"Vertrauen gewinnt man nicht so schnell zurück"
In Mannheim treffen sich derzeit Zehntausende Katholiken auf dem Deutschen Katholikentag: Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück, warnt davor, dass die Kirche nach der Jugend nun noch die Frauen verliere. Die Frauen müssten mehr geistliche Aufgaben erhalten.
Nana Brink: Der Deutsche Katholikentag beginnt heute in Mannheim, und dort treffen sich Zehntausende Katholiken in mehr als 1.200 Veranstaltungen, und sie sprechen natürlich über ihre Kirche, über gesellschaftliche Fragen, aber sie feiern auch gemeinsam Gottesdienste.
Organisiert wird der Kirchentag vom gastgebenden Bistum, und für Mannheim ist das das Erzbistum Freiburg, und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Und dessen Präsident, Alois Glück, ist jetzt bei uns am Telefon der "Ortszeit". Schönen guten Morgen, Herr Glück!
Alois Glück: Guten Morgen!
Brink: Das zentrale Motto des Kirchentages heißt "Einen neuen Aufbruch wagen". Ist der Vertrauensverlust nach den Missbrauchsskandalen immer noch nicht überwunden?
Glück: Nun, es gehört zur Geschichte der Kirche, dass sie immer wieder neue Aufbrüche, Durchbrüche gewagt hat. So etwas geschieht immer aus besonderen Situationen heraus. Die jetzige Situation ist in mehrfacher Weise eine, die nach einem neuen Aufbruch verlangt.
Da ist sicher einmal diese Erfahrung, diese Schockwirkung des sexuellen Missbrauchs und wie damit umgegangen wurde. Das war ein großer Vertrauensverlust, und Vertrauen gewinnt man nicht so schnell zurück, es verlangt vor allen Dingen auch ein Stück Veränderungsprozess. Es ist aber auch, dass erspürbar und sichtbar, immer mehr sichtbar wird der Generationenbruch, das heißt, es gelingt immer weniger, junge Menschen zu erreichen, immer weniger getaufte und gefirmte, und insofern ist es wichtig, und es ist nicht nur ein Thema der katholischen Kirche, sondern der christlichen Kirchen insgesamt, sich damit auseinanderzusetzen, wie können wir in der Zeit von heute die Menschen von heute vertrauter machen mit der Botschaft des Evangeliums.
Das andere ist ein notwendiger Aufbruch, eine Veränderung in der Gesellschaft, denn auch hier geht ein weiter so sicher nicht mehr.
Brink: Bleiben wir ein bisschen noch bei der Kirche: Wo genau braucht die katholische Kirche einen neuen Aufbruch, bei welchen Themen?
Glück: Das Zentralkomitee hat gestern, als gewissermaßen das Leitbild, die Zukunftsvision für Kirche, beschrieben eine dem Menschen dienende Kirche. Und vor halt gut einem Jahr hat hier begonnen der Dialogprozess, eingeleitet, einberufen durch die Deutsche Bischofskonferenz, und hier war am Schluss der gemeinsame Ruf nach einer barmherzigen Pastoral, das heißt, eine Pastoral, die sich den Menschen mehr zuwendet, die dem Menschen nachgeht, bei der spürbar wird, Kirche ist nicht Selbstzweck - sie ist nicht um ihrer selbst willen da, und kreist dann um sich selbst und ist mit sich selbst beschäftigt, sondern ihre Aufgabe, ihre Stiftung ist für die Sendung, die Sendung des Evangeliums zu vermitteln, und das heißt, sich auf die Menschen zuzugehen, einzulassen. Vertrauen gewinnt man auch erst zurück, wenn man die ernst nimmt, denen zuhört, die Vertrauen verloren haben, und das umfasst nun eine ganze Bandbreite dessen, wie Kirche erlebt wird, nicht ein Bereich des Sozialen und der Caritas, wo viel Gutes in dem Sinne ja getan wird.
Brink: Aber ich darf da vielleicht ein bisschen Wasser in den Wein schütten, apropos barmherzige Kirche, das ist diese Kirche gegenüber Geschiedenen oder Homosexuellen oder auch zum Beispiel Frauen beileibe nicht.
