Versuch einer zeitgemäßen Aufklärung
In seinem Buch entwirft der Philosophie-Professor Markus Gabriel die Grundsätze einer neuen Philosophie. Er strebt an, eine ganz globale Sinnfrage zu beantworten: Gibt es die Welt überhaupt? Das tut er auf eine so unterhaltsame Weise, dass das Buch aus dem Stand auf Platz eins der Bestseller-Listen sprang.
Der 33-jährige Markus Gabriel ist der jüngste Philosophie-Professor im Land – er lehrt an der Universität Bonn und hat bereits mit diversen provokanten Thesen seine Disziplin aufgemischt. Vergangenes Jahr erschien seine "Einführung in die Erkenntnistheorie", sein Spezialgebiet; dieses Jahr folgte sein Titel "Warum es die Welt nicht gibt" – der es aus dem Stand auf Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste von NDR und "Süddeutscher Zeitung" schaffte.
Die Wirklichkeit gibt es sehr wohl
Gabriels allseits hochgelobter Text ist der Versuch einer zeitgemäßen Aufklärung: Die Feindbilder sind nicht mehr die institutionellen Religionen, sondern Moden mit religiöser, also denksteuernder – und das heißt denkeinschränkender – Funktion, vor allem aber der so sogenannte "Konstruktivismus". Das ist die Lehre, dass wir die Wirklichkeit nicht wahrnehmen, sondern in unserem Hirn konstruieren; als Vorläufer identifiziert Gabriel hochrespektable Denker wie Berkeley oder Kant, aber auch den Physiker Werner Heisenberg. Mit Genuss verspottet er den Ansatz: Dann müsste ja das Gehirn, das die Welt konstruiert, selber auch ein Konstrukt sein...
Dass es die Wirklichkeit sehr wohl gebe und wir auch handfeste – und handlungsleitende – Begriffe über sie bilden können, ist Gabriels Leitmotiv. Wohltuend unterscheidet sich der junge Professor von den meisten seiner Kollegen, indem er das ganze Spektrum kultureller Moden in seine Erwägungen einbezieht – und aus diesem Universalismus wohl die Ambition bezieht, die "Grundsätze einer neuen Philosophie" zu formulieren. Denn auch die so genannte Postmoderne liege bereits hinter uns; es sei Zeit für den Versuch, radikal von vorn anzufangen, immer wieder – diese Einstellung sei ohnehin die eigentliche Aufgabe der Philosophie.
Dass es die Wirklichkeit sehr wohl gebe und wir auch handfeste – und handlungsleitende – Begriffe über sie bilden können, ist Gabriels Leitmotiv. Wohltuend unterscheidet sich der junge Professor von den meisten seiner Kollegen, indem er das ganze Spektrum kultureller Moden in seine Erwägungen einbezieht – und aus diesem Universalismus wohl die Ambition bezieht, die "Grundsätze einer neuen Philosophie" zu formulieren. Denn auch die so genannte Postmoderne liege bereits hinter uns; es sei Zeit für den Versuch, radikal von vorn anzufangen, immer wieder – diese Einstellung sei ohnehin die eigentliche Aufgabe der Philosophie.
Es gibt Orte, an denen etwas erscheint
Nur derart unbelastet können wir "die Welt erkennen, wie sie an sich ist", also nicht ihre "eingebildeten Strukturen": "Es stimmt einfach nicht, dass wir uns fast immer täuschen". Die Welt sei mitnichten nur der Bereich der Naturwissenschaften, auch Träume, Staaten und Kunstwerke seien schließlich Teil der Welt. Sie ist allumfassend, und deshalb komme, definitionsgemäß, die Welt in der Welt nicht vor, sie habe keine Eigenschaften, sei also gar kein erkennbarer Gegenstand.
Von einem wissenschaftlichen (oder anderen) "Weltbild" zu sprechen, sei daher eine Anmaßung. Es gebe nämlich auch "alles, was es nicht gibt", Einbildungen zum Beispiel, alles, was eine Tatsache in der Welt ist und Gegenstand der Betrachtung werden kann. "Gedanken über die Welt [selber aber seien] nicht wahrheitsfähig – sie haben keinen Gegenstand, auf den sie sich beziehen".
Bevor wir also Sinnfragen an die Welt stellen, etwa "was das Ganze soll", müssten wir erst klären, was "das Ganze" ist. Vernünftiger sei es, die Welt in "Sinnfelder" zu unterteilen – in diesem Vorschlag sieht Gabriel seinen originären Beitrag.
Sinnfelder seien eine Art "ontologischer Grundeinheiten", das heißt "Orte, an denen etwas erscheint". Es gebe unendlich viele Sinnfelder, teils überlappen sie; aber die Existenz von etwas können wir nur behaupten mit einer "Ortsangabe" in einem solchen Feld. Einem Begriffsrahmen, könnte man auch sagen. Und den sollte man nie fraglos akzeptieren, geschweige denn uns damit identifizieren, zu unserer Identität machen; sondern grundsätzlich und immer "von außen" sehen und denken.
Gabriels Plädoyer für einen allgegenwärtigen Pluralismus ist also nicht nur ein sozialpolitisches, sondern auch und vor allem ein Erkenntnispostulat.
Besprochen von Eike Gebhardt
Von einem wissenschaftlichen (oder anderen) "Weltbild" zu sprechen, sei daher eine Anmaßung. Es gebe nämlich auch "alles, was es nicht gibt", Einbildungen zum Beispiel, alles, was eine Tatsache in der Welt ist und Gegenstand der Betrachtung werden kann. "Gedanken über die Welt [selber aber seien] nicht wahrheitsfähig – sie haben keinen Gegenstand, auf den sie sich beziehen".
Bevor wir also Sinnfragen an die Welt stellen, etwa "was das Ganze soll", müssten wir erst klären, was "das Ganze" ist. Vernünftiger sei es, die Welt in "Sinnfelder" zu unterteilen – in diesem Vorschlag sieht Gabriel seinen originären Beitrag.
Sinnfelder seien eine Art "ontologischer Grundeinheiten", das heißt "Orte, an denen etwas erscheint". Es gebe unendlich viele Sinnfelder, teils überlappen sie; aber die Existenz von etwas können wir nur behaupten mit einer "Ortsangabe" in einem solchen Feld. Einem Begriffsrahmen, könnte man auch sagen. Und den sollte man nie fraglos akzeptieren, geschweige denn uns damit identifizieren, zu unserer Identität machen; sondern grundsätzlich und immer "von außen" sehen und denken.
Gabriels Plädoyer für einen allgegenwärtigen Pluralismus ist also nicht nur ein sozialpolitisches, sondern auch und vor allem ein Erkenntnispostulat.
Besprochen von Eike Gebhardt
Markus Gabriel: Warum es die Welt nicht gibt
Ullstein Verlag, Berlin 2013
272 Seiten, 18,00 Euro
Ullstein Verlag, Berlin 2013
272 Seiten, 18,00 Euro