Verschieden glauben, gemeinsam leben (Teil III)
Der Dialog zwischen den Religionen gewinnt in Deutschland immer mehr an Bedeutung. Im dritten Teil der Reihe "Verschieden glauben, gemeinsam leben" geht es um die bundesweit erste katholische Schule mit islamischem Religionsunterricht.
"Wir haben Bücher! Wir haben Bücher! - Wir fangen jetzt bitte an. Asalam. Guten Tag. Setzt euch."
Die Freude war damals groß an der katholischen Michaelschule in Papenburg, als der Islamlehrer und gläubige Muslim Jörg Ballnus die ersten 20 Exemplare von "Saphir" verteilte. Fast zwei Jahre ist das schon her. Lange hatten die muslimischen Schüler und Schülerinnen aus der fünften und sechsten Klasse auf das erste Lehrbuch für Islamunterricht in Deutschland gewartet. Große bunte Bilder, einfache Texte - auf den ersten Blick sieht "Saphir" aus wie andere Religionsbücher auch.
Jörg Ballnus: "Das Besondere ist an Saphir, dass es altersgerecht gestaltet ist, dass es einen Bezug herstellt zu anderen Religionen an der Schule und dass es, und das macht es sehr gut, Dinge, die sie bereits kennen aus der islamischen Tradition auch in einem neuen Gewand darstellt, anders aufbereitet, als sie es möglicherweise von der Koranschule oder Eltern gewohnt sind."
Batul El- Moudawar: "Alle haben für den Religionsunterricht ein Buch. Und das man auch selber sein erstes Buch jetzt hat im Religionsunterricht, das ist schon schön."
Die 14 Jahre alte Batul El-Moudawar ist eine der rund 25 muslimischen Schüler und Schülerinnen, die seit drei Jahren regelmäßig am Islamunterricht an der Papenburger Haupt- und Realschule teilnehmen.
Batul El- Moudawar: "Ich möchte was über meine Religion wissen. Das Buch gibt uns mehr, gibt uns Aufgaben, die wir bearbeiten können, wir können lesen, verstehen. Zum Beispiel über unseren Propheten Mohammed, einige wussten früher nicht, wo er geboren ist, was er gemacht hat in seinem Leben - das lernen wir hier alles."
Abdul: "Mit Buch kann man besser üben. Da ist alles drin, über unseren Gott, über Koran und so."
Jasmin: "Dann braucht der Lehrer nicht so viel sagen oder schreiben, dann können wir auch lesen, brauche ich nicht immer den Lehrer fragen."
Die Religionsstunde beginnt mit einem Bittgebet. Der Islamunterricht an der katholischen Michaelschule ist bekenntnisorientiert. Das heißt, es wird nicht nur über den Islam informiert, die Kinder sollen auch zum Glauben erzogen werden. Das Thema heute: das Gespräch mit Gott.
"Ja, Batul. Wenn man betet, ist es auch wichtig, in welcher Atmosphäre man betet, es darf nicht laut sein. Und man muss es auch richtig ernst nehmen. Okay, sehr schön. Rukie, kannst du kurz was dazu sagen..."
Jörg Ballnus hat gute Erfahrungen gemacht mit "Saphir." Wie die meisten Islamlehrer ist auch der 42-jährige Islamwissenschaftler ein Seiteneinsteiger. Das Religionsbuch hilft ihm, die Glaubensinhalte schülergerecht zu vermitteln. Statt auf Frontalunterricht setzt "Saphir" nämlich auf Reflexion, Dialog und Kreativität.
"Okay, wir machen jetzt gemeinsam mal die Augen zu und ich sage – jetzt."
Sich auf dreißig Sekunden Stille einzulassen, ist für manchen Jugendlichen gar nicht so einfach.
Jörg Ballnus: "Die Reaktionen haben eine Bandbreite von Ängsten, aber auch Entspannung, Neugierde. Ich denke, diese Übung hat den meisten Schülern Freude und Spaß bereitet und gleichzeitig ihnen auch gezeigt, auf welche Dinge es während des Gebetes ankommt. Sozusagen eine spielerische Methode, sich auf das Gespräch mit dem Schöpfer vorzubereiten und einzulassen."
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt im Islamunterricht ist die Auseinandersetzung mit den anderen Religionen. Auch zu diesem Thema bietet das Lehrbuch gute Ansätze. Doch es kann selbstverständlich nicht alle Fragen beantworten. Vor kurzem etwa beschäftigte einige Schüler, die aus dem Libanon kommen, die aktuelle politische Lage in ihrer Heimat.