Glück: Das sind alles Themen, die bei uns ja in der Diskussion sind. Ein … so pauschal beileibe nicht, kann ich aus meiner Sicht so nicht gelten lassen. Aber zum Beispiel die Situation der geschiedenen Wiederverheirateten in unserer Kirche - und zwar, das sind ja alles Menschen, denen Glaube, Kirche weiter wichtig ist - ist eines der Themen, die uns umtreibt, wo wir Veränderungsbedarf sehen, was auch innerhalb eines Jahres jetzt immer stärker schon in den Mittelpunkt damit gerückt ist.
Und es kommt auch, Gott sei Dank, und es ist ganz dringend, eine andere Einstellung zum Bereich der Homosexualität, das ist spürbar, ist im Prozess, im Gang. Aber in der Tat, das sind Beispiele, die Sie genannt haben, die sind auf der Tagesordnung, und in besonderer Weise geht es gegenwärtig auch darum, dass die Kirche nicht nach der Jugend auch noch mehr die Frauen verliert. Frauen tragen bislang schon sehr stark die Kirche, aber Frauen müssen noch mehr Verantwortung, mehr geistliche Aufgaben mitbekommen.
Brink: Wie wollen Sie aber das durchsetzen gegen Rom zum Beispiel - und ich zitiere jetzt den Kölner Weihbischof Heiner Koch, der hat gestern gesagt, er erwarte Glaubensgehorsam, und es ist frustrierend und uneffektiv, längst entschiedene Sachverhalte zum wiederholten Male zu thematisieren, und damit meint er eben Frauen zum Beispiel im Priesteramt oder das Zölibat. Wie wollen Sie sich gegenüber Rom durchsetzen?
Glück: Erstens, Frauen im Priesteramt ist nicht unser Thema, aber diakonal sind die Frauen durchaus, und das ist lehramtlich nicht negativ entschieden. Außerdem ist es ja ganz, auch bei vielen, vielen Bischöfen, ein drängendes Thema, was etwa die Situation der geschiedenen Wiederverheirateten betrifft. Zölibat kann sicher nur weltkirchlich entschieden werden, aber dass es immer wieder auf der Tagesordnung ist schon bei drei Bischofskonferenzen, zeigt, dass es die Weltkirche bewegt, und es ist letztlich, denke ich, weithin unbestritten, dass es nicht theologisch zwingend ist, dass das Zugang zum Priesteramt nur in der Form möglich ist.
Das ist allerdings auch keine Zauberlösung, aber eine Kirche, in der es nicht mehr möglich wäre, die Themen, die die Menschen bedrängen, immer wieder miteinander zu bereden, würde in einen ernsthaften, respektvollen Gespräch, die würde den Zugang zu den Menschen verlieren. Das ist auch nicht die Kirche, die wir aus dem Evangelium erleben, wo Jesus mit allen Menschen und gerade mit Menschen, die man heute zu den Randgruppen zählen würde, auf die zugegangen ist, mit ihnen gesprochen hat, und in seinem Mittelpunkt war nicht das Gesetz, sondern die Liebe. Das Gesetz ist notwendig, um den Weg zur Liebe zu finden, aber das Gesetz ist nicht Selbstzweck.
Brink: Aber in Rom sitzt ja nun auch ein deutscher Papst, ist der nicht taub?
Glück: Es gibt ja nicht nur Themen, die in Rom entschieden werden müssen, wobei die Weltkirche sicher immer fürs Ganze dann denken müsste, sehr unterschiedlichen Situationen katholischer Kirch in der Welt. Wir haben in Deutschland viele Handlungsspielräume, wo es keine Veränderung des Kirchenrechts braucht. Das drängendste Thema, das wir gegenwärtig in Deutschland haben, ist die zukünftige Struktur der Pastorale in den Diözesen, die Seelsorgerstruktur, die Pfarrstruktur. Hier werden jetzt unterschiedliche Wege gewählt, das wird ja auf Diözesanebene entschieden.
Unsere Sorge ist, dass man sich über Großpfarreien aus den Lebensräumen der Menschen zurückzieht. Es gibt viele Bistümer, die gehen einen anderen Weg, nämlich Pfarrstrukturen so weit wie irgendwie möglich im Grundsatz zu erhalten und dann über Verbundstrukturen auch mit verstärktem Einsatz von Laien in Beauftragungen mit Wortgottesdienst et cetera bei den Menschen zu bleiben - das sind Themen, die auch im Katholikentag im Mittelpunkt stehen werden.
Brink: Noch eine letzte, ganz kurze Frage: Auf was freuen Sie sich am meisten?
Glück: Auf die menschlichen Begegnungen, auf den Austausch und auf das geistliche Erlebnis.
