Verstörendes Psychodrama

Von Jörg Taschmann · 18.04.2013
Ein Junge wird entführt, eine frühreife Mitschülerin erpresst den mutmaßlichen Täter und die Polizeipsychologin beißt sich die Zähne an scheinbar teilnahmslosen und gefühlskalten Jugendlichen aus. Ein irritierender Film, der bis zum Schluss spannend bleibt.
In einer Kleinstadt ist der neunjährige Nicholas entführt worden. Er wird in einem Keller festgehalten. Ein Video, das ihn verängstigt zeigt, kursiert unter den Jugendlichen seiner Schule. Nicholas' Eltern sind verzweifelt und verstört, wenden sich im Fernsehen an die Entführer:

"Irgendwo da draußen ist jemand, der weiß, wo unser Sohn ist. Wir flehen Sie an, bitte tun Sie unserem Kind nicht weh."

Für die von Martina Gedeck souverän gespielte Polizeipsychologin Claudia Meinert wird schnell klar, dass die Kinder mehr wissen. In der Aula appelliert sie an die Schüler. Dort sitzt auch die frühreife Mathilda. Sie testet an öffentlichen Orten gerne ihre erotische Ausstrahlung, vorzugsweise an Familienvätern, die mit ihren Kindern unterwegs sind. Mathilda meint, den Entführer zu kennen, einen verschlossenen Einzelgänger aus der 9. Klasse, der sich wie ein "Emo" kleidet. Sie möchte seine Komplizin werden und beginnt, ihn zu erpressen. Auch die Psychologin merkt schnell, dass dieser Leon eine zentrale Rolle in der Entführungsgeschichte zu spielen scheint, aber er lässt sie zunächst gnadenlos auflaufen:

"Hier steht, du heißt … ‒ Ich hab keinen Namen. ‒ Hier steht, du bist hochbegabt, hast die 7. Klasse übersprungen. Ist nicht leicht, oder? ‒ Was? ‒ Freunde zu finden. ‒ Ich hab andere Interessen."

"Bastard" ist ein Thriller, der seine Spannung nicht daraus bezieht, dass man lange nach dem Täter sucht. Schon nach wenigen Filmminuten weiß man Bescheid. Es ist dieser hochintelligente, alte, berechnende Teenager, der sich, als Bastard geboren, auf einem Rachefeldzug gegen die Erwachsenen befindet. Er will Macht ausüben, Aufmerksamkeit erzwingen, wenn er sie schon nicht freiwillig bekommt und terrorisiert vor allem die Eltern des entführten Nicholas. Angst vor Konsequenzen scheint er dabei nicht zu haben ...

"Ich bin ein Kind. Ich bin schuldunfähig. Egal was ich tue. Kann ich jetzt gehen? ‒ Hier steht, dass du in drei Tagen Geburtstag hast. Du wirst 14 und damit offiziell strafmündig. ‒ In drei Tagen ist Nicholas tot."

Regisseur Carsten Unger hat einen für das deutsche Kino ungewöhnlichen Genremix abgeliefert. In sehr blaustichigen, stilisierten Bildern zeigt er eine erstarrte, kleinbürgerliche Welt. Mittendrin, als grausame Akteure, sträflich vernachlässigt pubertierende Teenies, die scheinbar über keine Moralvorstellungen verfügen. Sie eint eine diffuse Sehnsucht nach einer heilen Familie. So ist dieses ungewöhnliche Werk immer wieder für Überraschungen gut und fesselt den Zuschauer bis zum Schluss.

Ein ausführliches Interview mit dem Regisseur Carsten Unter finden Sie bei dradio.de

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