Verpönt und viel zitiert
Carl Schmitt gilt als Kritiker des Weimarer Rechtsstaats und als früher Unterstützer der nationalsozialistischen Diktatur. Nach dem Krieg erhielt der Rechtswissenschaftler ein lebenslanges Lehrverbot. Doch noch immer wird er von Politikern gern zitiert, wundert sich der Publizist Stefan Osterhaus.
Carl Schmitt macht es seinen Bewunderern nicht leicht. Ihn als umstritten zu bezeichnen, das wäre eine sehr freundliche Umschreibung. Warum aber halten sie ihn noch heute für aktuell? Zitieren ihn immer wieder in politischen Diskussionen, mal verschämt, mal wie eine Trumpfkarte ausgespielt, und meist dann, wenn es ernst wird?
Sicher, da gibt es Juristen, die seine Verfassungslehre als bahnbrechend betrachten. Doch obschon ein Staatsrechtler von Weltrang, hat er auf diesem Fachgebiet einige Konkurrenz. Vielmehr sind es seine Schriften aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, die noch heute eine schaurige Faszination ausüben. Darin ging es ums Grundsätzliche – politisch und ethisch.
So versuchte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, den völkerrechtswidrigen Luftkrieg der Nato gegen Serbien zu rechtfertigen, indem er zwischen legitim und legal unterschied. Und vergaß auch nicht darauf hinzuweisen, dass er sich auf den – wie er sagte – "in Deutschland nicht ganz unumstrittenen Völkerrechtler" beziehe. Er zitiert ihn, weil er ihm argumentativ hilft. Und doch ist sein Unbehagen förmlich mit den Händen zu greifen.
Tatsächlich ist der Theoretiker Carl Schmitt eine harte Nuss. In Schriften wie der "Begriff des Politischen" von 1927 beantwortet er die ganz wesentliche Frage, was politisches Handeln kennzeichne: es sei die "Unterscheidung von Freund und Feind" – mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben.
Sicher, da gibt es Juristen, die seine Verfassungslehre als bahnbrechend betrachten. Doch obschon ein Staatsrechtler von Weltrang, hat er auf diesem Fachgebiet einige Konkurrenz. Vielmehr sind es seine Schriften aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, die noch heute eine schaurige Faszination ausüben. Darin ging es ums Grundsätzliche – politisch und ethisch.
So versuchte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Klaus Naumann, den völkerrechtswidrigen Luftkrieg der Nato gegen Serbien zu rechtfertigen, indem er zwischen legitim und legal unterschied. Und vergaß auch nicht darauf hinzuweisen, dass er sich auf den – wie er sagte – "in Deutschland nicht ganz unumstrittenen Völkerrechtler" beziehe. Er zitiert ihn, weil er ihm argumentativ hilft. Und doch ist sein Unbehagen förmlich mit den Händen zu greifen.
Tatsächlich ist der Theoretiker Carl Schmitt eine harte Nuss. In Schriften wie der "Begriff des Politischen" von 1927 beantwortet er die ganz wesentliche Frage, was politisches Handeln kennzeichne: es sei die "Unterscheidung von Freund und Feind" – mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben.
"Explosive Gedanken und knallige Rhetorik"
Ihm sei da, schrieb seinerzeit der Schriftsteller Ernst Jünger eine "besondere kriegstechnische Erfindung gelungen: Eine Mine, die lautlos explodiert." Explosives Gedankengut also. Kein Wunder, dass sich kein Politiker so offen und deutlich ausdrücken möchte, wie Carl Schmitt es formuliert. Deshalb zitiert man ihn, gern auch halb distanzierend, oder folgt ihm inhaltlich, ganz ohne die Quelle zu nennen.
Als die französischen Sozialisten kürzlich über ihre Europapolitik diskutierten, ließ sich ein führendes Parteimitglied in der Zeitung "Le Monde" zitieren: Um Politik zu machen, brauche man einen Feind, und wenn das Deutschland sein sollte, dann störe es ihn nicht.
Dabei ist gar nicht gesagt, dass der Franzose überhaupt je etwas von Carl Schmitt gehört hat. Viel eher deutet diese Ähnlichkeit der Gedanken darauf hin, warum sich mancher bis auf den heutigen Tag in seinen Werken wiederfindet. Der Theoretiker ignorierte Tabus. Er schrieb nieder, was andere nicht einmal zu denken wagen.
Er war ein Denker im Grenzbereich. Sprache - das war sein mächtigstes Instrument. Er verstand es, Begriffe zu prägen, Formeln zu finden. Souverän sei, wer über den Ausnahmezustand entscheide. So begann er seine "Politische Theologie".
Es ist ein Satz, der sich gut zitieren lässt - anwendbar in nahezu jeder Lebenslage, ohne recht zu wissen oder zu erklären, was er denn konkret aussagen solle. Also ziemlich genau das, was einen Klassiker ausmacht.
So dürfte das Werk von Carl Schmitt noch lange von praktischem Nutzen sein. Auch weil er vor allem eines mit Niccolò Machiavelli und Thomas Hobbes gemeinsam hat, jenen Philosophen, denen er sich geistesverwandt fühlte und die ebenfalls zeitlos beliebt sind: Es eint sie alle drei der unerschütterliche Glaube an das Schlechte im Menschen.
Stefan Osterhaus, 1973 im sauerländischen Neheim-Hüsten geboren, lebt und arbeitet seit 2000 in Berlin - zunächst als Redakteur der "Berliner Zeitung". Seit 2005 ist er Sportkorrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung". Er schreibt für die "taz", den WDR-Hörfunk und Deutschlandradio Kultur.
Als die französischen Sozialisten kürzlich über ihre Europapolitik diskutierten, ließ sich ein führendes Parteimitglied in der Zeitung "Le Monde" zitieren: Um Politik zu machen, brauche man einen Feind, und wenn das Deutschland sein sollte, dann störe es ihn nicht.
Dabei ist gar nicht gesagt, dass der Franzose überhaupt je etwas von Carl Schmitt gehört hat. Viel eher deutet diese Ähnlichkeit der Gedanken darauf hin, warum sich mancher bis auf den heutigen Tag in seinen Werken wiederfindet. Der Theoretiker ignorierte Tabus. Er schrieb nieder, was andere nicht einmal zu denken wagen.
Er war ein Denker im Grenzbereich. Sprache - das war sein mächtigstes Instrument. Er verstand es, Begriffe zu prägen, Formeln zu finden. Souverän sei, wer über den Ausnahmezustand entscheide. So begann er seine "Politische Theologie".
Es ist ein Satz, der sich gut zitieren lässt - anwendbar in nahezu jeder Lebenslage, ohne recht zu wissen oder zu erklären, was er denn konkret aussagen solle. Also ziemlich genau das, was einen Klassiker ausmacht.
So dürfte das Werk von Carl Schmitt noch lange von praktischem Nutzen sein. Auch weil er vor allem eines mit Niccolò Machiavelli und Thomas Hobbes gemeinsam hat, jenen Philosophen, denen er sich geistesverwandt fühlte und die ebenfalls zeitlos beliebt sind: Es eint sie alle drei der unerschütterliche Glaube an das Schlechte im Menschen.
Stefan Osterhaus, 1973 im sauerländischen Neheim-Hüsten geboren, lebt und arbeitet seit 2000 in Berlin - zunächst als Redakteur der "Berliner Zeitung". Seit 2005 ist er Sportkorrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung". Er schreibt für die "taz", den WDR-Hörfunk und Deutschlandradio Kultur.