Brink: Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück. Schönen Dank, Herr Glück, für das Gespräch!
Glück: Ich danke auch!
Brink: Und heute beginnt der Katholikentag in Mannheim.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Links bei dradio.de:
Eine zukunftsfähige katholische Kirche? -
98. Deutscher Katholikentag in Mannheim
Organisiert wird der Kirchentag vom gastgebenden Bistum, und für Mannheim ist das das Erzbistum Freiburg, und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Und dessen Präsident, Alois Glück, ist jetzt bei uns am Telefon der "Ortszeit". Schönen guten Morgen, Herr Glück!
Alois Glück: Guten Morgen!
Brink: Das zentrale Motto des Kirchentages heißt "Einen neuen Aufbruch wagen". Ist der Vertrauensverlust nach den Missbrauchsskandalen immer noch nicht überwunden?
Glück: Nun, es gehört zur Geschichte der Kirche, dass sie immer wieder neue Aufbrüche, Durchbrüche gewagt hat. So etwas geschieht immer aus besonderen Situationen heraus. Die jetzige Situation ist in mehrfacher Weise eine, die nach einem neuen Aufbruch verlangt.
Da ist sicher einmal diese Erfahrung, diese Schockwirkung des sexuellen Missbrauchs und wie damit umgegangen wurde. Das war ein großer Vertrauensverlust, und Vertrauen gewinnt man nicht so schnell zurück, es verlangt vor allen Dingen auch ein Stück Veränderungsprozess. Es ist aber auch, dass erspürbar und sichtbar, immer mehr sichtbar wird der Generationenbruch, das heißt, es gelingt immer weniger, junge Menschen zu erreichen, immer weniger getaufte und gefirmte, und insofern ist es wichtig, und es ist nicht nur ein Thema der katholischen Kirche, sondern der christlichen Kirchen insgesamt, sich damit auseinanderzusetzen, wie können wir in der Zeit von heute die Menschen von heute vertrauter machen mit der Botschaft des Evangeliums.
Das andere ist ein notwendiger Aufbruch, eine Veränderung in der Gesellschaft, denn auch hier geht ein weiter so sicher nicht mehr.
Brink: Bleiben wir ein bisschen noch bei der Kirche: Wo genau braucht die katholische Kirche einen neuen Aufbruch, bei welchen Themen?
Glück: Das Zentralkomitee hat gestern, als gewissermaßen das Leitbild, die Zukunftsvision für Kirche, beschrieben eine dem Menschen dienende Kirche. Und vor halt gut einem Jahr hat hier begonnen der Dialogprozess, eingeleitet, einberufen durch die Deutsche Bischofskonferenz, und hier war am Schluss der gemeinsame Ruf nach einer barmherzigen Pastoral, das heißt, eine Pastoral, die sich den Menschen mehr zuwendet, die dem Menschen nachgeht, bei der spürbar wird, Kirche ist nicht Selbstzweck - sie ist nicht um ihrer selbst willen da, und kreist dann um sich selbst und ist mit sich selbst beschäftigt, sondern ihre Aufgabe, ihre Stiftung ist für die Sendung, die Sendung des Evangeliums zu vermitteln, und das heißt, sich auf die Menschen zuzugehen, einzulassen. Vertrauen gewinnt man auch erst zurück, wenn man die ernst nimmt, denen zuhört, die Vertrauen verloren haben, und das umfasst nun eine ganze Bandbreite dessen, wie Kirche erlebt wird, nicht ein Bereich des Sozialen und der Caritas, wo viel Gutes in dem Sinne ja getan wird.
Brink: Aber ich darf da vielleicht ein bisschen Wasser in den Wein schütten, apropos barmherzige Kirche, das ist diese Kirche gegenüber Geschiedenen oder Homosexuellen oder auch zum Beispiel Frauen beileibe nicht.
Glück: Das sind alles Themen, die bei uns ja in der Diskussion sind. Ein … so pauschal beileibe nicht, kann ich aus meiner Sicht so nicht gelten lassen. Aber zum Beispiel die Situation der geschiedenen Wiederverheirateten in unserer Kirche - und zwar, das sind ja alles Menschen, denen Glaube, Kirche weiter wichtig ist - ist eines der Themen, die uns umtreibt, wo wir Veränderungsbedarf sehen, was auch innerhalb eines Jahres jetzt immer stärker schon in den Mittelpunkt damit gerückt ist.
