Wie die Waldbrände weltweit spürbar sind
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Schätzungsweise eine Milliarde Tiere kamen bei den Buschbränden in Australien bislang ums Leben, ganze Landstriche wurden ausgelöscht. Doch die Waldbrände richten auch anderswo Schaden an. Sophia Boddenberg und Martin Mair sagen, wo.
Graue Smogwolken über der Stadt, ein dunkler Himmel – in Santiago de Chile ist das nicht ungewöhnlich. Aber Anfang dieses Jahres war es an manchen Tagen besonders dunkel und die Sonne rot gefärbt. Denn die riesige Rauchwolke aus Australien hat den Pazifik überquert.
Raúl Cordero ist Klimaforscher an der Universität von Santiago und leitet das Antarktis-Forschungsteam. Auf seinem Computer zeigt er mit Hilfe von Satelliten-Bildern der NASA, wie sich die Rauchschwaden Richtung Westen bewegen:
"Der Pazifik ist 12.000 Kilometer breit. Die Waldbrände in Australien haben eine so heiße Rauchwolke erzeugt, die so hochgestiegen ist, dass sie die ganze Welt umrunden konnte. Und sie wird sie noch ein paar Mal umrunden."
Die Gesundheit der Bevölkerung gefährde das zwar nicht, weil die Wolke auf einer Höhe von über 6.000 Kilometern schwebt. Aber der schwarze Kohlenstoff – der Ruß – hat trotzdem Folgen:
"Ein Teil des schwarzen Kohlenstoffs, den die Waldbrände in Australien verursacht haben, lässt sich auf den Anden nieder. Und nicht nur dort, sondern auch in der Antarktis. Er lässt sich auf dem Schnee und dem Eis nieder und beschleunigt das Schmelzen. Die Rauchwolke hat also Auswirkungen auf die gesamte südliche Hemisphäre."
Schon heute leidet Chile unter der Erderwärmung
Die Tatsache, dass der Schnee in den Anden und in der Antarktis schneller schmilzt, beschleunigt die Klimaerwärmung, erklärt Cordero.
"Die nackte, dunkle Erdoberfläche absorbiert mehr Sonnenstrahlung als die von Schnee bedeckte Oberfläche, weil ein großer Teil der Sonnenstrahlen von dem weißen Schnee reflektiert wird. Wenn wir also Schnee auf großen Flächen verlieren, dann absorbiert die Oberfläche mehr Sonnenstrahlen als vorher und erhitzt sich schneller als vorher."
Schon heute leidet Chile unter der Erderwärmung. Das vergangene Jahrzehnt war Corderos Forschungen zufolge das heißeste und trockenste, dass das Land je registriert hat. Die Anzahl der Tage mit Temperaturen über 30 Grad hat sich im Vergleich zu vorangegangen Jahrzehnten fast verdoppelt. Und es wird trockener: Die Niederschlagsmenge ist in mehreren Regionen um fast ein Drittel zurückgegangen. Chile befinde sich in einer ähnlichen Situation in Australien. Und in beiden Ländern steige die Gefahr für verheerende Waldbrände. Dazu Cordero:
"Die Anzahl der Waldbrände verändert sich nicht, sie ist jedes Jahr mehr oder weniger konstant. Aber die Brände, die sich großflächig ausbreiten, hängen von den klimatischen Bedingungen ab, die ihre Ausbreitung begünstigen. Wind, wenig Niederschlag, Dürre und hohe Temperaturen führen dazu, dass ein Brand, der in einem normalen Jahr wenige Hektar beschädigen würde, in einem schwierigen Jahr viele Hektar beschädigt.
Im Sommer 2017 sind in Chile tausende Hektar Land verbrannt
Australien hat den heißesten Sommer seiner Geschichte registriert und die größte verbrannte Fläche. Das ist in Chile im Sommer 2017 passiert, als 600.000 Hektar verbrannt sind. Chile hat etwa 10 Mal weniger Oberfläche als Australien, wo 8 Millionen Hektar verbrannt sind. Das Ausmaß ist also ähnlich."
Das gilt auch für die Landwirtschaft: Die Lebensgrundlage vieler Kleinbauern ist gefährdet. Über 34.000 Tiere sind dem Landwirtschaftsministerium zufolge im vergangenen Jahr wegen der Dürre verendet. (gestorben).
Viele Chilenen im Zentrum und Norden leben vom Obst- und Gemüseanbau sowie von der Viehzucht. "Cabreros" heißen die traditionellen Ziegenhirten. Miriam Pizarro wohnt in der Nähe eines kleinen Dorfs im Limarí-Tal. Pizarro lebt von ihren Tieren, sie verkauft Ziegenkäse und Milch. Aber es hat im vergangenen Jahr bis auf ein paar Tropfen nicht geregnet und die Hügel, auf denen die Ziegen früher gegrast haben, sind staubtrocken. "Das letzte Jahr war sehr schlecht, ich konnte fast nichts produzieren", sagt Ziegenhirtin Pizzaro.
"Ich musste Gras für meine Tiere kaufen, weil nichts wächst. Es wird immer schlimmer wegen der Dürre. Wenn es dieses Jahr nicht regnet, wird es noch schwieriger. Viele meiner Tiere sind gestorben. Die Jungen, weil sie nichts zu Essen hatten und die trächtigen Ziegen bei der Geburt, weil sie nicht genug Kraft hatten."
Das Limarí-Tal war einst grün und fruchtbar – heute gleicht es einer Wüste. Das einzig Grüne sind die Monokulturen der Agrarindustrie: Avocados, Trauben und Zitrusfrüchte werden hier angebaut – der Großteil davon für den Export.
Der Zugang zu Wasser ist in Chile nicht selbstverständlich
Auch der 72-jährige Aroldo Castillo ist ein Kleinbauer. Er engagiert sich seit vielen Jahren für einen freien Zugang zu Wasser. Chile ist das einzige Land der Welt, in dem die Versorgung fast vollständig privatisiert ist. Wasserrechte können gekauft und verkauft werden – der Großteil befindet sich deshalb im Besitz der Agrarindustrie. Und sie verschärfe die Dürre weiter, sagt Castillo:
"Die großen Unternehmen der Agrarindustrie pumpen das Wasser aus den Flüssen. In den siebziger Jahren hatte der Fluss hier genug Wasser für acht Kanäle und jetzt reicht es nicht mal mehr für einen aus. Damals gab es noch keine dieser riesigen Plantagen für den Export. Aber dann kam die Agrarindustrie mit ihren Monokulturen. Sie zerstören alles."
Tatsächlich zeigen Zahlen des World Ressource Institutes: Chile gehört zu den 17 Ländern der Welt, die unter extrem hohem Wasserstress leiden. Gemeint ist damit, dass mehr Wasser gebraucht wird als auf natürlichem Weg – etwa durch Regen – nachkommt. In Chile gehen fast 80 Prozent des Verbrauchs auf das Konto der Agrarindustrie.
Deshalb leide vor allem die arme Landbevölkerung unter den Folgen des Klimawandels, sagt Forscher Raúl Cordero:
"Der Wasserstress wird anhalten. Bei den aktuellen Protesten lehnen sich die Leute gegen Ungleichheit bei den Renten und bei der Bildung auf, aber auch gegen Ungleichheit beim Zugang zu Wasser. Was bedeutet das? Dass der Klimawandel nicht nur zu mehr extremen Klimaphänomenen führt, sondern auch soziale Konflikte verschärft."