"Boris Johnson ist unser Trump"
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Als "Pokerspiel" sieht die britische Abgeordnete Wera Hobhouse die Verhandlungen zwischen der Regierung des Landes und der EU. Ein Handelsvertrag komme in letzter Minute zustande, meint sie. Aber Probleme durch den Brexit würden nun auf Corona geschoben.
Der britische Premierminister Boris Johnson erhöht den Druck auf die EU: Bis zum 15. Oktober soll eine Einigung zu einem Handelsabkommen auf dem Tisch liegen. Ansonsten werde es keinen Vertrag geben. Unter diesen düsteren Vorzeichen sollen sich diese Woche Unterhändler von Großbritannien und EU zur achten Verhandlungsrunde über die künftigen Beziehungen treffen.
Opposition im Abseits
"Wir hören hier gar nichts mehr in Großbritannien", sagt die liberale Abgeordnete Wera Hobhouse, die im britischen Parlament sitzt, über die Verhandlungen für einen Handelsvertrag. Der Brexit sei für die harten Befürworter seit dem 31. Januar abgeschlossen. "Die Leute, die gegen den Brexit gekämpft haben, die trauen sich auch nichts mehr zu sagen", beschreibt Hobhouse die Stimmung.
Im britischen Parlament gebe es keine aktuellen Informationen, in der Presse sei hin und wieder zu lesen, dass der EU-Verhandler Michel Barnier unglücklich sei und das Handelsabkommen mit der EU nicht weiterkomme.
"Die EU hat so eine Gewohnheit in allerletzter Minute noch irgendetwas auszuhandeln", sagt die britische Politikerin. Im Moment sehe es allerdings so aus, als sei alles steckengeblieben. Es gehe vor allem um Fischquoten und die britische Subventionspolitik. Das Ganze sei ein "Pokerspiel", bei dem sie mit einem "Deal" in letzter Minute rechne, so die Politikerin. Sie habe den Eindruck, dass die Gefahr eines "No Deal" hochgespielt werde, um am Ende einen schlechten Vertrag zu feiern.
Politik ohne Rationalität
Die Brexit-Befürworter hätten immer noch eine gewisse "Empire-Mentalität", sagt Hobhouse. "Sie glauben, dass sie den anderen Ländern etwas diktieren können." Den Briten sei vorgegaukelt worden, dass der Brexit nur Vorteile mit sich bringe und keine Nachteile. Und bis zur nächsten Wahl seien es noch vier Jahre. Viele der wirtschaftlichen Probleme würden bis dahin voraussichtlich der Coronakrise angelastet und nicht dem Brexit.
Johnson könne derzeit machen, was er will, weil er eine große Mehrheit hinter sich habe. "Ihre deutschen Hörer müssen wirklich erkennen, dass Boris unser Trump ist", sagt die Oppositionspolitikerin. "Der agiert politisch ganz anders, als man das so gewohnt ist - und die Rationalität ist ganz aus der Politik verschwunden." Es gehe viel um "Fake News", denn die britische Presse sei ebenfalls sehr rechts gerichtet. "Insofern ist Politik für Leute wie mich in Großbritannien im Moment wirklich schwierig."
(gem)