Verrückt nach der U-Bahn
Fischen geht er gerne und Pilze sammeln, sagt der Schriftsteller John Wray über sich. Das tut er besonders gerne in Kärnten, wo seine Mutter herstammt. Aber verschlagen hat es den amerikanisch-österreichischen Autor dann doch nach New York. Dort spielt auch sein neuer Roman.
"Lachend stieg er ein. Um ihn herum Zeichen, nichts war ohne Bedeutung. Der Boden unter seinen Füßen zitterte und tickte, die geflieste Wölbung über dem Zug hüllte das Gemurmel der Leute in Kupfer- und Alufolie. [...] Töne erklangen, als sich die Türen hinter ihm schlossen: Cis, dann A. Wie ein spitzer Bleistift stachen sie ihn in die Ohren. Er drehte sich um und drückte das Gesicht gegen die Scheibe."
Lowboy, ein 16-jähriger schizophrener Junge, ist in der New Yorker U-Bahn unterwegs. Er hat die fixe Vorstellung, die Welt retten zu können und zu müssen, indem er mit einem Mädchen schläft. Lowboy ist die Hauptfigur in John Wrays neuem Roman "Retter der Welt". Der 1971 in Washington D.C. geborene Wray, ein schlanker Mann mit kurzen blonden Haaren und einem roten T-Shirt mit chinesischen Schriftzeichen, ist nun selbst in den U-Bahn-Schächten New Yorks. Und ist verwirrt, wenn auch nicht ganz so sehr wie seine schizophrene Hauptfigur. John Wray hat sich verlaufen.
"Ich glaube, jetzt sind wir im Kreis gegangen!"
Sobald der amerikanisch-österreichische Autor seine eigenen vier Wände im Viertel Park Slope in Brooklyn verlässt, wird es problematisch:
"Ich bin eigentlich für die meisten Sachen sehr wenig zu brauchen. Im täglichen Leben bin ich ein ziemlich pflegebedürftiger Mensch, würde ich sagen. Steuerfragen oder wenn man in einem Supermarkt steht und sich für irgendetwas entscheiden muss oder gar sich die Nachrichten anschaut - also manchmal kommt mir die ganze Welt wie eine ganze, riesige Chiffre vor. Und deshalb ist es gut, dass ich eine ziemlich pragmatische Freundin habe."
Nur ist John Wray, der Sohn zweier Krebsforscher, einer Kärntnerin und eines Kaliforniers, manchmal eben ganz auf sich allein gestellt. Zum Beispiel, wenn es darum geht, einen neuen Roman zu schreiben:
"Ich betrachte mich selber als ziemlich faulen Menschen, weil ich sehr viel Zeit jeden Tag damit verbringe, die Arbeit zu meiden. Ich brauche jeden Tag, jeden Morgen etliche Stunden, bis ich mich dazu zwingen kann, mich wirklich hinzusetzen und an die Arbeit zu gehen. Ich verschwende wahnsinnig Zeit damit. Das ärgert mich auch sehr."
Also versucht sich John Wray selbst auszutricksen: Seinen Roman "Retter der Welt" schrieb er in der U-Bahn, weil er sich da weniger abgelenkt fühlte. So ganz ohne Internet. Und wenn der U-Bahn-Trick nicht funktioniert, denkt er einfach an King Kong:
"Als ich klein war, war mir der Film King Kong sehr, sehr wichtig. Ich habe mir diesen Film immer wieder angeschaut. Auch heute noch, wenn ich mich wirklich schwertue, einen Text weiterzuschreiben, stelle ich mir vor, dass ich von einem riesigen Affen in die Höhe geschleppt werde. Und der Affe ist irgendwie der Geist des Romanes. Und der will mich in die Höhe bringen, so sehr ich mich auch dagegen wehre. Und so blöd das klingt, es funktioniert sehr oft."
