Vermeintlicher Dilettant

Von Leonard Ameln |
Bekannt wurde er durch seine Comicfiguren Didi & Stulle: Doch Fil ist nicht nur als Zeichner erfolgreich, sondern auch mit diversen Bühnenshows. Seine Auftritte wirken chaotisch-improvisiert, passen aber zum Image, das Fil von sich pflegt.
"Ich setz mich zwei Monate im Jahr hin und quetsch mir 'ne neue Show aus'm Brain, das is 'ne quälende Zeit. Ansonsten hab ich aber ein extrem lockeres Leben.
Obszönität ist ein riesiger Teil von meinem Humor. Ich komm ja ausm Märkischen Viertel und meine Freunde, wir haben alle so geredet, die ganze Zeit. Es gab da keine politische Correctness, so was hatten wir nicht.
Ich bin natürlich genauso geprägt von Franz Kafka und Dostojewski und Almodovar. Weißte, also von irgendwelchen Kultursachen. Kannst dir da eins rausfischen, aber das ist dann doch sehr eng gedacht.
Ich wollte nie so ein Superstar sein, ich wollte auch immer der ewige Geheimtipp sein, und genau das bin ich geworden."

Fernsehauftritte und Fans? Das ist nichts für Fil, den Bohemien - im Herzen ist er eben doch ein Punk geblieben. Das sieht man ihm mit seinem kahlgeschorenem Kopf und dem athletischen Auftritt zwar nicht an. Auch wohnt er jetzt – als Teilzeitvater - im bürgerlich gewordenen Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg und lässt sich des Öfteren im Yogastudio blicken. Seine Unabhängigkeit und Distanz zum Geschehen aber hat er sich bewahrt: Er ist sein eigener Agent, lässt sich in seine Arbeit von niemandem hineinreden, und zieht gern über seine gediegene Nachbarschaft her:

"Hey ihr anderen Eltern, da seid ihr Eltern so wie ich und wir leben gemeinsam im Prenzlauer Berg, wo Frauen ohne Kindersitz auf dem Fahrrad sich vorkommen wie Prostituierte. Und da haben wir jetzt gemeinsam diese Elterninitiativ-Kita aus dem Boden gestampft. Und wenn was nicht klappt, dann quatschen wir drüber, reich mir die Hand, anderer Elternteil, lass uns eine Aloha-Brause drauf trinken oder ne Fritz-Cola, ... da gibt's ja tausend Sachen, die wir darauf trinken können ... "

Da, wo Fil herkommt - aus dem Märkischen Viertel – war das alles noch anders. In der West-Berliner Plattenbausiedlung, seit jeher sozialer Brennpunkt, ist es cool, Punk zu sein. Und extrem uncool, Comics zu zeichnen. Mit 14 Jahren, nach einer schweren Knieverletzung, muss er ein halbes Jahr im Bett liegen. Aus Langeweile fängt er mit dem Zeichnen an, und prompt werden seine Comics im Stadtmagazin "zitty" veröffentlicht. Für ihn ist es in erster Linie Spaß, ein Hobby. Eigentlich will er etwas Richtiges lernen, eine Ausbildung zum Kunstmaler bricht er jedoch ab. Sein Leben: eine Suche, eine Aneinanderreihung wahrgenommener Gelegenheiten.

"Ich hab mich nie irgendwo beworben, nie irgendetwas getan, außer zu sagen: Okay! Ich hätte auch niemals mich von selber getraut und gesagt, ich geh auf die Bühne mit meinen Witzen. Also lauter Zufälle, lauter Glück ... und ich hab gar nichts dafür getan."

Außer einer Künstlerin zuzusagen, die fragt, ob er nicht einmal seine Comics vorlesen möchte. Und so steht Fil 1992 in einer ranzigen Berliner Kneipe, bedient einen Overhead-Projektor, plaudert und singt die Lieder seiner Punkband. Das Publikum bleibt überschaubar, zehn, vielleicht zwanzig Zuschauer kommen. Talent hat er keins – behauptet zumindest der 44-Jährige von sich.

"Ich war im Freundeskreis immer eher so der Psychopath, meine Freunde sind sämtlich lustiger und unterhaltsamer als ich gewesen, das hat sich dann so ergeben. Dadurch, dass ich soviel aufgetreten bin, konnte ich's irgendwann besser. Am Anfang war ich furchtbar. "

Der chaotisch-improvisiert wirkende Auftritt, sein rasantes, sprunghaftes Gequatsche, damit steht Fil in bester Berliner Kabaretttradition. Der Zeichentisch ist sein Ruhepunkt: Alle 14 Tage kreiert er zuhause eine neue, groteske Story um seine pickeligen Antihelden Didi & Stulle.

""Es ist mal Zwanghaftes in meinem Leben, mein Leben ist oft recht frei. Da trete ich auf, nachher geh ich saufen, das ist ein einziger Rausch, und dieses Disziplinierte ist ein gutes Gegengewicht."

Die Episoden entstehen meist alles andere als diszipliniert: planlos, spontan, Bild für Bild. Beim Zeichnen schwankt er zwischen Faulheit, Schlamperei und Akribie, und manchmal fühlt sich dieses kleinteilige Arbeiten an wie ein moderner Sklavenjob. Er liebt ihn trotzdem.

"Ich verbringe viel mehr Zeit mit Comics Zeichnen als mit den Shows. Die Shows stümper ich manchmal in zwei Wochen zusammen ..."

Der erfolgreiche Zeichner kokettiert gern mit seinem vermeintlichen Dilletantismus. Das funktioniert auch auf der Bühne gut.

"Das Lied hat noch keinen Anfang, da bin ich ehrlich mit euch. Bin ich nicht zu gekommen, den zu schreiben. Hab auch noch was anderes zu tun, als hier den Kasper für euch zu spielen. Ist einsehbar, ne?"

" ...Ich hab manchmal diese Macke, dass ich auf der Bühne bin und denke, ich bin Gott, ich kann alles, ich kann über alles reden, ich kann alles improvisieren."

Auf der Bühne oder privat: Immer schwingt da eine Ambivalenz mit: In einem Moment wirkt er cool, im nächsten fahrig oder unsicher. Mal unbekümmert. Mal sensibel und nachdenklich.

"Ich denke jeden Tag an den Tod, also mir ist irgendwie klar, die meiste Zeit ist vorbei, wie bei der Achterbahn, da geht's runter immer schneller. Und ich denk manchmal, schaff ich das noch, was ich machen will? Schwierig ... also, mir geht's gut, aber ich bin trotzdem so ein Midlife-Character."