Versandhandel

Ist Onlineshopping schädlich fürs Klima?

In zwei Altpapier Mülltonnen in Dresden (Sachsen) stecken unsachgemäß entsorgte große Pappkartons.
Angesichts der vielen Paketdienst-Lieferwagen und Verpackungen soll Onlinehandel besonders klimaschädlich sein. © dpa/picture-alliance/Arno Burgi
Von Sven Kästner |
Der Onlinehandel boomt, doch er steht im Verdacht, besonders klimaschädlich zu sein. Eine von der Otto Group in Auftrag gegebene Studie vergleicht Versandhandel und klassischen Handel. Ergebnis: Onlineshopping sei ohne schlechtes Gewissen möglich. Doch bei genauerem Hinsehen fällt die Studie weniger eindeutig aus.
Einkaufen übers Internet ist bequem. Die Bestellung klappt zu jeder Zeit vom Wohnzimmer aus und was nicht gefällt, kann auf Kosten der Händler zurück geschickt werden. Der Zusteller kommt oft sogar ein zweites Mal, wenn der Kunde gerade nicht zu Hause ist. Das alles ist zwar kundenfreundlich, produziert aber auch reichlich Treibhausgase.
"Das Image des Onlinehandels ist ja, das er aufgrund von Mehrfach-Anfahrten eines Kunden und hoher Retourenquoten klima-unfreundlicher als der stationäre Einzelhandel ist."
Linda Fahmy vom "Deutschen Clean Tech Institut" in Bonn hat in einer Studie die Klimabilanz von Versandhäusern und traditionellem Einzelhandel verglichen. Dafür nahm sie im Auftrag der Hamburger Otto Group vor allem die Transportwege unter die Lupe.
"Im Rahmen des hier zugrunde gelegten Modells konnte gezeigt werden, dass die CO2-Emissionen, die durch den Kauf im Onlinehandel ausgelöst werden, insgesamt geringer sind."

Dieses Ergebnis dürfte ganz im Sinne des Auftraggebers sein: Mit seinen internationalen Beteiligungen ist Otto weltweit die Nummer 2 des Versandhandels hinter dem Branchenriesen Amazon. Trotzdem bringt die Studie interessante Erkenntnisse, denn ähnliche Untersuchungen gab es zuvor nicht. Die CO2-Bilanz hänge zum Beispiel stark davon ab, wo die Kunden leben.

"In ländlichen Gegenden hat der Onlinehandel einen größeren Vorteil als in Städten. Was natürlich auch darauf zurück zu führen ist, dass die Käufertypen, die in städtischen Regionen wohnen, auch eher auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen können."

Auch je nach Warenart kann die Klimabelastung ganz unterschiedlich ausfallen. Eine Tour, bei der kleine Artikel – wie Bücher oder Smartphones – zum Kunden gebracht werden, wirkt sich positiv auf den Schadstoffausstoß pro Artikel aus. Große Stücke, die neue Waschmaschine etwa oder ein Möbelstück, schneiden schlechter ab. Für ihre Studie hat sich Linda Fahmy auf die Logistik konzentriert.

"Wir haben uns angeschaut, wie ein Produkt vom Zentrallager schließlich zum Kunden kommt. Und dabei haben wir uns zum einen auf die Realdaten der Otto Group ... stützen können. Damit haben wir quasi die Logistik im Onlinehandel abgebildet. Auf der anderen Seite haben wir dann beim stationären Einzelhandel eine Modellierung vorgenommen."

Sowohl Versandhäuser wie auch Einzelhändler brauchen große Lagerzentren. Das Öko-Institut aber kritisiert, dass in der Studie andere Faktoren weitgehend ausgeblendet werden. Viel Energie verbrauchen etwa die effektvolle Beleuchtung oder die Beheizung großer Ladenlokale. Aus Sicht von Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt und Naturschutz, ist die Untersuchung lückenhaft:
"Speziell beim Onlinehandel haben wir noch weitere Faktoren. Wir haben eine große Menge von Verpackungsmaterial. ... Und bei der CO2-Bilanz ... werden oftmals nicht die weiteren Schadstoffe mit einberechnet. Das heißt: Fahrzeuge, gerade die kleinen Fahrzeuge sorgen für schlechte Luft in den Städten."

Kleinlaster – mit denen die Ware schließlich angeliefert wird. Andererseits ist auch der stationäre Handel für reichlich Autoverkehr verantwortlich. Das ergibt sich aus der Studie, für die Linda Fahmy auch 1.000 Menschen danach gefragt hat, wie sie in die Geschäfte kommen.

"Da hat sich gezeigt in der Befragung, dass im Durchschnitt 62 Prozent nach wie vor mit dem Pkw fahren und nicht auf öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrrad, zu Fuß, umsteigen. Und das hat einen erheblichen negativen Effekt im Bereich des stationären Einzelhandels."

Vor allem Großstädter hätten also die Möglichkeit, die Bilanz des traditionellen Handels aufzuwerten. Sie müssten einfach häufiger zu Fuß, per Fahrrad oder mit Bus und Bahn zum Einkaufen kommen. Jens Hilgenberg vom BUND findet, dass jeder Konsument das Klima schonen kann, wenn er vor dem Einkauf über mehr als nur den Preis nachdenkt.

"Man kann nicht sagen: Onlinehandel ist immer schlecht oder stationärer Handel ist immer gut oder auch umgekehrt. Man muss sich Gedanken machen, wo ich was bekomme, wann und am ökologischsten. Spezielle Sachen von weit weg kann ich durchaus online bestellen. Aber die Sachen für den alltäglichen Bedarf, die sollte ich auf jeden Fall in den Läden vor Ort kaufen."

Das zeigt auch die Studie des "Deutschen Clean Tech Institutes". Allerdings sind zu diesem Thema wohl noch weitere wissenschaftliche Untersuchungen nötig.
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