Jörg Ballnus: "Sie sagen, dass Israel an allen Dingen schuld ist. Und das Problem ist, dass sie aus den politischen Entwicklungen das auch übertragen zum Teil auf ihre Vorstellungen des Miteinanders hier in Deutschland. Das ist gefährlich und ich versuche gegenzusteuern, indem wir beispielsweise einen Artikel aus einer Zeitung gelesen haben, in dem es um die jüdische Gemeinde in Beirut ging und dann alle auf einmal sehr erstaunt waren, dass es ja auch Juden gibt, die in Beirut im Libanon leben und gleichzeitig eine der 18 anerkannten Glaubensgemeinschaften des Landes sind."
Vorurteile zu hinterfragen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Juden, Christen und Muslimen zu entdecken – das bereichert viele Schüler.
Schülerin: "Wir lernen ja auch nicht nur was über unseren Islam, sondern auch über Christen, die Kirche, nicht nur über die Moschee. Dass die verschieden sind, die Evangelen und die Katholischen."
Batul El- Moudawar: "Desto mehr man von anderen Religionen weiß, desto mehr Respekt hat man vor anderen Religionen. Einige sagen 'Du blöder Christ!' und so. Aber eigentlich ist das gar nicht so schlimm, wenn man eine andere Religion hat, finde ich jetzt. Wir glauben an Allah und die an Jesus Christus und das weiß man, hat man gelernt."
Lena Sürken: "Das Buch hat vor allem gutes Bildmaterial, an dem sich wunderbar anknüpfen lässt, wo es auch immer wieder auf den Vergleich mit anderen Religionen, speziell mit unserer christlichen Religion hinausläuft. Es kommt stark zum Ausdruck, was alles an Gemeinsamkeiten da ist. Das fasziniert mich an dem Buch. Das haben unsere Religionsbücher selbstverständlich auch, aber ich finde, hier ist es in besonderer Weise gelungen."
Lena Sürken, Fachleiterin Religion an der Michaelschule, unterrichtet die katholischen Schüler. In dem Islambuch hat auch sie schon Anregungen gefunden. Eines ist Lena Sürken gleich aufgefallen: "Saphir" ist ähnlich wie die Schulbücher für den katholischen und evangelischen Religionsunterricht aufgebaut.
Lena Sürken: "Es geht um Glauben und Gott, Geschöpf Gottes zu sein, Gebete, Gebetspraktiken zu durchdenken, zu hinterfragen, es geht um die Hauptperson, Mohammed in diesem Fall, vorbildliches Leben und die Schriften, die heiligen Schriften dieser Religion. Das sind die Punkte, die auch bei uns vorkommen, die dazugehören. Von daher haben die Schulbuchmacher in meinen Augen gute Arbeit geleistet."
In den meisten Bundesländern wird muslimischen Kindern bisher nur an den Grundschulen Religionsunterricht angeboten. Die Michaelschule in Papenburg ist eine Ausnahme in Niedersachsen, in Bayern und Nordrhein-Westfalen ist dagegen auch die Sekundarstufe 1 mit dabei. In der Regel ist der Islamunterricht vom Staat verantwortet. Der Islamwissenschaftler Dr. Michael Kiefer hat mit seiner Kollegin Dr. Irka Mohr Islamunterricht in verschiedenen Bundesländern untersucht.
Michael Kiefer: "Die Unterschiede sind nicht sehr groß, der Inhalt ist nahezu gleich. Im Regelfall wird ein Unterricht gemacht, der den sunnitischen Islam zum Gegenstand hat, und man bezieht sich sehr stark auf die religiösen Grundlagen, auf die Glaubensgrundsätze des Islams, also der Unterricht ist auch in curriculärer Hinsicht ähnlich strukturiert. Und insgesamt kann man sagen, dass auch die Lehrkräfte bei der Gestaltung des Unterrichts erhebliche Freiräume haben."
Islamische Religion soll ordentliches Unterrichtsfach werden – da sind sich so ziemlich alle einig. Doch noch ist Islamunterricht Pionierarbeit. Nach wie vor etwa fehlt der rechtliche Rahmen, da der Islam in Deutschland nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt ist, es gibt nicht genügend qualifizierte Islamlehrer und auch die islamische Religionspädagogik steckt noch in den Anfängen.
