag 2, Session 4, Versuch 3, Bedingung 1."
Ich bin in Jena, am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und dort im DogLab, im Hundestudienlabor. Es liegt in einem kühlen und bis auf den Versuchsaufbau leeren Kellergewölbe. Blanca Vidal Orga ist hier Doktorandin – heute testet sie meinen Hund: Amadeus, zwei Jahre alt, ein Golden Retriever. An drei Abenden nehmen wir hier an einem Versuch teil.

Kooperieren Hunde mit Menschen?

"Was ich sehen will, ist: Was macht der Hund in einer Situation zusammen mit einem Menschen."
Was die Psychologin Blanca Vidal Orga interessiert, ist, ob Hunde die Motivation haben zu kooperieren. Und ob sie die jeweilige Situation, auch den Kontext, verstehen:
"Sie müssen verstehen, ob ein Mensch Hilfe braucht oder in einer Situation ist, wo der Hund etwas machen kann, damit der Mensch seinen Zweck erreicht. Und dann, was ich in ihrem Verhalten beobachten will, ist, ob sie motiviert sind, dieses Verhalten zu zeigen – dass es Hilfe für den Menschen gibt."
Dafür stellen die Wissenschaftlerinnen hier im Labor Alltagssituationen nach, anhand von Methoden aus der experimentellen Psychologie.

"Wir versuchen, unsere Situationen so natürlich wie möglich zu bauen, damit unsere Ergebnisse eine praktische Anwendung haben. Dass wir sagen: ‚Okay, wir haben das hier in dem Testraum beobachtet und das imitiert das echte Leben.`"
Ein Beispiel: Der Hund, in diesem Fall Amadeus, soll zunächst lernen, dass sich eine Tür öffnet, wenn er mit der Pfote auf eine kleine Holzkiste tritt. Er hat es, nach wiederholter Anleitung von Blanca Vidal Orga und ohne mein Beisein, schnell begriffen, läuft zu der kleinen Kiste und stellt seine Pfote drauf.
Das Hundelabor gibt es seit 2016 am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena. Juliane Bräuer leitet die Abteilung. Sie sagt, dass die Wissenschaft davon ausgeht, dass Hunde aufgrund ihrer Entwicklung anders sind als andere Haustiere:
"Wir wissen, dass Hunde eher domestiziert wurden als jedes andere Haustier, und zwar zu einer Zeit, als wir noch umherzogen. Warum das passiert ist, das wissen wir im Prinzip noch nicht genau. Es wird zum Beispiel angenommen, dass die Wölfe in der Zeit auch oft in der Nähe von menschlichen Behausungen waren und sich vielleicht dem Menschen selbst angenähert haben – man spricht von Selbst-Domestikation. Aber wir wissen nicht, was der erste Nutzen war. Ich nehme an, dass das vielleicht auch die Wachsamkeit war, die gute Nase des Hunde-Vorfahrens, des Wolfs damals."

Mensch und Hund nützen sich gegenseitig

Weltweit sind Hunde im Laufe der Evolution eine so enge – und auch soziale – Verbindung mit dem Menschen eingegangen wie kaum ein anderes Tier.
"Offensichtlich, um in der einen oder anderen Art mit uns zusammenzuarbeiten."
Von Anfang an, so vermutet die Forschung, muss es eine Art intuitive Wahrnehmung gegeben haben, dass man sich gegenseitig nützlich ist: Der Mensch etwa profitiere von den kognitiven Fähigkeiten des Hundes – der Hund von Schutz und Versorgung durch den Menschen.
Im Hundestudienlabor am Max-Planck-Institut in Jena wird diese besondere Beziehung jetzt in vielen Facetten erforscht. Was hat der Hund für kognitive Fähigkeiten? Was versteht er? Was kann er lernen? Hunde, so die Biologin Juliane Bräuer, seien besonders gut in zwei Bereichen: Einmal in der Art und Weise, wie sie mit den Menschen kommunizieren und die Menschen deuten. Etwa, indem sie verstehen, ob und wann jemand aufmerksam ist – oder nicht:
"Da gibt es einen sehr schönen Test, wo wir geschaut haben, ob Hunde wissen, was der Mensch sehen kann, und das ging folgendermaßen: Wir haben ein Stück Futter auf die Erde gelegt und dann haben wir 'AUS' gesagt zu dem Hund, er durfte das Futter nicht nehmen. Und dann haben wir zwei Minuten gewartet und entweder wir haben den Hund angeschaut oder wir hatten die Augen geschlossen oder haben uns umgedreht oder haben ein Video Game gespielt. Und es stellte sich halt heraus, dass die Hunde das Futter sehr viel öfter fressen, wenn man eben abgelenkt war und seltener, wenn man sie anschaut."

Hunde zeigen hohe Motivation zu helfen

Die andere Stärke des Hundes liegt in seiner Kooperationsfähigkeit:
"Ich sag immer als Vergleich: Kinder sind extrem motiviert zu helfen. Das heißt, sie verstehen, was das Problem ist, und sie helfen auch gerne. Während hingegen Schimpansen die Situation oft sehr gut verstehen, aber nicht helfen, jedenfalls nicht dem Menschen. Und beim Hund ist es den Erkenntnissen der letzten Jahre nach eher umgekehrt: Sie haben eher ein Problem, die Situation insgesamt zu erfassen – aber sie sind extrem motiviert zu helfen und mit uns zusammen zu arbeiten."
Die Tests, die hier mit den Hunden gemacht werden, sind immer non-invasiv, den Hunden wird nicht wehgetan.
"Wir haben auf keinen Fall vor, sie unter Stress zu setzen, weil das ja nicht dazu führen würde, dass sie ihre kognitiven Leistungen zeigen. Wir wollen entspannte Hunde."

Hunde lernen verschieden – aber gerne

Um herauszufinden, welche Hunde unter welchen Bedingungen zu welchen Leistungen fähig sind, arbeitet das DogLab mit verschiedenen Hunden: Zum Test kommen normale Familienhunde – aber auch Hunde mit spezieller Ausbildung, zum Beispiel Rettungs- oder Jagdhunde. Manchmal werden Hunde gesucht, die Spielzeug toll finden – dann wieder welche, für die Futter die stärkste Motivation ist.
Ähnlich wie Menschen, erzählt Blanca Vidal Orga, lernen auch Hunde auf verschiedene Weisen und unterschiedlich schnell. Ob und inwiefern das mit ihrer jeweils speziellen Bindung an den Menschen zusammenhängt, lässt sich noch nicht sagen. Klar ist aber schon jetzt:
"Den Hunden macht das sehr viel Spaß, wenn sie hierherkommen. Ich habe von vielen Besitzern die Rückmeldung bekommen: Oh, wir waren im Park und sie haben das gemerkt, dass sie in der Nähe vom Institut waren – die merken das und wollen herkommen. Und manche Hunde, wenn wir fertig sind, die bleiben draußen, weil sie nicht nach Hause gehen wollen."
So auch Amadeus – der am Ende nur mit Hundekeksen ins Auto gelockt werden konnte.
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