Verkäufe von Museumsbildern - oder die Vorteile einer Bremischen Lösung

Von Wulf Herzogenrath · 08.11.2010
Verkäufe von Bildern - nein danke. Wir erinnern uns zurecht: Vor vier Jahren wollte die Stadt Krefeld das vielleicht wichtigste Museumsbild, zumindest einer der populärsten "Das Parlamentsgebäude in London" von Claude Monet verkaufen, um die Sanierung des Gebäudes damit zu bezahlen.
Der sofort und allgemein einsetzende Protest-Sturm in den Medien brachte diese fatale Idee zu Fall. Ein Museum kann nicht seine besten Stücke verkaufen, um die anderen angemessen zu zeigen. Vor weit über einem Jahrzehnt verkaufte der damalige Direktor des Osthaus Museums in Hagen Michael Fehr ein Bild von Gerhard Richter für 2,2 Millionen Mark, um anderes neueres, dem Museumsdirektor mehr Zusagendes zu erwerben. Ein Skandal damals, der noch lange Wunden zeigte, bis zur aktuellen Diskussion 2010 in Hagen, warum denn das Depot des Museums monatlich 1200 Euro kosten müsse – da könne man doch weiter verkaufen.

Ein Museum sammelt die Kunstgeschichtlichen Erzeugnisse der Vergangenheit, die Museen sind ein Teil der Erinnerungskultur und zugleich der Fundus für die Bilderwelt heute. Depots sind notwendige Erweiterungen dieser Erinnerungen, deren unterschiedliche Bewertung in dem Auf und Ab der Zeiten jedem Hörer vor Augen stehen: was die Eltern-Generation – weil sie darin groß wurde – eher scheußlich und rückständig findet, entdecken die Jungen mit Freude und neuem Blick: Jugendstil, die Nierentisch-Kultur der 50er-Jahre, der schreienden Farben der POP-Generation oder schwarz-graue Minimalismus der 70er – Wie gut, dass ein Museum nicht nur auf Grund des internationalen Ethik-Standards dazu verpflichtet ist, sein Eigentum als Besitz der Gemeinschaft der Bürger zu pflegen und zu erhalten.

Und damit sind wir bei dem neuesten Fall: der Verkauf der beiden Werke von Gerhard Richter und Franz Gertsch aus der Sammlung Roselius in Bremen. Aber – und da beginnt die Differenzierung und Präzisierung: Nicht nur, dass in Bremen der Kunstverein (übrigens seit 1823!) anders ist als woanders, sondern hier der Träger der Kunsthalle ist – auch hier ist der Begriff teilweise irreführend, denn in Norddeutschland heißen alle großen KunstMUSEEN eben KunstHALLE (warum weiß eigentlich keiner!). Denn KunstHALLEN sind im Westen und Süden Deutschlands reine städtische Ausstellungshäuser – also hier in Bremen heißt das Museum Weserburg – Museum für Gegenwartskunst – aber es ist kein klassisches Museum, sondern ein Sammlermuseum.

Und so ist es auch vor 20 Jahren gegründet worden: Es soll Sammlungen sammeln, also zehn bis zwölf Sammler stellen für fünf beziehungsweise zehn Jahre die Werke ihrer Sammlung der Weserburg zur Verfügung. Von Anfang an sollte die Weserburg auch keinen Ankaufsetat haben, keine eigene Sammlung aufbauen. Das macht ja seit 1849 in einem eigenen Gebäude als erstes Kunstmuseum von den Bürgern in Deutschland eröffnet die Kunsthalle in den Wallanlagen. Dass nun mal Museumsdirektoren dann doch gern selbst sammeln wollen, erfinderisch tätig sind, um zu Eigenem zu kommen – das ist ja auch verständlich.
Bekannt ist sicher allen Hörern die fatale Finanzlage des Bundeslandes Bremen aber: hier man versucht eine kluge Kulturpolitik eben nicht mit der Holzhammer-Methode wie in Hamburg vorzugehen: Millionenkürzungen oder Museums-Schließungen.

Sondern man entwickelt ein "Bremer Modell", das eben wie gesagt auch nur deshalb funktioniert, weil 1. Die Weserburg kein "normales Museum" ist mit einer eigenen, oder gar gewachsenen Sammlung, 2. Die Sammler und die Bremer Bürger sich selbst finanziell engagieren und ein Ehrenbürger diese gemeinschaftliche Rettung der Weserburg koordiniert hat und eben 3. Die Stadt sich nicht aus der Verpflichtung zurückzieht, sondern – und dies ist ein wichtiger Teil der vielteiligen Verabredung – sich auf absehbare Länge verpflichtet, die Zuschüsse für die Weserburg weiter zu zahlen – Natürlich ist es mehr als ein Schönheitsfleck, dass die beiden Bilder verkauft werden und so "nur" 51 Werke der Sammlung Roselius an die Kunsthalle übergehen, darunter wichtige Bilder von Uecker, Piene, Mack, Fruhtrunk, Opalka u.a. Dieser Sammler war ebenfalls einverstanden und so bleibt sie dank eines mäzenatischen ‚Einsatzes eines anderen Ehrenbürgers als Einheit erhalten. Manchmal braucht man eine Erklärung und doch einiges Detailwissen, um einen Skandal von einer Bremischen Lösung zum Wohle eines Instituts unterscheiden zu können.


Wulf Herzogenrath, Kunsthistoriker, Stationen u. a. Museum Folkwang Essen, Kölnischer Kunstverein, Neue Nationalgalerie Berlin, seit 1994 Direktor der Kunsthalle Bremen
Wulf Herzogenrath
Wulf Herzogenrath© Ingo Wagner / Kunsthalle Bremen