Michael Kiefer: "Man muss wissen, dass bis vor anderthalb Jahren den Lehrkräften überhaupt keine zugelassenen Lehrwerke zur Verfügung standen. Das heißt, die Lehrkräfte mussten von Stunde zu Stunde sich mühselig ihr Material selbst besorgen, es zum Teil selber basteln, selber schreiben. Und insofern ist mit Saphir aber auch den anderen Lehrbüchern ein erster Schritt in eine bessere Qualität getan."
Außer "Saphir" ist von den Kultusministerien noch das Grundschulbuch "Mein Islambuch" zugelassen. Das Lehrbuch "Die schöne Quelle" wird bisher nur an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen verwendet.
Michael Kiefer: "Alle drei Bücher, die wir haben, mit denen kann man gut arbeiten. Aber manches ist natürlich noch zu verbessern. Zu klären wären beispielsweise die Kriterien für den Quelleneinsatz in den Schulbüchern. Hier geht doch alles noch kreuz und quer durcheinander, und man verzichtet zum Teil noch auf die Kenntlichmachung der Quellen. Aber das sind Dinge, die sich mit Sicherheit in den nächsten Jahren regeln lassen werden."
Kontrovers diskutiert wird unter anderem auch darüber, inwieweit glaubensverkündende Elemente in den Islamunterricht an staatlichen Schulen gehören oder inwieweit die Vielfalt konfessioneller Strömungen innerhalb des Islams vermittelt wird.
Kiefer: "'Mein Islambuch' wurde kritisiert, sei eher wohl ein türkisches Lehrbuch, will heißen, es sieht so aus wie so manches Lehrbuch, das in der Türkei Verwendung findet. Und kritisiert wurde auch, dass zu wenige kopftuchtragende Frauen darin zu sehen seien, dies würde nicht der Realität entsprechen und so weiter. Man sieht also, dass die Herstellung von Lehrmaterialien für die Autoren und Autorinnen, aber auch für die Verlage ein schwieriges Unterfangen ist, weil das, was für den Unterricht gilt, gilt auch für die Herstellung von Lehrwerken: Es gibt hier wenig Gesichertes, man muss probieren und schauen, was geht."
Lena Sürken: "Kritisch zu bemerken ist vielleicht der eine oder andere Text, der in meinen Augen für Schüler der fünften und sechsten Klasse zu anspruchsvoll ist. Aufgaben manchmal auch, da denke ich mmm, da muss ich ganz schön erläutern, damit Schüler auf den Lösungsweg kommen.""
Jörg Ballnus: "Wissen ist eine wichtige Säule des Religionsunterrichts. Es geht nicht allein um kritische Reflexion, um sich verorten, sondern auch um Zugang zu religiösen Wissen. Das könnte meiner Meinung nach in "Saphir" in den nächsten Auflagen etwas verbessert werden."
Batul El- Moudawar: "Die erklären das gut. Was man erfahren will, erfährt man hier."
Der Dialog zwischen den Religionen gehört an der Michaelschule in Papenburg längst zum Alltag. Auch Jörg Ballnus und Lena Sürken haben die Erfahrung gemacht: Islamischer Religionsunterricht hilft bei der Integration. Toleranz und Respekt voreinander haben zugenommen. Die muslimischen Schüler fühlen sich in ihrem Glauben ernster genommen. Hat auch das eigene Islambuch im Unter- richt dazu beigetragen?
Lena Sürken: "Das Buch wird ja im Islamunterricht eingesetzt. Dadurch dass die Kinder Islamunterricht haben, sind sie einfach so wie unsere christlichen Schüler. Von daher gibt es da gar nicht mehr diese eigenartige Rolle, wir machen das alles nachmittags in unseren Gemeinden und Schule hat damit garnichts zu tun. Es ist einfach so dieser ganz normale Schulrhythmus. Das heißt Reli-Unterricht katholisch, evangelisch und muslimisch."
Jörg Ballnus: "Was das besonders Gute an dem Buch ist, dass es aus der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen entstammt, und ihnen das Gefühl gibt, dass Religion und Gesellschaft miteinander harmonieren können. Und dieses Gefühl ist für das Gelingen des Integrationsprozesses sehr wichtig."
