Vernunftehe für den Mega-Bau

Von Axel Schröder · 03.07.2013
Eineinhalb Jahren ruhten die Arbeiten auf der Baustelle des Hamburger Prestige-Projektes. Jetzt haben sich Stadt, Bauunternehmen und Architekten zusammengerauft und es wird wieder gearbeitet. Probleme gibt es aber immer noch genug zu lösen.
Draußen lärmen 250 Bauarbeiter. Die Kräne über dem Dach der Elbphilharmonie-Baustelle drehen sich wieder, hieven Stahlträger und pakteteweise Holzbalken in die Höhe, an ihren Bestimmungsort. Drinnen, im 24. Stock des Rohbaus, steht - sichtlich gut gelaunt – Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler. Zwei Wochen ist es her, dass die Hamburger Bürgerschaft mit ihrer Zustimmung zur Neuordnung des Projekts den Weg frei gemacht hat für die Wiederaufnahme der Bauarbeiten. Nach einem Jahr Baustopp:

Barbara Kisseler: "Was jedem aber auch klar sein muss, auch mit der Neuordnungsvereinbarung wird es sicherlich noch die eine oder andere Klippe geben, die man gemeinsam nehmen muss."

Rechts und links der Senatorin nicken die Verantwortlichen des Baukonzerns Hochtief und die des Schweizer Architekturbüros Herzog/de Meuron. Hinter ihnen fällt der Blick durch die Panoramaverglasung auf die Elbe, den Hafen, die Hamburger Landungsbrücken. Die Schiffe wirken klein wie Spielzeuge.

Um die Neuordnungsvereinbarung für das Projekt Elbphilharmonie wurde in den letzten sechs Monaten heftig gestritten. Immerhin geht sie mit Kostensteigerungen von rund 200 Millionen Euro einher. Dafür bringt die Neuordnung zwei zentrale Neuerungen. Punkt 1: früher stritt die städtische Realisierungsgesellschaft mit Hochtief über jeden Schritt, jede Kostenexplosion des Projekts. Und Hochtief stritt mit den Architekten darüber, wer am Ende die zahlreichen Planänderungen zahlen muss, ob die Dachkonstruktion wirklich tragfähig oder wer für schon entstandene Baumängel verantwortlich ist. Nun arbeiten die Architekten unter dem Dach von Hochtief. Die Realisierungsgesellschaft kontrolliert nur noch die einzelnen Bauabschnitte. Punkt 2 der Neuordnung: Die Kosten für die Stadt Hamburg sind gedeckelt auf 789 Millionen Euro. Alle zusätzlichen Kostensteigerungen muss der Baukonzern Hochtief tragen.

Kisseler: "Die Übergabe des kompletten Konzertbereichs, die erfolgt … mit klar definierten Zwischenterminen einhergeht."

Und auch diese vertraglich festgeschriebenen Zwischentermine sind ein Novum in der Baugeschichte des Konzerthauses: Hochtief muss bei Verzögerungen – je nach Bauabschnitt – bis zu 200.000 Euro pro Tag zahlen. Bis zur endgültigen Abnahme des Bauwerks behält die Stadt außerdem rund 90 Millionen Euro zurück. Diese letzte Rate wird nur gezahlt, wenn alle Beteiligten, also auch die Architekten Herzog und de Meuron dafür Grünes Licht geben. Und dem Gesamtbau das so genannte "HM-Qualitätslabel" verleihen.

Politisches Gezänk gehört der Vergangenheit an
Ein Beispiel für das Hickhack der letzten Jahre waren Baumängel an der Rolltreppe, auf der einmal die Konzertgäste durch einen weißen, lichten Tunnel ins Innere gleiten sollen. Keine einfache Rolltreppe, sondern eine "Tube", eine geschwungene Spezialanfertigung. Und rechts und links bröckelte schon Jahre vor der Eröffnung der Putz. Das erklärt Thomas Perkowski von Hochtief auf der Terrasse des 24. Stocks. Hinter ihm ragen die Betonwellen der Dachkonstruktion schwungvoll in die Höhe:

Thomas Perkowski: "Sie müssen sich vorstellen: Es ist ein Rabitzputz. Wie er nicht ganz unüblich ist. Und der ist durchdrungen mit Glaspailletten. Und dort sind über Temperaturunterschiede Risse reingekommen. Und diese Risse gilt es jetzt zu beseitigen."

Und das geschieht nun in trauter Eintracht zwischen Hochtief und den Architekten, ohne das wirtschaftliche und politische Gezänk der Vergangenheit.

Perkowski: "Man sitzt an einem Tisch und vor allem: Jetzt ist die Baustelle wirklich technisch! Und das ist bei solch komplexen Bauvorhaben wie der Elbphilharmonie – die wirklich einmalig ist in ihrer Art – natürlich ein ganz, ganz entscheidender Punkt."

Diese Einmaligkeit liegt vor allem in der Komplexität des Gesamtbaus begründet. Das erklärt Jan Christoph Lindert vom Schweizer Architektenteam:

Jan Christoph Lindert: "Ein Konzerthaus in einem Hochhaus, das ist eine Besonderheit. Ob es das woanders gibt, weiß ich gar nicht. In der Nutzungsmischung kommt dann aber eben auch Hotel, Gastro, Wohnen zusammen, alles in einem Projekt! Das ist ja wie eine kleine Stadt hier! Das andere ist dieses Doppelschalenprinzip, dass der gesamte Saal auf Federn lagert. Dann muss eine Feinjustage stattfinden, weil das hat wieder etwas mit akustischer Qualität zu tun."

Und am Ende sollen die vielen Nutzungen sich nicht im Wege stehen. Weder die Restaurantbesucher noch die stolzen Besitzer einer Eigentums-Luxuswohnung sollen durch den Konzertbetrieb gestört werden. Und die Besucher sollen nur den Philharmonikern lauschen, nicht den Schiffshupen der Barkassen auf der Elbe, dem Krachen der Stahlcontainer beim Beladen der Frachter auf der anderen Flussseite. Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler betonte in ihrem Schlussstatement auf der Prestigebaustelle: Die neue Ordnung ist keine Liebesheirat, viel eher eine Vernunftehe. Aber die hielten oft viel länger als solche aus Liebe. Und befreit vom Ballast der monatelangen Debatten fügte sie hinzu:

Kisseler: "Wenn Sie mich heute fragen würden, wie es mir geht, dann würde ich sagen: Sie müssen sich die Kultursenatorin als einen glücklichen Menschen vorstellen!"

Externe Links:
Webseite des Bauprojektes Elbphilharmonie
Stiftung Elbphilharmonie Hamburg
Baustelle der Elbphilharmonie in Hamburg: Die oberste Kuppel des Großen Konzertsaals
Auch hier wird wieder gearbeitet: Die oberste Kuppel des Großen Konzertsaals der Elbphilharmonie.© dpa / picture alliance / Christian Charisius
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