Verzicht
Der Überdruss am Überfluss
Der Jahreswechsel ist auch die Zeit guter Vorsätze. Und diese bestehen meistens darin, auf etwas zu verzichten. Die Zeitschrift "Wespennest" hat diesem Thema jetzt eine ganze Ausgabe gewidmet.
Verzicht sei ein unangenehmes, aber auch sehr virulentes Thema, sagt Andrea Roedig, eine der Herausgeberinnen der österreichischen Zeitschrift "Wespennest". Für sie ist Verzicht die dunkle Seite der Überflussgesellschaft, der Überdruss am Überfluss. Gleichzeitig gebe es auch die Angst vor dem Verlust von Lebensstandards durch die Klimakrise oder die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft.
Lange Zeit sei Verzicht ein Unwort gewesen und galt als lustfeindlich oder gar puritanisch. Doch in den letzten Jahren habe sich das geändert. So erwähnt Autor Alexander Rabl im "Wespennest", dass Verzicht mittlerweile eine Art Distinktionsgewinn der Mittelschicht sei, die es stolz vor sich hertrage, wenn sie auf Alkohol, Rauchen, Fleisch oder Autos verzichte.
Der Verzicht als Tauschhandel
Es gebe aber auch Unterschiede zwischen freiwilligem und erzwungenem Verzicht, unterstreicht Roedig. Letzeren erlebten zum Beispiel Menschen auf der Flucht, die Hab und Gut, Verwandte, Sprache, Gewohnheiten oder sogar Identität zurücklassen mussten. Gleichzeitig könne Verzicht aber auch etwas Befreiendes sein.
Wie im Fall des Autors Bodo Hell, der seit 43 Jahren jeden Sommer auf eine Alm geht, um dort ein karges, entbehrungsreiches Leben zu führen, bei dem er sich um Hunderte Ziegen kümmert. Im Gegenzug entkomme er so den Ablenkungen der Großstadt und könne in der Stille auf Stoff für neue Bücher kommen.
(hte)