Lena Sürken: "Wir möchten noch mehr erreichen, dass die Kinder sich gegenseitig von ihrem Glauben erzählen, und zwar tatsächlich innerhalb der vorgesehenen Religionsstundenzeit, dass der Unterricht parallel organisiert wird. Wir besuchen uns gegenseitig und dass wir gemeinsam die Stunde gestalten – das wäre schön, ja."
Die Freude war damals groß an der katholischen Michaelschule in Papenburg, als der Islamlehrer und gläubige Muslim Jörg Ballnus die ersten 20 Exemplare von "Saphir" verteilte. Fast zwei Jahre ist das schon her. Lange hatten die muslimischen Schüler und Schülerinnen aus der fünften und sechsten Klasse auf das erste Lehrbuch für Islamunterricht in Deutschland gewartet. Große bunte Bilder, einfache Texte - auf den ersten Blick sieht "Saphir" aus wie andere Religionsbücher auch.
Jörg Ballnus: "Das Besondere ist an Saphir, dass es altersgerecht gestaltet ist, dass es einen Bezug herstellt zu anderen Religionen an der Schule und dass es, und das macht es sehr gut, Dinge, die sie bereits kennen aus der islamischen Tradition auch in einem neuen Gewand darstellt, anders aufbereitet, als sie es möglicherweise von der Koranschule oder Eltern gewohnt sind."
Batul El- Moudawar: "Alle haben für den Religionsunterricht ein Buch. Und das man auch selber sein erstes Buch jetzt hat im Religionsunterricht, das ist schon schön."
Die 14 Jahre alte Batul El-Moudawar ist eine der rund 25 muslimischen Schüler und Schülerinnen, die seit drei Jahren regelmäßig am Islamunterricht an der Papenburger Haupt- und Realschule teilnehmen.
Batul El- Moudawar: "Ich möchte was über meine Religion wissen. Das Buch gibt uns mehr, gibt uns Aufgaben, die wir bearbeiten können, wir können lesen, verstehen. Zum Beispiel über unseren Propheten Mohammed, einige wussten früher nicht, wo er geboren ist, was er gemacht hat in seinem Leben - das lernen wir hier alles."
Abdul: "Mit Buch kann man besser üben. Da ist alles drin, über unseren Gott, über Koran und so."
Jasmin: "Dann braucht der Lehrer nicht so viel sagen oder schreiben, dann können wir auch lesen, brauche ich nicht immer den Lehrer fragen."
Die Religionsstunde beginnt mit einem Bittgebet. Der Islamunterricht an der katholischen Michaelschule ist bekenntnisorientiert. Das heißt, es wird nicht nur über den Islam informiert, die Kinder sollen auch zum Glauben erzogen werden. Das Thema heute: das Gespräch mit Gott.
"Ja, Batul. Wenn man betet, ist es auch wichtig, in welcher Atmosphäre man betet, es darf nicht laut sein. Und man muss es auch richtig ernst nehmen. Okay, sehr schön. Rukie, kannst du kurz was dazu sagen..."
Jörg Ballnus hat gute Erfahrungen gemacht mit "Saphir." Wie die meisten Islamlehrer ist auch der 42-jährige Islamwissenschaftler ein Seiteneinsteiger. Das Religionsbuch hilft ihm, die Glaubensinhalte schülergerecht zu vermitteln. Statt auf Frontalunterricht setzt "Saphir" nämlich auf Reflexion, Dialog und Kreativität.
"Okay, wir machen jetzt gemeinsam mal die Augen zu und ich sage – jetzt."
Sich auf dreißig Sekunden Stille einzulassen, ist für manchen Jugendlichen gar nicht so einfach.
Jörg Ballnus: "Die Reaktionen haben eine Bandbreite von Ängsten, aber auch Entspannung, Neugierde. Ich denke, diese Übung hat den meisten Schülern Freude und Spaß bereitet und gleichzeitig ihnen auch gezeigt, auf welche Dinge es während des Gebetes ankommt. Sozusagen eine spielerische Methode, sich auf das Gespräch mit dem Schöpfer vorzubereiten und einzulassen."
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt im Islamunterricht ist die Auseinandersetzung mit den anderen Religionen. Auch zu diesem Thema bietet das Lehrbuch gute Ansätze. Doch es kann selbstverständlich nicht alle Fragen beantworten. Vor kurzem etwa beschäftigte einige Schüler, die aus dem Libanon kommen, die aktuelle politische Lage in ihrer Heimat.
