Massage aus der Pistole
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Die Fitness- und Wellnesswelt bringt immer wieder etwas Neues auf den Markt. Bei vielen Sportlern sind gerade Vibrationspistolen angesagt, die dabei helfen können, verhärtete Muskeln zu lockern. Doch der Nutzen ist nicht wissenschaftlich belegt.
Auf einer Behandlungsliege liegt ein junger Mann: Waschbrettbauch, muskulöse Arme und Beine – Leistungssportler. An seiner Seite Tom Pokrandt, Physiotherapeut. Er bearbeitet mit einem auf den ersten Blick martialisch wirkenden Gerät die Oberschenkel seines Patienten. Er hat eine Vibrationspistole in der Hand, die dafür sorgt, die verhärteten Muskeln zu lockern. "Das erhöht den Stoffwechsel", sagt er. "Ein ganz großes Thema ist in den letzten Jahren das Faszien-Training und auch da wird ein bisschen die Faszie gelockert über Vibration."
Die Massagepistolen sehen aus wie eine Mischung aus Pistole und Akkubohrer, wobei anstelle eines Bohrers verschiedene Aufsätze zur Verfügung stehen. Mit ihnen soll es möglich sein, unterschiedliche Weichteil-Strukturen zu lockern. Und das auch in Eigenregie vom Patienten. Der Masseur für die Sporttasche?
Ein Selbsttest an der Schulter
"Ich würde es jetzt nicht dauerhaft als Therapiemöglichkeit einsetzen, da gibt es schon ganz andere Methoden, wo man auch über Massage oder manuelle Therapie viel mehr erreichen kann, da ist auch viel wichtiger dieser Haut zu Haut Kontakt", sagt Pokrandt. "Ich sehe es eher als Ergänzung."
Was in den USA beliebt ist, landet irgendwann auch auf dem deutschen Markt. Im Internet gibt es massenhaft Videos, in denen durchtrainierte Frauen und Männer die unterschiedlichen Vibrationspistolen vorstellen und davon schwärmen, wie schnell und leicht es sei, damit muskuläre Verspannungen zu lösen. Ein Selbsttest an der Schulter. Erster Eindruck: Ein sehr starkes Kribbeln geht durch den Körper, äußerst angenehm. Drücke ich aber zu toll oder treffe ich auf einen Knochen, wird es schmerzhaft. "Man sollte schon eher auf dem Muskel bleiben und dann kann man nicht viel falsch machen."
In der Regel haben diese Geräte drei Stufen. In unterschiedlicher Frequenz und mit unterschiedlichen Amplituden wird die Muskulatur durchgerüttelt – die meisten Patienten sind angetan, sagt der Therapeut. "Meistens kam dann auch in der nächsten Behandlung gleich die Frage, ob nicht die Pistole wieder zum Einsatz kommen kann."
Zweifel am Nutzen
Wissenschaftliche Studien über den tatsächlichen Nutzen gibt es bisher kaum. Bei Nachfragen an verschiedenen sportwissenschaftlichen Instituten zum regenerativen Einsatz von Vibrationspistolen, wollte sich niemand zu den Geräten äußern. Reinhard Fengler, ehemaliger-Eishockeyprofi, Sporttherapeut und Geschäftsführer einer Physiotherapie-Praxis in Berlin, und seine Kollegen setzen die Massagepistole nicht nur bei Leistungssportlern ein. Dabei rät Fengler zu Augenmaß und Vorsicht. "Der Spitzensportler kennt vielleicht seinen Körper noch besser, aber da zu sagen, das kann jeder unbedenklich benutzen, da hätte ich echt meine Probleme mit."
Vibrationspistolen kosten zwischen 70 und mehr als 600 Euro. Kein Wunder also, dass man im Internet auch "Do it yourself-Videos", also Selbstbauanleitungen, findet, in denen Menschen sich zum Beispiel aus Stichsägen Vibrationspistolen basteln. Davon sollte man allerdings die Finger lassen.