Und es kommt auch, Gott sei Dank, und es ist ganz dringend, eine andere Einstellung zum Bereich der Homosexualität, das ist spürbar, ist im Prozess, im Gang. Aber in der Tat, das sind Beispiele, die Sie genannt haben, die sind auf der Tagesordnung, und in besonderer Weise geht es gegenwärtig auch darum, dass die Kirche nicht nach der Jugend auch noch mehr die Frauen verliert. Frauen tragen bislang schon sehr stark die Kirche, aber Frauen müssen noch mehr Verantwortung, mehr geistliche Aufgaben mitbekommen.
Brink: Wie wollen Sie aber das durchsetzen gegen Rom zum Beispiel - und ich zitiere jetzt den Kölner Weihbischof Heiner Koch, der hat gestern gesagt, er erwarte Glaubensgehorsam, und es ist frustrierend und uneffektiv, längst entschiedene Sachverhalte zum wiederholten Male zu thematisieren, und damit meint er eben Frauen zum Beispiel im Priesteramt oder das Zölibat. Wie wollen Sie sich gegenüber Rom durchsetzen?
Glück: Erstens, Frauen im Priesteramt ist nicht unser Thema, aber diakonal sind die Frauen durchaus, und das ist lehramtlich nicht negativ entschieden. Außerdem ist es ja ganz, auch bei vielen, vielen Bischöfen, ein drängendes Thema, was etwa die Situation der geschiedenen Wiederverheirateten betrifft. Zölibat kann sicher nur weltkirchlich entschieden werden, aber dass es immer wieder auf der Tagesordnung ist schon bei drei Bischofskonferenzen, zeigt, dass es die Weltkirche bewegt, und es ist letztlich, denke ich, weithin unbestritten, dass es nicht theologisch zwingend ist, dass das Zugang zum Priesteramt nur in der Form möglich ist.
Das ist allerdings auch keine Zauberlösung, aber eine Kirche, in der es nicht mehr möglich wäre, die Themen, die die Menschen bedrängen, immer wieder miteinander zu bereden, würde in einen ernsthaften, respektvollen Gespräch, die würde den Zugang zu den Menschen verlieren. Das ist auch nicht die Kirche, die wir aus dem Evangelium erleben, wo Jesus mit allen Menschen und gerade mit Menschen, die man heute zu den Randgruppen zählen würde, auf die zugegangen ist, mit ihnen gesprochen hat, und in seinem Mittelpunkt war nicht das Gesetz, sondern die Liebe. Das Gesetz ist notwendig, um den Weg zur Liebe zu finden, aber das Gesetz ist nicht Selbstzweck.
Brink: Aber in Rom sitzt ja nun auch ein deutscher Papst, ist der nicht taub?
Glück: Es gibt ja nicht nur Themen, die in Rom entschieden werden müssen, wobei die Weltkirche sicher immer fürs Ganze dann denken müsste, sehr unterschiedlichen Situationen katholischer Kirch in der Welt. Wir haben in Deutschland viele Handlungsspielräume, wo es keine Veränderung des Kirchenrechts braucht. Das drängendste Thema, das wir gegenwärtig in Deutschland haben, ist die zukünftige Struktur der Pastorale in den Diözesen, die Seelsorgerstruktur, die Pfarrstruktur. Hier werden jetzt unterschiedliche Wege gewählt, das wird ja auf Diözesanebene entschieden.
Unsere Sorge ist, dass man sich über Großpfarreien aus den Lebensräumen der Menschen zurückzieht. Es gibt viele Bistümer, die gehen einen anderen Weg, nämlich Pfarrstrukturen so weit wie irgendwie möglich im Grundsatz zu erhalten und dann über Verbundstrukturen auch mit verstärktem Einsatz von Laien in Beauftragungen mit Wortgottesdienst et cetera bei den Menschen zu bleiben - das sind Themen, die auch im Katholikentag im Mittelpunkt stehen werden.
Brink: Noch eine letzte, ganz kurze Frage: Auf was freuen Sie sich am meisten?
Glück: Auf die menschlichen Begegnungen, auf den Austausch und auf das geistliche Erlebnis.
Brink: Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück. Schönen Dank, Herr Glück, für das Gespräch!
Glück: Ich danke auch!
Brink: Und heute beginnt der Katholikentag in Mannheim.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Eine zukunftsfähige katholische Kirche? -
98. Deutscher Katholikentag in Mannheim