Verheißung und Verlangen
Eine gute Handvoll Figuren versammelt Deborah Levy in diesem kleinen Roman rund um eine Villa mit Swimmingpool. "Heim schwimmen" ist wie ein Kammerspiel angelegt und geht doch darüber hinaus - mit packenden Bildern und einem dezenten Thrill.
Verheißung und Verlangen schweben über diesem Roman, wenn er mit einer nächtlichen Autofahrt durch das Gebirge der Côte d'Azur beginnt, aber auch eine Drohung, etwas Unheimliches. Ein Seidenkleid ist im Spiel, ein Kaninchen, das über die Straße huscht, eine Frau am Steuer, Anfang zwanzig, mit rotem Haar und trotz ihres viel zu dünnen Körpers großen Brüsten. Sie kommt wie der ältere Mann auf dem Beifahrersitz aus London. Er ist Schriftsteller. Sie verehrt ihn und will, dass er ihre Gedichte liest. Sie haben gerade miteinander geschlafen, "eine Lust, eine Qual, ein Schock und ein Experiment, vor allem jedoch ein Fehler", wie sich der notorische Schürzenjäger Jozef Jacobs eingestehen muss.
Kitty Finch heißt die Schöne. Der Vogelname, Fink, ist kein Zufall, so wie in diesem Roman jedes einzelne Wort von Bedeutung ist. Deborah Levy, 1959 in Südafrika geboren und in London lebend, schreibt Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Drehbücher. Die höchst unterschiedlichen Fertigkeiten, die man dafür braucht, kommen hier auf eine so selbstverständliche Weise zusammen, dass man nur staunen kann. "Swimming Home" stand 2012 auf der Shortlist des Man Booker Prize. Als erstes Werk der Autorin erscheint es nun in der zurückhaltend genauen Übersetzung von Richard Barth auf Deutsch.
"Heim schwimmen" ist wie ein Kammerspiel angelegt und geht doch darüber hinaus. Eine gute Handvoll Figuren versammelt Levy rund um eine Villa mit Swimmingpool. Man denkt an die Filme von Jacques Deray und Francois Ozon, aber auch an Hitchcock oder David Lynch. Joe und Isabel Jacobs haben die Villa gemietet, um den Sommer gemeinsam mit ihrer 14-jährigen Tochter Nina zu verbringen, die sonst vom Vater betreut wird. Denn Isabel ist Kriegsreporterin und ständig unterwegs. Ein befreundetes Ehepaar ist mit dabei: Mitchell, ein schwerfälliger Waffennarr voller Ressentiments, und Laura, eine mannsgroße Blonde, deren Londoner Laden gerade dem Bankrott entgegenschliddert.
Kitty Finch hat sich eingeschmuggelt. Wie eine Leiche trieb sie am ersten Tag im Pool und behauptete, sie habe die Villa ebenfalls gemietet, sich aber im Termin geirrt. Isabel lud sie ein, zu bleiben. Die Handlung spielt an acht Tagen und Nächten im Juli 1994. Ihre Vorgeschichte aber reicht bis zum Zweiten Weltkrieg zurück, wo der 5jährige Jozef in einem polnischen Wald von seinem Vater ausgesetzt wurde, um ihn vor der Deportation zu bewahren. Kitty Finch hat in seinen Gedichten die Verzweiflung und Verlassenheit aufgespürt, die er vor seiner Familie verborgen hält. Und sie treibt sie auf unheimliche Weise hervor.
Eine erstaunliche Ökonomie und ein eleganter, dezenter Thrill zeichnen diesen Roman aus. Absolut famos sind seine Bilder, deren Wirkung eher subkutan ist. Und deshalb umso stärker. Oft aus Flora und Fauna stammend, haben sie etwas verblüffend Körperhaftes, als könnten sie sich wie kleine Tiere in der Imagination des Lesers festkrallen. Die neurotische Flatterhaftigkeit von Kitty Finch infiltriert die ganze Szenerie. Sie packt den Leser und verfolgt ihn bis in den Schlaf.
Besprochen von Meike Feßmann
Deborah Levy: Heim schwimmen
Aus dem Englischen von Richard Barth
Wagenbach Verlag, Berlin 2013
168 Seiten, 17,90 Euro
Kitty Finch heißt die Schöne. Der Vogelname, Fink, ist kein Zufall, so wie in diesem Roman jedes einzelne Wort von Bedeutung ist. Deborah Levy, 1959 in Südafrika geboren und in London lebend, schreibt Romane, Erzählungen, Theaterstücke und Drehbücher. Die höchst unterschiedlichen Fertigkeiten, die man dafür braucht, kommen hier auf eine so selbstverständliche Weise zusammen, dass man nur staunen kann. "Swimming Home" stand 2012 auf der Shortlist des Man Booker Prize. Als erstes Werk der Autorin erscheint es nun in der zurückhaltend genauen Übersetzung von Richard Barth auf Deutsch.
"Heim schwimmen" ist wie ein Kammerspiel angelegt und geht doch darüber hinaus. Eine gute Handvoll Figuren versammelt Levy rund um eine Villa mit Swimmingpool. Man denkt an die Filme von Jacques Deray und Francois Ozon, aber auch an Hitchcock oder David Lynch. Joe und Isabel Jacobs haben die Villa gemietet, um den Sommer gemeinsam mit ihrer 14-jährigen Tochter Nina zu verbringen, die sonst vom Vater betreut wird. Denn Isabel ist Kriegsreporterin und ständig unterwegs. Ein befreundetes Ehepaar ist mit dabei: Mitchell, ein schwerfälliger Waffennarr voller Ressentiments, und Laura, eine mannsgroße Blonde, deren Londoner Laden gerade dem Bankrott entgegenschliddert.
Kitty Finch hat sich eingeschmuggelt. Wie eine Leiche trieb sie am ersten Tag im Pool und behauptete, sie habe die Villa ebenfalls gemietet, sich aber im Termin geirrt. Isabel lud sie ein, zu bleiben. Die Handlung spielt an acht Tagen und Nächten im Juli 1994. Ihre Vorgeschichte aber reicht bis zum Zweiten Weltkrieg zurück, wo der 5jährige Jozef in einem polnischen Wald von seinem Vater ausgesetzt wurde, um ihn vor der Deportation zu bewahren. Kitty Finch hat in seinen Gedichten die Verzweiflung und Verlassenheit aufgespürt, die er vor seiner Familie verborgen hält. Und sie treibt sie auf unheimliche Weise hervor.
Eine erstaunliche Ökonomie und ein eleganter, dezenter Thrill zeichnen diesen Roman aus. Absolut famos sind seine Bilder, deren Wirkung eher subkutan ist. Und deshalb umso stärker. Oft aus Flora und Fauna stammend, haben sie etwas verblüffend Körperhaftes, als könnten sie sich wie kleine Tiere in der Imagination des Lesers festkrallen. Die neurotische Flatterhaftigkeit von Kitty Finch infiltriert die ganze Szenerie. Sie packt den Leser und verfolgt ihn bis in den Schlaf.
Besprochen von Meike Feßmann
Deborah Levy: Heim schwimmen
Aus dem Englischen von Richard Barth
Wagenbach Verlag, Berlin 2013
168 Seiten, 17,90 Euro