Verkehrschaos vor Schulen

Polizei kontrolliert Elterntaxis

Zwei Kinder üben vor ihrer Einschulung das richtige Überqueren einer Straße auf ihrem künftigen Schulweg.
Vor Schulen herrscht immer wieder Verkehrschaos, weil zu viele Eltern ihre Kinder bis vor die Tür fahren. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Hilde Weeg |
Wildes Parken, hektisches Aussteigen und Wenden - vor vielen Schulen herrscht morgens Verkehrschaos. In Niedersachsen wollen Kommunen und Polizei Elterntaxis vor Schulen verbannen. Auch aus Sicherheitsgründen.
Morgens, 20 nach 7 in der Barbarastraße in Ronnenberg bei Hannover. Es ist dunkel und kalt. Bis vor wenigen Minuten fuhren in der ruhigen Wohnstraße nur wenige Autos. Doch jetzt bildet sich hier ein solider Autopfropf. Ein Pkw reiht sich an den anderen. Immer morgens, an jedem Schultag, bis in der Theodor-Heuss-Grundschule um acht Uhr der Unterricht beginnt.
Der Grund: Viele Eltern fahren ihre Kinder bis vor den Eingang der Schule. An diesem Tag aber hat der Stau noch einen anderen Grund: Auf der engen Zufahrtstraße stoppt die Polizistin Isabel Zeides die Autos nacheinander, die Fahrer kurbeln die Scheibe runter.
"Wir führen eine Schulwegskontrolle durch ... angeschnallt sind ..."
Zeides leuchtet kurz mit einer Taschenlampe auf den Rücksitz. Zwei Kinder sitzen beide im Kindersitz, beide angeschnallt.
"Gut, ist der Fall – tschüss!"
Spätestens beim Anblick der Polizei verhalten sich die Eltern vorschriftsgemäß, wer hinten in der Schlange steht, schnallt noch schnell ein Kind an - oder lässt es früher aussteigen. Dabei müssten viele Eltern gar nicht fahren, wie Zeides weiß:
"Erfahrungsgemäß werden meistens Kinder zur Schule gebracht, die gerade mal ein, zwei Kilometer von der Schule entfernt wohnen, die problemlos zu Fuß gehen könnten, wo die Eltern einfach zu bequem sind, vermutlich."

"Schlimm ist das"

Oder, besonders paradox: Weil sie um die Sicherheit ihrer Kinder fürchten. Dass sie dabei die Sicherheit vieler anderer Kinder gefährden, übersehen sie. Dabei entstehen gerade durch das wilde Parken, das hektische Aussteigen-lassen und Wenden chaotische Situationen, die die Kinder in Gefahr bringen können. Schon lange sorgt so ein Verhalten für Beschwerden, auch von Eltern, die nicht mit dem Auto unterwegs sind.
Mutter: "Schlimm ist das. Ganz schlimm. Ganz lange schon ganz schlimm."
Sagt eine Mutter, die ihr Fahrrad schiebt und mehrere Kinder zu Fuß begleitet.
"Ich hab immer vier, fünf Kinder morgens dabei, die gehören nicht alle zu mir."
Von solchen Eltern hätten gern alle mehr - die Stadt, die Schulleitung und auch die Polizei, wie deren Einsatzleiter Christoph Bardenhop erklärt:
"Wir haben heute vor, das, was hier jeden Morgen passiert, nämlich das kurzzeitige Verkehrschaos einigermaßen in den Griff zu kriegen bzw. für die Zukunft zu verhindern."
Deshalb wird kontrolliert, ob die Kinder unterwegs im Auto gesichert sind und vor der Schule, ob die Eltern im Halteverbot parken. Das eigentliche Ziel ist aber, dass die Eltern erst gar nicht ins Auto steigen. Die Stadt hat schon versucht, Bannmeilen durchzusetzen. Hat fünf Sammelhaltestellen für den so genannten Laufbus eingerichtet, von wo aus Kinder unter Elternleitung zusammen loslaufen könnten. Aber nur 5 von 300 Eltern erklärten sich bereit, den Dienst zu übernehmen.
Schulleiterin Andrea Schirmacher: //"Wir hatten schon so viele Aktionen. Es sind auch Eltern mit Verwarngeld belegt worden, weil sie falsch geparkt haben, weil sie ihre Kinder nicht angeschnallt haben, weil weil weil ..., aber es hat nicht die Reaktion gebracht, die wir uns erhofft haben."
Was fehlt, ist offenbar Vertrauen vieler Eltern in die Fähigkeiten ihrer Kinder. Luis zum Beispiel, der jetzt neun Jahre alt ist, läuft:
"Am ersten Schultag wurde ich noch gefahren, ab dann musste ich laufen. Ich find's auch gut, so’n bisschen frische Luft schnappen."
Ein paar Meter weiter laufen zwei Freunde:
"Wir gehen immer zu Fuß."

"Die Hoffnung stirbt zuletzt"

Und warum lassen viele Eltern ihre Kinder nicht laufen?
"Also, die Eltern haben Angst. Dass ihnen was passiert, oder sowas."
Die Empfehlung dieser beiden:
"Wenn man in Gruppen läuft, dann passiert meistens nichts."
Christoph Badenhop hat den Einsatz an diesem Tag koordiniert. Er begrüßt solche Aussagen denn:
"Wir haben gesehen, dass die Kinder das absolut vorbildlich machen. Also die können das besser als die Eltern. Die wissen genau, was sie zu tun und zu lassen haben."
Es habe viele Vorteile, die Kinder fit für den Schulweg zu machen und ihnen nicht alle Wege abzunehmen, diese Botschaft möchten Polizei, Schulleitung und Stadt den Eltern zu Beginn des Jahres mitgeben. Die Bilanz für heute:
"Es war nicht das Chaos, das wir sonst haben. Ob das nachhaltig ist, wird sich zeigen."
Eltern etwas beizubringen, sei manchmal mühsam, seufzt Schulleiterin Andrea Schirmacher.
Aber:
"Die Hoffnung stirbt zuletzt."
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