Jürgen Roth: Verschlussakte S. – Smolensk, MH 17 und Putins Krieg in der Ukraine
Econ Verlag Berlin, 320 Seiten, 19,99 Euro, auch als ebook
Mutmaßungen über den Flugzeugabsturz von Smolensk
Das Buch "Verschlussakte S. – Smolensk, MH 17 und Putins Krieg in der Ukraine" will den russischen Präsidenten Putin zum Verantwortlichen für den Flugzeugabsturz von Smolensk im April 2010 und für den Absturz der malaysischen Passagiermaschine MH 17 in der Ostukraine im Juli 2014 machen. Doch Jürgen Roth belässt es bei Behauptungen, die er nicht durch Recherchen erhärtet.
"Verschlussakte S. – Smolensk, MH 17 und Putins Krieg in der Ukraine"- schon der Titel irritiert. Denn was verbindet die Ostukraine und die malaysische Airline mit dem Absturz der polnischen Präsidentenmaschine im russischen Smolensk? Jürgen Roth schlägt einen großen Bogen, um zu antworten:
"Der rote Faden der Geschichte beginnt 1999, kurz vor Wladimir Putins Amtsantritt als Präsident in Russland, mit dem Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges, führt über den Krieg in Georgien im Jahr 2008, den Flugzeugabsturz in Smolensk im April 2010, die Besetzung der Krim im Frühjahr 2014 hin zum Absturz der malaysischen Passagiermaschine MH 17 in der Ostukraine im Juli 2014.
Und er endet vorläufig in dem blutigen Bürgerkrieg in der Ukraine. Diese scheinbar unterschiedlichen Vorgänge erklären vieles von dem, was im Zusammenhang mit dem Absturz in Smolensk im April 2010 vorschnell als Verschwörungstheorie fehlgedeutet werden könnte."
Jürgen Roth glaubt an ein Attentat
Im Klartext: Wladimir Putin ist der Player hinter all diesen Vorfällen. Eine gewagte These! Um sie zu erhärten, benutzt der Journalist die Tragödie von Smolensk.
Bis heute ranken sich Gerüchte darum, warum das Flugzeug - mit dem polnischen Präsidenten an Bord - abstürzte: War es ein tragischer Unfall, ein Aufeinandertreffen von Fehlern und Schlampereien oder ein mysteriöses Attentat? Jürgen Roth glaubt an ein Attentat – und zitiert als Beweis einen anonymen Agenten des Bundesnachrichtendienstes, der an die Zentrale in Pullach im März 2014 eine Depesche geschickt haben soll.
"Eine mögliche Erklärung der Absturzursache der Tupolew TU-154 am 10.04.2010 in Smolensk liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Sprengstoffattentat, ausgeführt durch eine Abteilung des [russischen Inlandgeheimdienstes] FSB im ukrainischen Poltava, geführt durch General Juri D. aus Moskau (...)
Alle weiteren Vorgänge - Ausführung, Sprengstoffbeschaffung, Kommunikation - konnten trotz intensiver Vorgehensweise nicht aufgeklärt werden, da eine massive Gefährdung vor Ort operierender Quellen nicht auszuschließen wäre."
Diese Aussage wurde mittlerweile vom BND dementiert – ist aber ein Beispiel dafür, wie der Autor vorgeht. Da greift er beispielsweise Vorwürfe aus Kreisen der oppositionellen Kaczynski-Partei "Recht und Gerechtigkeit" auf, präsentiert aber deren Belege, ohne sie zu überprüfen.
Die Recherche fördert keine Beweise zu Tage
Die Recherche fördert keine Beweise zu Tage
Ebenso wenig überzeugt er in einem zentralen Punkt: Der offizielle Abschlussbericht aus Warschau nennt Fehler der polnischen Piloten und der russischen Fluglotsen als Hauptursache für den Absturz. Jürgen Roth dagegen unterstellt dem damaligen polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, Ermittlungen in Richtung eines Attentats verhindert zu haben. Den Grund dafür will er in einem weiteren BND-Bericht vom April 2010 gefunden haben.
"Bei seinem Ableben hatte Lech Kaczyński eine Reihe von Gesetzesnovellierungen und Wirtschaftsverträgen ohne seine Unterschrift zurückgelassen.
Einer dieser durch ihn nicht unterschriebenen Verträge hat einen Wertumfang von über 50 Milliarden Euro, woraus sich für die polnischen Sicherheitsbehörden schon die Frage ergibt, ob der polnische Präsident wegen russischen Gases sterben musste.
Denn im August 2009 seien Putin- und Tusk-Leute erstmals zu einem für 'beide Seiten' akzeptablen Entwurf eines Gas-Liefervertrags gekommen, der jedoch erst eine Zeit ruhte, aus welchen Gründen ist bis heute nicht bekannt."
Jürgen Roth behauptet Fakten, begibt sich zudem tief in innerpolnische Grabenkämpfe hinein, aber seine Recherche fördert keine Beweise zu Tage. Hätte er weniger skandalisiert, dafür Details besser gebündelt und eingeordnet, wäre ihm zumindest eine Chronologie des schicksalhaften Flugzeugabsturzes von Smolensk gelungen, der von den Polen – jenseits von allem politischen Streit – bis heute als nationale Katastrophe empfunden wird.