Die Hauptdarstellerin, die von King Kong in der ersten Verfilmung in die Höhe getragen wird, hieß Fay Wray. So hat der 38-jährige Autor den Nachnamen der Hauptdarstellerin zu seinem Künstlernamen gemacht. Seitdem findet er als Schriftsteller, der auf Englisch schreibt, immer mehr Beachtung. Er kam auf die sogenannte Granta-Liste der 20 besten Nachwuchsautoren aus den USA. Und sein neuer Roman "Retter der Welt" ist von der Kritik geradezu bejubelt worden. Aber Freude kommt bei John Wray nicht auf:
"Ich bin so ein Typ, der immer eher die Niederlagen wahrnimmt und akzeptiert als die Glücksfälle. Ich versuche heute noch irgendwie festzustellen, ob es mir gut geht oder schlecht. Ich bin eher ein Skeptiker und ein Pessimist."
Seit 20 Jahren lebt Wray nun schon in New York City, davor war er der einzige Taxifahrer auf einer Insel in Alaska, Gärtner in Texas, er arbeitete in einer Galerie und als Babysitter. Alle Jobs wurden ihm binnen weniger Wochen wegen seiner Faulheit gekündigt. Die Ruhe liebt er bis heute. Aber meistens lebt er dann doch im aufgeregten New York City. Dort, wo er die Hauptfigur seines neuen Romans, den schizophrenen Lowboy, im Wahn durch die U-Bahn-Schächte hetzen lässt:
"Es gab eine Zeit, als ich vielleicht 13 war, wo ich mir fix eingebildet habe, dass ich langsam geisteskrank werden würde. Warum ich so genau davon überzeugt war, kann ich heutzutage gar nicht so genau sagen. Aber ich habe sicher eine sehr große Angst davor gehabt."
John Wray wollte die Schizophrenie entstigmatisieren. In seinem Roman zeigt er, wie in sich logisch die Welt eines Schizophrenen ist. Einer Person, die man neben vielen anderen auffälligen Menschen im realen New Yorker U-Bahnsystem antreffen könnte:
"Wenn man lange genug in New York U-Bahn fährt, dann kriegt man alles mit, dann sieht man alles, also nackte Menschen, Menschen, die ganz offen onanieren, Menschen, die einen angreifen. Also ein gewisses Risiko muss man eingehen, wenn man sich da wirklich hinein vertiefen möchte. Aber es lohnt sich."
Service:
Am 17. September 2009 liest John Wray auf dem Internationalen Literaturfestival in Berlin. Weitere Informationen im Internet.
Lowboy, ein 16-jähriger schizophrener Junge, ist in der New Yorker U-Bahn unterwegs. Er hat die fixe Vorstellung, die Welt retten zu können und zu müssen, indem er mit einem Mädchen schläft. Lowboy ist die Hauptfigur in John Wrays neuem Roman "Retter der Welt". Der 1971 in Washington D.C. geborene Wray, ein schlanker Mann mit kurzen blonden Haaren und einem roten T-Shirt mit chinesischen Schriftzeichen, ist nun selbst in den U-Bahn-Schächten New Yorks. Und ist verwirrt, wenn auch nicht ganz so sehr wie seine schizophrene Hauptfigur. John Wray hat sich verlaufen.
"Ich glaube, jetzt sind wir im Kreis gegangen!"
Sobald der amerikanisch-österreichische Autor seine eigenen vier Wände im Viertel Park Slope in Brooklyn verlässt, wird es problematisch:
"Ich bin eigentlich für die meisten Sachen sehr wenig zu brauchen. Im täglichen Leben bin ich ein ziemlich pflegebedürftiger Mensch, würde ich sagen. Steuerfragen oder wenn man in einem Supermarkt steht und sich für irgendetwas entscheiden muss oder gar sich die Nachrichten anschaut - also manchmal kommt mir die ganze Welt wie eine ganze, riesige Chiffre vor. Und deshalb ist es gut, dass ich eine ziemlich pragmatische Freundin habe."
