Verwechslungsspiel auf griechischer Insel
Zwei höchst unterschiedliche Männer werden auf Skios miteinander verwechselt: Der eine ein berühmter Vortragsreisender, der andere ein Hallodri mit Geliebter. Eine Kettenreaktion von Verwicklungen, Lügen und Halbwahrheiten wird ausgelöst, die den Leser viel und herzlich lachen lässt.
Irgendwo ganz weit weg, wo das Meer besonders blau und Griechenland besonders arm und besonders schön ist, waschen die ganz besonders Reichen ihr Geld in Projekten der Fred Toppler Stiftung. Die lädt alle Beteiligten einmal im Jahr auf ihr prächtiges Anwesen auf die Insel Skios, das auch gut per Yacht zu erreichen ist. Höhepunkt der Veranstaltung ist ein glanzvolles Abendessen mit Festvortrag.
Zwei Männer landen mit demselben Flugzeug auf Skios: der eine ein weltberühmter Vortragsreisender fortgeschrittenen Alters, der eben jene Rede halten soll, der andere ein berüchtigter Hallodri, der in einem Ferienhaus, das nicht ihm gehört, ein paar Tage mit einer neuen Geliebten zu verbringen gedenkt, von der er kaum weiß, wer sie ist, die ihn aber bereits nackt im Bett erwartet. Ausgesprochen unwahrscheinlich, dass diese beiden Männer verwechselt werden könnten. Genau das aber geschieht, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die überwiegende Mehrheit der Beteiligten möchte, dass es geschieht. Damit ist das Thema vorgegeben, ein Klassiker der Literatur: Wer sind wir? Wer sind die anderen? Und was von alledem ist am Ende doch nur Projektion?
Michael Frayn, Jahrgang 1933, Roman- und Bühnenautor, von der New York Times treffend als "a master farceur, both on stage and on page" gefeiert, hatte offenbar Lust auf Radau. Und so hat er sich das alte, immer aktuelle Thema vorgenommen, das, zumindest bei Frayn, obendrein idealer Nährboden für sämtliche Spielarten erfüllter und unerfüllter Liebe ist, und hat mit der Vertauschung der Identitäten eine Kettenreaktion von Verwicklungen, Verwechslungen, Erwartungen, Fehlinformationen, Lügen und Halbwahrheiten in Gang gesetzt, die sich so aberwitzig vor dem Leser auftürmen, dass der immer wieder "Halt!" schreien wollen würde, wäre das alles nicht so witzig, so pointiert, so unterhaltsam und so gut geschrieben.
Michael Frayn hat mehrfach bewiesen, wie ernsthaft er grundlegende Fragen des Lebens und der Welt zu diskutieren vermag. In "Willkommen auf Skios" macht er von Seite zu Seite unmissverständlicher klar, dass am Ende doch die Farce sein bevorzugtes Medium und in diesem die Glaubwürdigkeit die uninteressanteste aller erzählerischen Tugenden ist. Das Barockdrama hielt für den Notfall einen deus ex machina bereit. Auf Frayns fiktiver griechischer Insel ist es ein ganzer Olymp von Göttern, die wie Springteufel aus allen Richtungen auftauchen, allerdings nicht, um eine Lösung herbeizuführen, sondern um diese immer weiter hinauszuzögern. Dabei beherrscht Frayn das Spiel mit Erwartungen, die er im unberechenbaren Wechsel bedient, schürt, erfüllt oder enttäuscht, so meisterhaft, dass man ihm kaum eine der vielen Pointen übel nehmen kann. Das ist Comédie Humaine als Screwball, Conditio Humana als Slapstick, Mythos als Anekdote. Wer von seiner Sommerlektüre genau das erwartet, wird viel und herzlich lachen. Wer sich vom Thema und vom Autor mehr erhofft hat, übrigens auch.
Besprochen von Hans von Trotha
Michael Frayn: "Willkommen auf Skios"
Aus dem Englischen von Anette Grube
Hanser Verlag, München 2012
288 Seiten, 17,90 Euro
Zwei Männer landen mit demselben Flugzeug auf Skios: der eine ein weltberühmter Vortragsreisender fortgeschrittenen Alters, der eben jene Rede halten soll, der andere ein berüchtigter Hallodri, der in einem Ferienhaus, das nicht ihm gehört, ein paar Tage mit einer neuen Geliebten zu verbringen gedenkt, von der er kaum weiß, wer sie ist, die ihn aber bereits nackt im Bett erwartet. Ausgesprochen unwahrscheinlich, dass diese beiden Männer verwechselt werden könnten. Genau das aber geschieht, und zwar aus dem einfachen Grund, dass die überwiegende Mehrheit der Beteiligten möchte, dass es geschieht. Damit ist das Thema vorgegeben, ein Klassiker der Literatur: Wer sind wir? Wer sind die anderen? Und was von alledem ist am Ende doch nur Projektion?
Michael Frayn, Jahrgang 1933, Roman- und Bühnenautor, von der New York Times treffend als "a master farceur, both on stage and on page" gefeiert, hatte offenbar Lust auf Radau. Und so hat er sich das alte, immer aktuelle Thema vorgenommen, das, zumindest bei Frayn, obendrein idealer Nährboden für sämtliche Spielarten erfüllter und unerfüllter Liebe ist, und hat mit der Vertauschung der Identitäten eine Kettenreaktion von Verwicklungen, Verwechslungen, Erwartungen, Fehlinformationen, Lügen und Halbwahrheiten in Gang gesetzt, die sich so aberwitzig vor dem Leser auftürmen, dass der immer wieder "Halt!" schreien wollen würde, wäre das alles nicht so witzig, so pointiert, so unterhaltsam und so gut geschrieben.
Michael Frayn hat mehrfach bewiesen, wie ernsthaft er grundlegende Fragen des Lebens und der Welt zu diskutieren vermag. In "Willkommen auf Skios" macht er von Seite zu Seite unmissverständlicher klar, dass am Ende doch die Farce sein bevorzugtes Medium und in diesem die Glaubwürdigkeit die uninteressanteste aller erzählerischen Tugenden ist. Das Barockdrama hielt für den Notfall einen deus ex machina bereit. Auf Frayns fiktiver griechischer Insel ist es ein ganzer Olymp von Göttern, die wie Springteufel aus allen Richtungen auftauchen, allerdings nicht, um eine Lösung herbeizuführen, sondern um diese immer weiter hinauszuzögern. Dabei beherrscht Frayn das Spiel mit Erwartungen, die er im unberechenbaren Wechsel bedient, schürt, erfüllt oder enttäuscht, so meisterhaft, dass man ihm kaum eine der vielen Pointen übel nehmen kann. Das ist Comédie Humaine als Screwball, Conditio Humana als Slapstick, Mythos als Anekdote. Wer von seiner Sommerlektüre genau das erwartet, wird viel und herzlich lachen. Wer sich vom Thema und vom Autor mehr erhofft hat, übrigens auch.
Besprochen von Hans von Trotha
Michael Frayn: "Willkommen auf Skios"
Aus dem Englischen von Anette Grube
Hanser Verlag, München 2012
288 Seiten, 17,90 Euro