Versorgung

Sorge um ausreichende Gesundheitsversorgung

Von Peter Kolakowski |
Unter dem Titel "Global Health" haben sich Kirchenvertreter in Bonn über die Rolle ihrer Hilfsangebote ausgetauscht. Der Fokus dabei lag auf der Bekämpfung des Hungers und der medizinischen Versorgung.
"Ich wollte mehrere Patienten operieren, aber da hatte ich nicht das Material. Und dann es gibt so viele Papiere, und dann am Ende klappt das nicht - vielleicht in zehn Jahren."
Alltag für den Arzt Dr. Hubert Valencia aus Honduras. Oft nur mit Unterstützung der Gemeinde vor Ort und der kirchlichen Entwicklungshilfsorganisationen ist es ihm überhaupt möglich, seine Patienten wenigstens ansatzweise zu versorgen - mit Pflastern, Binden, Medikamenten oder Spritzen.
Im staatlichen Gesundheitssystem fehlt es praktisch an allem. Groß ist dagegen die Korruption, weiß Dr. Valencia. Er hat dank eines Stipendiums des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes KAAD in Deutschland studieren und hier den "Segen" eines funktionierenden Gesundheitssystems kennenlernen können.
Austausch über die Herausforderungen der Versorgung
Der KAAD hatte vergangenes Wochenende unter dem Titel Global Health Teilnehmer aus 50 Ländern zum einem Internationalen Kongress nach Bonn eingeladen, um über die künftigen Herausforderungen bei der Versorgung von Kranken zu diskutieren.
Nicht nur die nationalen Gesundheitssysteme stünden dabei vor geradezu dramatischen Umbrüchen, sondern auch die kirchliche Arbeit - sowohl in den Gemeinden vor Ort als auch im Rahmen internationaler Entwicklungshilfe. Erklärt der Generalsekretär des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes Dr. Hermann Weber:
"Durch die zum Teil dramatischen klimatischen Veränderungen sind natürlich neue Krankheiten und Gefährdungen aufgetreten, und das hat auch Auswirkungen auf die Migration, die wir vielfach noch gar nicht in unseren Breiten spüren, sondern die sich in einer großen Süd-Süd-Bewegung abspielen. Kann man Gesundheit auch nur in einer ökologischen Perspektive begreifen, weil die Probleme der einzelnen Menschen, die erkranken, strukturelle Ursachen haben, die bis ins Erdsystem, könnte man sagen, hineinreichen."
Gesundheit, betont auch Wolfgang Wagner, Professor für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Mainz und Mitglied im Stipendienausschuss des KAAD, ist nicht nur ein wichtiger Faktor des persönlichen Lebensglücks.
Sie ist als öffentliches Gut auch Teil der Menschenrechte. Mindestens einer Milliarde Menschen werde aber dieses fundamentale Recht verweigert. Sie haben nur unzureichenden oder überhaupt keinen Zugang zu Ärzten und Gesundheitsdiensten.
Gerade die kirchlichen Entwicklungshilfeorganisationen, zu deren Arbeit traditionell auch die Versorgung von Kranken zählt, seien daher aufgerufen, eine weltweit gültige Charta für bessere Gesundheitssysteme einzufordern, damit das weltweit erkrankte System von Prävention, Behandlung und Rehabilitation gesunden kann. Wagner:
"Dass in diesen Ländern einfach Dinge noch erforderlich sind und gemacht werden müssen, die in den Ländern, die einfach mehr Geld haben, selbstverständlich sind, an der Tagesordnung sind. Das sind gar nicht so sehr neurochirurgische Fragen. Das sind Impfungen, das ist die Versorgung mit gewissen Nahrungsmitteln, einfachen Medikamenten, Vitaminen und dergleichen mehr. Dass das all diesen Menschen zugute kommt."
Zahlen des Päpstlichen Rates für die Gesundheitspastoral zufolge betreibt allein die katholische Kirche ein Viertel aller Gesundheitseinrichtungen weltweit, darunter mehr als 5.000 Krankenhäuser und fast 18.000 Gesundheitszentren.
Die kirchlichen Hilfswerke beobachten allerdings, dass das Thema Gesundheit auf der politischen Agenda zunehmend an Bedeutung verliert. Zwar hatte die Bundesregierung im vergangenen Jahr ein Konzept zur "Globalen Gesundheitsversorgung" vorgelegt. Dieses Konzept indes, kritisieren kirchliche Entwicklungshilfexperten, dürfe sich nicht vornehmlich an wirtschaftlichen Interessen orientieren, wie beispielsweise der Vermarktung von Medikamenten und medizinischen Geräten aus Deutschland oder Europa.
Der technische Aspekt trete immer mehr in den Vordergrund, während die Debatte um Werte und Ethik vernachlässigt werde, warnt auch das von katholischen Orden und Missionsverbänden gegründete Missionsärztliche Institut in Würzburg. Und fordert Politiker und Verantwortliche in der Entwicklungszusammenarbeit auf, das Thema Gesundheit in den Mittelpunkt der ab 2015 geltenden Nachfolgeagenda der Millenniums-Entwicklungsziele zu stellen.
Gesundheitspolitik ändert sich nur in Reaktion auf Kritik
Die Diskussion beispielsweise um HIV-Medikamente habe gleichwohl gezeigt, dass Regierungen und Wirtschaft nur durch Druck von Kirchen und anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren bereit sind, ihre Gesundheitspolitik zugunsten der Patienten zu ändern: So die Medizinethnologin und entwicklungspolitische Sachverständige Dr. Katharina Greifeld:
"Weil sich da ja auch viele Aktionsgruppen gebildet haben, zum Beispiel in Südafrika, die dann durchgesetzt haben, dass das Patentrecht ausgeschaltet wird. Und man sollte auch hier darüber nachdenken, wie man hier entsprechende Gremien oder Organisationen bilden kann, um solche patentfreien Medikamente auf den Markt bringen zu können."
Ohne Gesundheit gebe es keine Entwicklung resümiert auch die Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz. Staatliche Entwicklungshilfe, so die Kommission, fließe bisher nur zu einem geringen Teil in die Gesundheitsförderung. Dies jedoch schlage in absehbarer Zeit auch auf Deutschland zurück. In Afrika säßen bereits Millionen von Menschen auf dem Sprungbrett nach Europa. Auf der Flucht vor Krankheit, Siechtum und Tod.
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