Jörg Ballnus: "Sie sagen, dass Israel an allen Dingen schuld ist. Und das Problem ist, dass sie aus den politischen Entwicklungen das auch übertragen zum Teil auf ihre Vorstellungen des Miteinanders hier in Deutschland. Das ist gefährlich und ich versuche gegenzusteuern, indem wir beispielsweise einen Artikel aus einer Zeitung gelesen haben, in dem es um die jüdische Gemeinde in Beirut ging und dann alle auf einmal sehr erstaunt waren, dass es ja auch Juden gibt, die in Beirut im Libanon leben und gleichzeitig eine der 18 anerkannten Glaubensgemeinschaften des Landes sind."
Vorurteile zu hinterfragen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Juden, Christen und Muslimen zu entdecken – das bereichert viele Schüler.
Schülerin: "Wir lernen ja auch nicht nur was über unseren Islam, sondern auch über Christen, die Kirche, nicht nur über die Moschee. Dass die verschieden sind, die Evangelen und die Katholischen."
Batul El- Moudawar: "Desto mehr man von anderen Religionen weiß, desto mehr Respekt hat man vor anderen Religionen. Einige sagen 'Du blöder Christ!' und so. Aber eigentlich ist das gar nicht so schlimm, wenn man eine andere Religion hat, finde ich jetzt. Wir glauben an Allah und die an Jesus Christus und das weiß man, hat man gelernt."
Lena Sürken: "Das Buch hat vor allem gutes Bildmaterial, an dem sich wunderbar anknüpfen lässt, wo es auch immer wieder auf den Vergleich mit anderen Religionen, speziell mit unserer christlichen Religion hinausläuft. Es kommt stark zum Ausdruck, was alles an Gemeinsamkeiten da ist. Das fasziniert mich an dem Buch. Das haben unsere Religionsbücher selbstverständlich auch, aber ich finde, hier ist es in besonderer Weise gelungen."
Lena Sürken, Fachleiterin Religion an der Michaelschule, unterrichtet die katholischen Schüler. In dem Islambuch hat auch sie schon Anregungen gefunden. Eines ist Lena Sürken gleich aufgefallen: "Saphir" ist ähnlich wie die Schulbücher für den katholischen und evangelischen Religionsunterricht aufgebaut.
Lena Sürken: "Es geht um Glauben und Gott, Geschöpf Gottes zu sein, Gebete, Gebetspraktiken zu durchdenken, zu hinterfragen, es geht um die Hauptperson, Mohammed in diesem Fall, vorbildliches Leben und die Schriften, die heiligen Schriften dieser Religion. Das sind die Punkte, die auch bei uns vorkommen, die dazugehören. Von daher haben die Schulbuchmacher in meinen Augen gute Arbeit geleistet."
In den meisten Bundesländern wird muslimischen Kindern bisher nur an den Grundschulen Religionsunterricht angeboten. Die Michaelschule in Papenburg ist eine Ausnahme in Niedersachsen, in Bayern und Nordrhein-Westfalen ist dagegen auch die Sekundarstufe 1 mit dabei. In der Regel ist der Islamunterricht vom Staat verantwortet. Der Islamwissenschaftler Dr. Michael Kiefer hat mit seiner Kollegin Dr. Irka Mohr Islamunterricht in verschiedenen Bundesländern untersucht.
Michael Kiefer: "Die Unterschiede sind nicht sehr groß, der Inhalt ist nahezu gleich. Im Regelfall wird ein Unterricht gemacht, der den sunnitischen Islam zum Gegenstand hat, und man bezieht sich sehr stark auf die religiösen Grundlagen, auf die Glaubensgrundsätze des Islams, also der Unterricht ist auch in curriculärer Hinsicht ähnlich strukturiert. Und insgesamt kann man sagen, dass auch die Lehrkräfte bei der Gestaltung des Unterrichts erhebliche Freiräume haben."
Islamische Religion soll ordentliches Unterrichtsfach werden – da sind sich so ziemlich alle einig. Doch noch ist Islamunterricht Pionierarbeit. Nach wie vor etwa fehlt der rechtliche Rahmen, da der Islam in Deutschland nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt ist, es gibt nicht genügend qualifizierte Islamlehrer und auch die islamische Religionspädagogik steckt noch in den Anfängen.
