Victor Man

Ein Maler der Zwischenwelten

Victor Man: Deutsche Bank "Artist of the Year" 2014
Victor Man, Untitled, 2012 © Courtesy of the artist
Von Jochen Stöckmann |
Der rumänische Maler Victor Man gibt öffentlich kaum etwas über sich preis: keine Interviews, nur spärliche biografische Angaben. Die Deutsche Bank KunstHalle zeigt nun seine erste große Einzelaussstellung.
Wer flüchtig hinschaut sieht einen jungen Mann, der sich selbst die Pistole ins Gesicht hält. Wer etwas länger vor dem Bild von Victor Man verharrt, erkennt anstelle des metallglänzenden Pistolenknaufs einen Totenkopf, schwarz in schwarz gemalt, der dem Betrachter entgegengrinst.
In anderen Arbeiten variiert der 1974 im rumänischen Cluj geborene Künstler das Motiv einer Frau, deren Kopf vom oberen Bildrand abgeschnitten wird. Sie hält ihn in den Händen, mal Menschenhaupt, mal Tierschädel. Die verstörenden Sujets werden wie tröstliche Ikonenmalerei präsentiert: kleine Formate im edlen Rahmen, verhalten leuchtende Farben.
Sie wirken düster – lassen aber zugleich die zarten, verschwimmenden Tönungen der Dämmerung ahnen. Man ist ein Maler der Zwischenwelten, meidet alles Eindeutige. Und liebt Anspielungen – die im Zweifelsfall dann doch einmal plakativ ausfallen: Für diese Berliner Ausstellung hat er exklusiv ein gläsernes Objekt geschaffen.
Die abstrakte Komposition aus dynamisch arrangierten Splittern ruft das Bild jenes Glasers auf, den einst Baudelaire in seinem Prosagedicht "Spleen de Paris" auftreten ließ, das Tragegestell auf dem Rücken. Und darin, wie der Dichter forderte, buntes Glas – "rosa, rotes, blaues, magisches, paradiesisches Glas".
Was Victor Man hier umsetzt, ist ein poetisches, oft verwendetes Zitat aus dem 19. Jahrhundert. Aber er tut es auf seine ganz eigene Weise. Kurator Friedhelm Hütte:
"Es ist völlig eigenständig, individuell und das absolute Gegenteil von zeitgeistig im negativen Sinne. Es ist sehr zeitgenössisch, weil er eben auch – wenn man genau hinschaut – aktuelle Momente hineinnimmt und Motive, die er teilweise verwandelt. Aber die sind eben auch immer verbunden mit einem Rückblick in die Geschichte, mit sehr subjektiven Vorstellungen und Gedanken."
Das Motiv einer unheimlichen Macht
Davon gibt Victor Man nur in seinen Bildern etwas preis: keine Interviews, nur spärliche biografische Angaben. Ein Anhaltspunkt ist seine persönliche Auswahl von zwei Texten für den Katalog, surreale Kurzgeschichten von Alexandru Mociu-Sudinski, einem unter Ceausescu verfolgten Autor, der 1992 alle Papiere verbrannte und als Vagabund abtauchte.
Da gibt es das Motiv einer unheimlichen Macht, die dem Künstler die Hand beim Zeichnen führt. Außerdem fünf Walfische, die über Gehsteige promenieren, dann aber auf dem Trockenen landen und deren Verwesungsdunst durch die Stadt kriecht, als Gestank, heiß und schwer, der "Zephir" genannt wird. Diesen Titel hat Man jetzt auch für seine erste große Einzelaussstellung gewählt. Wohl wissend, dass "Zephir" ursprünglich eine Lichtgestalt aus Göttersagen ist, zugleich der Name für den sanften Westwind.
Dieser Strategie der Verrätselung folgt der in der Antike bewanderte und mit allen Wassern der Moderne gewaschene Maler auch mit seinem Bild „Grand Practice“, einem Pferdekopf, das auf wackligen Menschenbeinen steht. So sieht sie aus, die Umkehrung, die Inversion des Fabelwesens, das für gewöhnlich Zentaur genannt wird.
Das hört sich womöglich an, als würde hier ein Katalog für Bildungsbürger aufgeblättert. Oder, modischer formuliert, nach einem „sampling“, wie es weltweit üblich geworden ist in Zeiten globaler Kommunikationszusammenhänge. Friedhelm Hütte:
"'Global' ist sicherlich das falsche Wort, er ist jemand, der in seinem Kulturraum – also Italien, Frankreich, Rumänien – da zu den Wurzeln geht und das alles zusammenbringt und auch mit modernen Elementen verbindet."
Latexanzug und Gummimaske
Zwei Bilder, darunter ein Mensch, wohl eine Frau, in Latexanzug und mit Gummimaske, hat Victor Man ganz archaisch auf Tierfellen drapiert. Auch da stellt sich das für diesen Künstler so typische Oszillieren zwischen gegensätzlich aufgeladenen Polen ein. Und Man demonstriert die Vielschichtigkeit nicht nur der Bedeutungsebenen, sondern auch der Farben und vor allem seiner künstlerischen Techniken:
"Es handelt sich eben bei seinen Arbeiten um Werke, die sich der Reproduzierbarkeit und der Vervielfältigung ziemlich radikal widersetzen. Ich denke, die wirkliche Welt des Victor Man erschließt sich nur in der Betrachtung der Originale hier in der Kunsthalle."
Unterdessen aber arbeitet der Künstler des Jahres in seinem Berliner Atelier – oder in der Abgeschiedenheit seiner rumänischen Heimat – vermutlich bereits an einer weiteren, wiederum ganz anderen Welt. Er ist eben nicht so einfach zu fassen, dieser Victor Man.