Verschwundenes Beatles-Cover

Ein Fall für den "Rock'n'Roll-Detektiv"

Eine Briefmarke der Royal Mail zeigt das Cover des Beatles-Albums "Revolver".
Das berühmte Artwork vom "Revolver"-Album landete später auch auf einer britischen Briefmarke © picture alliance / dpa / Royal Mail
Von Tobias Ruhland |
Jim Berkenstadt ist Anwalt - und nebenbei "Rock'n'Roll Detective". In dieser Funktion recherchiert er knifflige Fragen - und jagt auch schon mal Memorabilien aus der Rock-Welt hinterher. Zum Beispiel dem Original Revolver-Cover von den Beatles.
"Ich heiße Jim Berkenstadt. Man nennt mich den Rock’n’Roll Detective. Ich trage keinen Sherlock Holmes Hut. Jedenfalls noch nicht. Und lieber eine schwarze Lederjacke als einen Trenchcoat. Ich wage nicht zu behaupten, dass ich alles weiß, aber ich bin ziemlich gut darin, Sachen aufzuspüren."
Seit Anfang der 90er gibt es ihn, den Rock’n’Roll Detective Jim Berkenstadt. Wohnhaft in Madison, Wisconsin, und im Brotberuf seit Jahrzehnten als Rechtsanwalt unterwegs. Doch der Mann hat aus seiner Leidenschaft einen zweiten Job gemacht.

Berkenstadt hat eine beeindruckende Kundendatei

Er liebt Pop und seine Geschichte. Der Typ hat auch ziemlichen Erfolg – und eine beeindruckende Kundendatei: die Beatles, die Familien von Roy Orbison und Buddy Holly oder auch Regisseur Martin Scorsese, der für seine George Harrison-Doku "Living in the material world" aus dem Jahr 2011 die Dienste des Rock’n’Roll Detective in Anspruch genommen hat.
Berkenstadt half dem Scorsese-Team, das vorhandene Videomaterial auf Exklusivität zu prüfen:
"Bei einer Szene wurde ich stutzig. Da sieht man George Harrison in einem TV Studio sitzen, wie er sich einen alten Beatles-Auftritt fürs englische Fernsehen anschaut. Ich sagte, das hier hab ich noch nie gesehen, aber ich wette, das war 1977. Der Typ glotzte mich an und fragte: Wie zur Hölle kannst Du das wissen? George trägt in dieser Szene einen Pulli, den er außer im Video zu 'Crackerbox Palace' nur selten trug. Da gibt’s nur ganz wenige Aufnahmen aus dem Jahr 1977 von George mit diesem Pulli. Wenn der Clip im Fernsehen gezeigt worden wäre, dann hätte ich ihn in meinem Archiv. Am Ende landete diese Szene dann auch im Film."
Ein Typ mit so viel Beatles-Expertenwissen ist der richtige Mann, um das Rätsel vom verschollenen Original des Revolver-Covers zu ergründen. Dessen Schöpfer, der Designer und Musiker Klaus Voormann, hatte die Mischung aus Fotocollage und Strichzeichnung 1966 persönlich in der Druckerei der Plattenfirma EMI abgegeben und seither aber nie wieder gesehen.

Seit den 70ern ist Voormann auf der Suche

Seit den 70ern ist Voormann auf der Suche nach seinem Original Revolver-Cover. Er hakte beim Beatles-Produzent George Martin und Mitarbeitern der Beatles-Plattenfirma Apple nach, die inzwischen den kompletten Beatles-Nachlass aus EMI-Zeiten übernommen hatte.
2005 machte ein Apple-Verantwortlicher Voormann mit dem Rock’n’Roll-Detective bekannt. Und der legte dann auch gleich los: Auktionshäuser auf der ganzen Welt, Händler von Pop-Memorabilia, alle möglichen Leute aus der Musikindustrie hat er befragt. Doch nichts. Bis er einen Tippgeber auftat, der anonym bleiben wollte.
"Nennen wir ihn Bob. Ich rufe also bei Bob an und frage: Bob, weißt Du, wo das Original Revolver Cover von Klaus Voormann ist? – Klar, ich habs erst neulich bei jemandem im Wohnzimmer gesehen. – Und magst Du mir den Namen von diesem Jemand verraten? – Klar, es ist Joe Walsh, der Gitarrist der Eagles."
Walsh habe den Revolver nach eigener Aussage in den 70er Jahren in einem Second-hand-Platten-Fandevotionalien-Shop in L.A. gekauft. Doch was hat sich Joe Walsh da wirklich ins Wohnzimmer gehängt? Endgültig klar wurde das erst Anfang des Jahres.
"Ich habe Klaus bei seiner Ausstellung geholfen. Ein Festival für Beatles-Fans in New York. Ich hatte eine hochauflösende Laser-Kopie dabei, die Joe Walsh von seinem Revolver-Cover im Wohnzimmer anfertigen und schicken hat lassen. Klaus schaute das Bild an. Ich schaute Klaus an. Das ist nicht das Original, oder? Nein, ist es nicht."

Schöllhammer-Papier dunkelt nach

An dieser Stelle lohnt ein Anruf bei Klaus Voormann bzw. bei seiner Frau Christine, die ihren Mann und sein Werk managt und selber auch viel nachgeforscht hat. Wieso wusste ihr Mann sofort, dass es sich nicht um das Original-Cover handeln konnte? Unter anderem am Gekritzel in der Ecke des Walsh-Revolvers. Da steht Klaus Voormann 1976, aber das Original stammt aus 1966. Christine Voormann klärt auf.
"Mein Mann hatte nämlich, bevor er das Original abgegeben hat, ein Foto davon gemacht. Und von diesem Foto wurde ein Druck gemacht, 1976, da hat mein Mann noch in L.A. gelebt. Und diesen Druck hat er dann unterschrieben - und das ist das, was Walsh bei sich hängen hat."
Der Original Revolver müsste mittlerweile auch viel dreckiger sein als der Walsh-Revolver. Denn das so genannte Schöllhammer Papier, das Voormann damals benutzte, dunkelt typischerweise nach und bleibt nie so weiß wie am Anfang. Auch wenn sich die Walsh-Fährte nun de facto als Sackgasse entpuppt hat, so hat der Rock’n’Roll Detective eine neue Spur aufgetan, die die Voormanns neue Hoffnung schöpfen lässt und die ins unmittelbare Beatles-Management führt.
"Der Jim hat gesagt, dass die Artwork im Büro von Brian Epstein zu NEMS dann kam, die Managementfirma von Brian Epstein. Da muss ich unbedingt auch noch mal mit ihm sprechen, woher er das weiß. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass es tatsächlich noch existiert. Vielleicht in der Druckerei sogar und dass es bei denen noch im Keller steht zwischen Putzmitteln oder sonst was, wo noch keiner nachgesehen hat. Ich meine, der Klaus wird nächstes Jahr 80. Es noch einmal wenigstens zu sehen, das hat er auch gehofft. Es einfach nochmal in Händen zu halten. Wer auch immer das hat, der weiß, dass er einen Riesenschatz hat."
"Ein hoher sechsstelliger Betrag, so vermutet Christina Vormann, dürfte das Original-Revolver-Artwork inzwischen wert sein."
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