Michael Kiefer: "Man muss wissen, dass bis vor anderthalb Jahren den Lehrkräften überhaupt keine zugelassenen Lehrwerke zur Verfügung standen. Das heißt, die Lehrkräfte mussten von Stunde zu Stunde sich mühselig ihr Material selbst besorgen, es zum Teil selber basteln, selber schreiben. Und insofern ist mit Saphir aber auch den anderen Lehrbüchern ein erster Schritt in eine bessere Qualität getan."
Außer "Saphir" ist von den Kultusministerien noch das Grundschulbuch "Mein Islambuch" zugelassen. Das Lehrbuch "Die schöne Quelle" wird bisher nur an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen verwendet.
Michael Kiefer: "Alle drei Bücher, die wir haben, mit denen kann man gut arbeiten. Aber manches ist natürlich noch zu verbessern. Zu klären wären beispielsweise die Kriterien für den Quelleneinsatz in den Schulbüchern. Hier geht doch alles noch kreuz und quer durcheinander, und man verzichtet zum Teil noch auf die Kenntlichmachung der Quellen. Aber das sind Dinge, die sich mit Sicherheit in den nächsten Jahren regeln lassen werden."
Kontrovers diskutiert wird unter anderem auch darüber, inwieweit glaubensverkündende Elemente in den Islamunterricht an staatlichen Schulen gehören oder inwieweit die Vielfalt konfessioneller Strömungen innerhalb des Islams vermittelt wird.
Kiefer: "'Mein Islambuch' wurde kritisiert, sei eher wohl ein türkisches Lehrbuch, will heißen, es sieht so aus wie so manches Lehrbuch, das in der Türkei Verwendung findet. Und kritisiert wurde auch, dass zu wenige kopftuchtragende Frauen darin zu sehen seien, dies würde nicht der Realität entsprechen und so weiter. Man sieht also, dass die Herstellung von Lehrmaterialien für die Autoren und Autorinnen, aber auch für die Verlage ein schwieriges Unterfangen ist, weil das, was für den Unterricht gilt, gilt auch für die Herstellung von Lehrwerken: Es gibt hier wenig Gesichertes, man muss probieren und schauen, was geht."
Lena Sürken: "Kritisch zu bemerken ist vielleicht der eine oder andere Text, der in meinen Augen für Schüler der fünften und sechsten Klasse zu anspruchsvoll ist. Aufgaben manchmal auch, da denke ich mmm, da muss ich ganz schön erläutern, damit Schüler auf den Lösungsweg kommen.""
Jörg Ballnus: "Wissen ist eine wichtige Säule des Religionsunterrichts. Es geht nicht allein um kritische Reflexion, um sich verorten, sondern auch um Zugang zu religiösen Wissen. Das könnte meiner Meinung nach in "Saphir" in den nächsten Auflagen etwas verbessert werden."
Batul El- Moudawar: "Die erklären das gut. Was man erfahren will, erfährt man hier."
Der Dialog zwischen den Religionen gehört an der Michaelschule in Papenburg längst zum Alltag. Auch Jörg Ballnus und Lena Sürken haben die Erfahrung gemacht: Islamischer Religionsunterricht hilft bei der Integration. Toleranz und Respekt voreinander haben zugenommen. Die muslimischen Schüler fühlen sich in ihrem Glauben ernster genommen. Hat auch das eigene Islambuch im Unter- richt dazu beigetragen?
Lena Sürken: "Das Buch wird ja im Islamunterricht eingesetzt. Dadurch dass die Kinder Islamunterricht haben, sind sie einfach so wie unsere christlichen Schüler. Von daher gibt es da gar nicht mehr diese eigenartige Rolle, wir machen das alles nachmittags in unseren Gemeinden und Schule hat damit garnichts zu tun. Es ist einfach so dieser ganz normale Schulrhythmus. Das heißt Reli-Unterricht katholisch, evangelisch und muslimisch."
Jörg Ballnus: "Was das besonders Gute an dem Buch ist, dass es aus der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen entstammt, und ihnen das Gefühl gibt, dass Religion und Gesellschaft miteinander harmonieren können. Und dieses Gefühl ist für das Gelingen des Integrationsprozesses sehr wichtig."
Lena Sürken: "Wir möchten noch mehr erreichen, dass die Kinder sich gegenseitig von ihrem Glauben erzählen, und zwar tatsächlich innerhalb der vorgesehenen Religionsstundenzeit, dass der Unterricht parallel organisiert wird. Wir besuchen uns gegenseitig und dass wir gemeinsam die Stunde gestalten – das wäre schön, ja."