Verliebtsein hilft beim Sprachen lernen
Der Neurobiologe Gerhard Roth hat zusammengetragen, was sein Fach und benachbarte Disziplinen über den menschlichen Erkenntnisapparat herausgefunden haben. Nicht besonders erhellend findet unser Rezensent diese Sammlung.
Wir erfahren, welche Gehirnregionen beteiligt sind, wenn wir uns etwas merken, wenn wir etwas mit freudigen Emotionen besetzen, wenn wir sprechen. Dass der Schlaf fürs Erinnern gut ist, wie viel an der Intelligenz angeboren und erworben scheint, wo im Hirn der Realitätssinn und wo das Einfühlungsvermögen sitzt, wo Stress verarbeitet wird und dass die Gehirnregionen für Moral, Risikowahrnehmung und Gefühlskontrolle kaum miteinander interagieren.
All dies wird nach dem neusten Stand der Forschung berichtet. Die Schlussfolgerungen, die Roth daraus zieht, lauten so: Die Persönlichkeit ist ein komplexes Gebilde. Für ihre Entwicklung ist es wichtig, wie die Eltern mit dem Kind umgehen. Mit zunehmendem Alter verfestigt sich der Charakter wie auch das Lernvermögen. Wie viel einer zu leisten vermag, hängt auch davon ab, ob er sich selber realistische Ziele setzt. Intelligenz und Begabung müssten gefördert werden und zwar bei allen Schülern, Motivation und Förderung der Persönlichkeit seien wichtig, Fleiß und Ausdauer auch.
Mit anderen Worten, von vielem, was man schon wusste, weiß man jetzt zusätzlich, dass es die Hirnforschung genau so sieht. Etwa: Zahlen und Fakten ohne Anschauung merkt man sich nicht so leicht wie Geschichten. Eine Fremdsprache lernt man leichter, wenn man in eine dazu passende Ausländerin verliebt ist. Nach schwierigen Konzentrationsübungen braucht der Mensch eine Pause. Und so weiter.
Die Themen "Unterricht", "Lernen" und "Bildung" kommen im größten Teil des Buches darum auch immer nur an den Kapitel-Enden, in ein, zwei hingestreuten Folgerungen vor. Der Rest sind Referate aus der Forschung. Ob sich irgendein Lehrer durch Hinweis wie diese informiert fühlt, man solle den Schüler nicht vom ersten Eindruck her beurteilen oder die Sprachbeherrschung sei essentiell dafür, dem Unterricht folgen zu können, ist fraglich.
Immerhin unterzieht Roth die populären Fassungen der "hirngerechten Didaktik" einer scharfen Kritik, das gereicht ihm zur Ehre. Seine eigenen Vorschläge, wie man das Neurowissen für den Unterricht nutzen soll, machen genau eines von zwölf Kapiteln aus. Dabei stört sich Roth vor allem daran, dass jeder Lehrer nach eigenen Gesichtspunkten unterrichtet.
Er hält das für unwissenschaftlich, anstatt darin einen Effekt der Interaktionssituation im Klassenraum zu erkennen, die keine eindeutig überlegenen Lösungen im Sinne einer immer verlässlichen Technik erlaubt. Seine anderen Vorschläge – weniger Stoff, exemplarisches Lernen, Autorität des Lehrers, Abschied vom 45-Minuten-Takt, fächerübergreifender Unterricht – haben alle den Vorzug, dem Gehirn auch ohne die geringste Kenntnis des Gehirns einzuleuchten. Roth sagt das auch selber. Das ist offenherzig, aber es beantwortet nicht die Frage, weshalb wir uns durch dreihundert Seiten Neuropsychologie kämpfen mussten, um dreißig Seiten gesunden Menschenverstands zu bekommen.
Besprochen von Jürgen Kaube
Gerhard Roth: Bildung braucht Persönlichkeit - Wie Lernen gelingt
Klett-Cotta, Stuttgart 2011
354 Seiten, 19,95 Euro
All dies wird nach dem neusten Stand der Forschung berichtet. Die Schlussfolgerungen, die Roth daraus zieht, lauten so: Die Persönlichkeit ist ein komplexes Gebilde. Für ihre Entwicklung ist es wichtig, wie die Eltern mit dem Kind umgehen. Mit zunehmendem Alter verfestigt sich der Charakter wie auch das Lernvermögen. Wie viel einer zu leisten vermag, hängt auch davon ab, ob er sich selber realistische Ziele setzt. Intelligenz und Begabung müssten gefördert werden und zwar bei allen Schülern, Motivation und Förderung der Persönlichkeit seien wichtig, Fleiß und Ausdauer auch.
Mit anderen Worten, von vielem, was man schon wusste, weiß man jetzt zusätzlich, dass es die Hirnforschung genau so sieht. Etwa: Zahlen und Fakten ohne Anschauung merkt man sich nicht so leicht wie Geschichten. Eine Fremdsprache lernt man leichter, wenn man in eine dazu passende Ausländerin verliebt ist. Nach schwierigen Konzentrationsübungen braucht der Mensch eine Pause. Und so weiter.
Die Themen "Unterricht", "Lernen" und "Bildung" kommen im größten Teil des Buches darum auch immer nur an den Kapitel-Enden, in ein, zwei hingestreuten Folgerungen vor. Der Rest sind Referate aus der Forschung. Ob sich irgendein Lehrer durch Hinweis wie diese informiert fühlt, man solle den Schüler nicht vom ersten Eindruck her beurteilen oder die Sprachbeherrschung sei essentiell dafür, dem Unterricht folgen zu können, ist fraglich.
Immerhin unterzieht Roth die populären Fassungen der "hirngerechten Didaktik" einer scharfen Kritik, das gereicht ihm zur Ehre. Seine eigenen Vorschläge, wie man das Neurowissen für den Unterricht nutzen soll, machen genau eines von zwölf Kapiteln aus. Dabei stört sich Roth vor allem daran, dass jeder Lehrer nach eigenen Gesichtspunkten unterrichtet.
Er hält das für unwissenschaftlich, anstatt darin einen Effekt der Interaktionssituation im Klassenraum zu erkennen, die keine eindeutig überlegenen Lösungen im Sinne einer immer verlässlichen Technik erlaubt. Seine anderen Vorschläge – weniger Stoff, exemplarisches Lernen, Autorität des Lehrers, Abschied vom 45-Minuten-Takt, fächerübergreifender Unterricht – haben alle den Vorzug, dem Gehirn auch ohne die geringste Kenntnis des Gehirns einzuleuchten. Roth sagt das auch selber. Das ist offenherzig, aber es beantwortet nicht die Frage, weshalb wir uns durch dreihundert Seiten Neuropsychologie kämpfen mussten, um dreißig Seiten gesunden Menschenverstands zu bekommen.
Besprochen von Jürgen Kaube
Gerhard Roth: Bildung braucht Persönlichkeit - Wie Lernen gelingt
Klett-Cotta, Stuttgart 2011
354 Seiten, 19,95 Euro