Verkehrspolitik

Kleingeisterei und Kleinstaaterei

Ein Hinweisschild für die Mautpflicht vor blauem Himmel.
Für deutsche Autofahrer soll die Pkw-Maut über die Kfz-Steuer ausgeglichen werden. © Jens Büttner, dpa
Von Stephan Detjen |
Zweitrangige Themen wie die Maut auf deutschen Straßen ziehen das Niveau des politischen Diskurses nach unten. Daran ist nicht nur die CSU schuld: Journalisten und Politiker begeben sich gemeinsam in die Niederungen der Innenpolitik.
Was an dieser Mautdebatte so unendlich nervt, ist die Macht, mit der sie Öffentlichkeit und Politik in die Niederungen der Innenpolitik herunterzieht. Es gibt dieser Tage ja durchaus das eine oder andere Thema von einiger Bedeutung zu besprechen. Man wäre zum Beispiel dankbar, wenn auch der Vorsitzende der kleinsten unter den drei deutschen Koalitionsparteien einen erhellenden Gedanken zum Umgang mit Wladimir Putin oder den ISIS-Terroristen im Nordirak beizutragen hätte. Franz Josef Strauß selig hätte da sicher einiges zu sagen gehabt.
Horst Seehofer aber spricht dieser Tage über den Modellautobau seiner ehemaligen Staatskanzleichefin und droht wegen der Mautsache schlagzeilenträchtig mit einem ernsthaften Koalitionskrach. Man muss der Ehrlichkeit halber sagen, dass die Bild-Zeitung den CSU-Chef in ihrer heutigen Ausgabe auch nicht zu den wirklich weltbewegenden Themen befragt hat. Ministerpräsidenten gelten, selbst wenn es sich um die bayerische Ausprägung dieser Spezies handelt, heute offenbar ganz selbstverständlich als Leute, die das Publikum vor dem unübersichtlichen Blick über den Tellerrand kleinstaatlichen Denkens bewahren. So geben sich bei Themen wie der Maut Journalisten und Politiker die Hand und ziehen das Niveau des politischen Diskurses mit vereinten Kräften nach unten.
Ausgeburt des bayerischen Populismus
Die Maut eignet sich dafür so ausgezeichnet, weil sie von Beginn an die Ausgeburt eines bayerischen Wahlkampf-Populismus war, dessen Verlogenheit auch die Bundesregierung infiziert hat. Unehrlich gegenüber den Bürgern war das ganze Konzept von Beginn an, weil man ihnen vorgaukelte, die Gebühr solle und dürfe nur Ausländer treffen. Erst wenn Angela Merkel ihr Diktum revidiert, nach dem kein Deutscher auch nur mit einem Cent mehr belastet werden dürfe, wird man mit den juristischen Verrenkungsübungen aufhören können, die alle Überlegungen über ein vernünftiges Mautkonzept bisher so absurd verkomplizieren.
Unehrlich untereinander sind die Koalitionspartner, weil die Leute von CDU und SPD es offenbar nicht wagen, den Freunden aus Bayern das zu sagen, was sie jedem Journalisten in Berlin ganz unverhohlen erklären, sobald kein CSUler im Raum ist: dass sie von der ganzen Sache nichts halten und das Thema lieber heute als morgen beerdigen würden.
In dieser Welt politischer Kleingeisterei diente auch der Hinweis auf die europarechtlichen Hürden bisher lediglich als willkommenes Instrument dazu, die Verantwortung für das absehbare Scheitern eines ungeliebten Projekts möglichst weit von sich zu schieben. Im gemeinschaftlichen Maulen über Brüsseler Bürokraten, die der deutschen Ausländermaut nichts als Steine in den Weg legen, werden Mautgegner und Freunde in Berlin und München am Ende schnell wieder den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Man kann schon ahnen, wie dann auch hier die CSU den Ton vorgibt.
Mehr zum Thema