Nur ist John Wray, der Sohn zweier Krebsforscher, einer Kärntnerin und eines Kaliforniers, manchmal eben ganz auf sich allein gestellt. Zum Beispiel, wenn es darum geht, einen neuen Roman zu schreiben:
"Ich betrachte mich selber als ziemlich faulen Menschen, weil ich sehr viel Zeit jeden Tag damit verbringe, die Arbeit zu meiden. Ich brauche jeden Tag, jeden Morgen etliche Stunden, bis ich mich dazu zwingen kann, mich wirklich hinzusetzen und an die Arbeit zu gehen. Ich verschwende wahnsinnig Zeit damit. Das ärgert mich auch sehr."
Also versucht sich John Wray selbst auszutricksen: Seinen Roman "Retter der Welt" schrieb er in der U-Bahn, weil er sich da weniger abgelenkt fühlte. So ganz ohne Internet. Und wenn der U-Bahn-Trick nicht funktioniert, denkt er einfach an King Kong:
"Als ich klein war, war mir der Film King Kong sehr, sehr wichtig. Ich habe mir diesen Film immer wieder angeschaut. Auch heute noch, wenn ich mich wirklich schwertue, einen Text weiterzuschreiben, stelle ich mir vor, dass ich von einem riesigen Affen in die Höhe geschleppt werde. Und der Affe ist irgendwie der Geist des Romanes. Und der will mich in die Höhe bringen, so sehr ich mich auch dagegen wehre. Und so blöd das klingt, es funktioniert sehr oft."
Die Hauptdarstellerin, die von King Kong in der ersten Verfilmung in die Höhe getragen wird, hieß Fay Wray. So hat der 38-jährige Autor den Nachnamen der Hauptdarstellerin zu seinem Künstlernamen gemacht. Seitdem findet er als Schriftsteller, der auf Englisch schreibt, immer mehr Beachtung. Er kam auf die sogenannte Granta-Liste der 20 besten Nachwuchsautoren aus den USA. Und sein neuer Roman "Retter der Welt" ist von der Kritik geradezu bejubelt worden. Aber Freude kommt bei John Wray nicht auf:
"Ich bin so ein Typ, der immer eher die Niederlagen wahrnimmt und akzeptiert als die Glücksfälle. Ich versuche heute noch irgendwie festzustellen, ob es mir gut geht oder schlecht. Ich bin eher ein Skeptiker und ein Pessimist."
Seit 20 Jahren lebt Wray nun schon in New York City, davor war er der einzige Taxifahrer auf einer Insel in Alaska, Gärtner in Texas, er arbeitete in einer Galerie und als Babysitter. Alle Jobs wurden ihm binnen weniger Wochen wegen seiner Faulheit gekündigt. Die Ruhe liebt er bis heute. Aber meistens lebt er dann doch im aufgeregten New York City. Dort, wo er die Hauptfigur seines neuen Romans, den schizophrenen Lowboy, im Wahn durch die U-Bahn-Schächte hetzen lässt:
"Es gab eine Zeit, als ich vielleicht 13 war, wo ich mir fix eingebildet habe, dass ich langsam geisteskrank werden würde. Warum ich so genau davon überzeugt war, kann ich heutzutage gar nicht so genau sagen. Aber ich habe sicher eine sehr große Angst davor gehabt."
John Wray wollte die Schizophrenie entstigmatisieren. In seinem Roman zeigt er, wie in sich logisch die Welt eines Schizophrenen ist. Einer Person, die man neben vielen anderen auffälligen Menschen im realen New Yorker U-Bahnsystem antreffen könnte:
"Wenn man lange genug in New York U-Bahn fährt, dann kriegt man alles mit, dann sieht man alles, also nackte Menschen, Menschen, die ganz offen onanieren, Menschen, die einen angreifen. Also ein gewisses Risiko muss man eingehen, wenn man sich da wirklich hinein vertiefen möchte. Aber es lohnt sich."
Service:
Am 17. September 2009 liest John Wray auf dem Internationalen Literaturfestival in Berlin. Weitere Informationen im Internet.