Verschwundene Orte der Heimat
Hätte der in Frankfurt lebende Andreas Maier nicht eine Vorliebe für Kneipen wie die "Dunkel" oder die "Schillerlinde", sondern einen Faible für das Caféhaus, in Wien würde er Stammgast im "Café Hawelka" sein. Seit Jahrzehnten wurde dieses Café nicht renoviert, nichts hat sich in ihm verändert, alles ist so, wie es immer war. Ganz im Unterschied zur "Dunkel" und zur "Schillerlinde", die Maier liebte, aber die längst nicht mehr existieren.
Der 1967 in Bad Nauheim in der Wetterau geborene Andreas Maier hält in seinem Buch "Onkel J." Verlusterfahrungen fest. Er beschreibt Orte, die für das Heimatgefühl von Bedeutung waren und inzwischen verschwunden sind. In den Geschichten, die er erzählt, hängt alles "mit allem zusammen".
Dagegen helfen auch keine Umgehungsstraßen, die in den Geschichten, die Maier erzählt, immer wieder vorkommen. Es lässt sich nämlich nichts umgehen. Die Umgehungsstraßen sind Maiers Gegenwartssignum. Sie stehen dafür, dass versucht wird, alles zu umgehen, wobei alles getilgt werden soll. Deshalb konzentriert sich Maier auf jene verloren gegebenen Bereiche und trifft mit dieser Erzählstrategie ins Schwarze.
Seine Heimatkunde ist zwar mit rabenschwarzem Humor unterfüttert, aber dennoch ist er seiner Heimat zugeneigt – um nicht zu sagen: Er liebt sie. Doch gerade weil er an ihr hängt, weiß er nur zu genau, dass die ausgestellte Heimatidylle nur Schein ist. Bei näherem Hinschauen wabert es aus dem Heimatsumpf reaktionär heraus. Maier ist ein rigoroser Idyllenentzauberer und ein konsequenter Heimathasser, eine Haltung, die er mit Thomas Bernhard teilt. Doch anders als Bernhard, auf den Maier eingeht, bevorzugt er die spöttisch leisen Töne. Eine Spur von Melancholie ist zu vernehmen, wenn er seinen Heimatverlustschmerz mit Äppelwein beizukommen versucht. Was nicht so recht gelingen will, weil der Schmerz mit jedem Glas eine Steigerung erfährt.
Andreas Maier beantwortet übrigens die Frage, ob er ein Heimatdichter sei, unumwunden mit "ja". Aber wer meint, es ginge in den 23 Kolumnen, die Maier zwischen 2005 und 2010 für die österreichische Zeitschrift "Volltext" geschrieben hat, gemütlich zu, dem wird die Idyllensehnsucht gründlich ausgetrieben.
Zwar beginnt jede Geschichte mit einem Gemütlichkeit intendierenden "Neulich", doch daraus entwickelt sich ein "Einstmals", wobei die Gegenwart auf den Prüfstand gerät und Verluste aufgezeigt werden. Maier aber nimmt nichts hin, sondern er teilt aus. Das ist, bei aller intendierten Tragik, auch von umwerfender Komik. Kein Wunder also, dass die Kolumnen inzwischen auf Maiers Lesereisen zum festen Leserepertoire gehören.
Andreas Maier ist ein genauer Beobachter, der mit notorischer Lust gern die Perspektive seines etwas weltentrückten Onkel J. einnimmt. Onkel J. war ein Kneipengänger, ein Außenseiter, der sich ungern wusch und nichts auf die Reihe brachte. Typen wie dieser Onkel J. werden belächelt. Aber irgendwie auch beneidet, denn sie verstehen es, das hektische Leben auf den Umgehungsstraßen zu ignorieren – es perlt an ihnen ab. Für diese rigorosen Moderneverweigerer hat Maier eine Affinität entwickelt – man begegnet ihnen in seinen Romanen. Es hängt eben alles mit allem zusammen.
Besprochen von Michael Opitz
Andreas Maier: Onkel J. - Heimatkunde
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
131 Seiten, 17,80 Euro
Dagegen helfen auch keine Umgehungsstraßen, die in den Geschichten, die Maier erzählt, immer wieder vorkommen. Es lässt sich nämlich nichts umgehen. Die Umgehungsstraßen sind Maiers Gegenwartssignum. Sie stehen dafür, dass versucht wird, alles zu umgehen, wobei alles getilgt werden soll. Deshalb konzentriert sich Maier auf jene verloren gegebenen Bereiche und trifft mit dieser Erzählstrategie ins Schwarze.
Seine Heimatkunde ist zwar mit rabenschwarzem Humor unterfüttert, aber dennoch ist er seiner Heimat zugeneigt – um nicht zu sagen: Er liebt sie. Doch gerade weil er an ihr hängt, weiß er nur zu genau, dass die ausgestellte Heimatidylle nur Schein ist. Bei näherem Hinschauen wabert es aus dem Heimatsumpf reaktionär heraus. Maier ist ein rigoroser Idyllenentzauberer und ein konsequenter Heimathasser, eine Haltung, die er mit Thomas Bernhard teilt. Doch anders als Bernhard, auf den Maier eingeht, bevorzugt er die spöttisch leisen Töne. Eine Spur von Melancholie ist zu vernehmen, wenn er seinen Heimatverlustschmerz mit Äppelwein beizukommen versucht. Was nicht so recht gelingen will, weil der Schmerz mit jedem Glas eine Steigerung erfährt.
Andreas Maier beantwortet übrigens die Frage, ob er ein Heimatdichter sei, unumwunden mit "ja". Aber wer meint, es ginge in den 23 Kolumnen, die Maier zwischen 2005 und 2010 für die österreichische Zeitschrift "Volltext" geschrieben hat, gemütlich zu, dem wird die Idyllensehnsucht gründlich ausgetrieben.
Zwar beginnt jede Geschichte mit einem Gemütlichkeit intendierenden "Neulich", doch daraus entwickelt sich ein "Einstmals", wobei die Gegenwart auf den Prüfstand gerät und Verluste aufgezeigt werden. Maier aber nimmt nichts hin, sondern er teilt aus. Das ist, bei aller intendierten Tragik, auch von umwerfender Komik. Kein Wunder also, dass die Kolumnen inzwischen auf Maiers Lesereisen zum festen Leserepertoire gehören.
Andreas Maier ist ein genauer Beobachter, der mit notorischer Lust gern die Perspektive seines etwas weltentrückten Onkel J. einnimmt. Onkel J. war ein Kneipengänger, ein Außenseiter, der sich ungern wusch und nichts auf die Reihe brachte. Typen wie dieser Onkel J. werden belächelt. Aber irgendwie auch beneidet, denn sie verstehen es, das hektische Leben auf den Umgehungsstraßen zu ignorieren – es perlt an ihnen ab. Für diese rigorosen Moderneverweigerer hat Maier eine Affinität entwickelt – man begegnet ihnen in seinen Romanen. Es hängt eben alles mit allem zusammen.
Besprochen von Michael Opitz
Andreas Maier: Onkel J. - Heimatkunde
Suhrkamp Verlag, Berlin 2010
131 Seiten, 17,80 Euro