Vespa-Fieber in München

Von Tanja Gronde |
Kaum scheinen die ersten Sonnenstrahlen in der bayerischen Landeshauptstadt, erwachen sie aus ihrem Winterschlaf. Sie sind der Albtraum der Autofahrer und Fußgänger: Italienische Wespen, präziser: Vespas. Kleine, schnittige Motorroller.
In Italien sind sie vor allem Fortbewegungsmittel, in München Kult. Wer seine Vespa auf dem Gehsteig stehen lässt, hat am nächsten Tag mit Sicherheit einen Zettel. Nein kein Politessenticket, vielmehr die Mitteilung: "Ich will ihre Vespa, was soll sie kosten?" Doch wenn sie sich einmal gefunden haben, lassen sie sich nicht mehr los: Die Wespe und ihr Fahrer. Für kein Geld der Welt.

Dort, wo noch vor einem Jahr Pizzas zum Mitnehmen gebacken wurde, dort wo sich also schon der Hauch von Italien in die Mauern niedergelassen hat, dort stehen sie - ganz deutsch, in Reih und Glied -

"Des ist ein Unisexfahrezeug , kein Geschlecht"

in knallorange, apfelgrün, postgelb, taubenblau.

Demi, noch keine 20 Jahre alt, Typ: jugendlicher Aufreißer, hat sich in der "VESBAR” gerade einen Traum erfüllt: Eine Vespa V 50 in himmelblau.

"Das war unbeschreiblich, bin totalglücklich. "

Klarer Grund für den Kauf des Rollers Baujahr 67.

"Um die Frauen aufreißen zu können: mit dem Fahrrad hats funktioniert, jetzt funktioniert's sicher auch mit der Vespa, wird sogar einiges mehr Erfolg haben. "

Damit auch andere Männer Erfolg haben, holt Jörg Steinmetz immer wieder alte Vespas aus Italien, und möbelt sie in seinem Münchner Laden auf.

"Des ist ein Stück Italien. Die Leute haben Spaß im Gegensatz zu den Autofahrern. Die beschimpfen sich gegenseitig, Rollerfahren ist relaxter. "
"Weil ich die Formen gerne habe und die Farben und die Liebe zum Bau. "

Die Rollerfans hier suchen was ganz Individuelles: Deswegen steigert ein authentischer Aufkleber mit der Aufschrift "Discoteca Cremona” den Wert.

"Is stylisch darauf rumzufahren - Ich hätt gern ne knallgelbe für den Sommer. "

Auch Risse und Rost gehören für den Liebhaber dazu. Fahrzeuge ohne Charme verkauft Jörg Steinmetz nicht - schließlich weiß der ehemalige Innenarchitekt, was Stil hat.

"Da geht ja die ganze Authentizität geht verloren, wenn man die tot restauriert.
Es scheint die Sonne, ich setz mich auf die Vespa und fahr durch München, einfach genial. "

V 50, Erste Serie, PX 200 Lusso, Primavera, das sind Worte, die Kennern auf der Zunge zergehen.

"Hauptsache sie ist alt und sie orgelt und röhrt, wenn man sie anmacht. "

Italien ade, Vespa juchee! Klar liebt der Rollerfahrer Italien, aber vor allem liebt er den Fahrtwind auf dem Weg in einen Münchner Biergarten!

"Klar ist bei mir Italien dabei, mehr international, aber klar das Lebensgefühl. "

Was die Vespa neben dem Style-Faktor noch so beliebt macht, ist ihre Machart; die hat sich seit ihrer Erfindung 1946 kaum verändert: Stahlkarosserie, perfekter Spritzschutz, direkter Hinterantrieb mit einem Motor aus dem Flugzeugbau.

"Szene is mir wuscht und es macht mir Spaß rumzuschrauben. "

Das italienische Kultobjekt ist immer noch einfach zu reparieren. Einzelteile kosten fast nix. In München ist die Rollerzentrale seit Jahren Anlaufstelle für alle, die eine Schraube, Mutter oder einen Simmerring brauchen, denn jedes Teil gibt’s hier einzeln.
Im Ersatzteillager warten Birnen, Vergaserersatzteile, Kotflügel, Tanks, Reifen, oder edle Chromteile auf ihren Einsatz, meist nicht lange:

"Der Trend geht zum Zehntroller; also ich kenn keinen der nicht weniger als drei oder vier Kisten hat. Man sieht ein Schnäppchen, Rentnerfahrzeuge, Scheunenfahrzeug und dann nimmt man die einfach mit - entweder zum Selberfahren oder Weiterverkaufen. "

Speedy repariert nicht nur jede Vespa, zu deutsch übrigens Wespe, verkauft und berät, nein er lebt das Rollerfahren. Wen wundert's, dass eines seiner Zweiräder eine rot-weiße Rennsemmel ist, verziert mit zahlreichen Aufklebern aus Italien - Modell 70er Jahre - Rock an der Agip-Tankstelle.

"Nicht großartig in Schale in Schale werfen, was kleines in der Früh zum Semmelholen fahren oder bis nach Elba runterjucken, wie wir das machen, die kann alles. "

Einmal im Jahr geht’s also auf die toskanische Insel, mit dem VespaClub aus Schottland, der in München eine Dependance hat. Da trifft sich dann alles, was zwei Rollerreifen hat. Für viele Freunde der Piaggio-Erfindung sind solche Treffen auch eine gute Informationsquelle:

"Des ist ja fast schon Kult mit den ganzen Geheimquellen, wer jetzt noch Teile für ne Lampe unten hat oder irgendwelche Zierleisten für ne VBB. "

Vespatypen gibt wie Sand an der Adria.
In München, dem Isarflorenz, der nördlichste Stadt Italiens finden sie ihr Pflaster:

"Es wackelt noch alles ein bisschen, es scheppert, man spürt noch was von der Straße. "