Videokunst

Irrsinn der Informationsgesellschaft im Visier

Zwei Besucher betrachten Videoinstallation
"Sieben bis zehn Millionen": Eine der Videoinstallationen von Stefan Panhans im Haus am Waldsee © dpa / picture alliance / Friso Gentsch
Von Barbara Wiegand |
Verwirrend, verstörend, ohne Schnitte: Die Videos des Hamburger Medienkünstlers Stefan Panhans faszinieren. Sie sind rätselhafter Spiegel der Gesellschaft im digitalen Zeitalter - zu sehen im Berliner Haus am Waldsee.
"Unsere Aperitif Empfehlung: Hausgemachte Artischocken Ravioli mit Pinienkernen 9,90 Euro" – "Ich kann die komischen Dinger nicht kapieren, die mir die senden. All die Files die ich hier rein kriege, ich versteh’s nicht, alles total durcheinander da" – "Ich würde so gern kurz mal nach Indonesien und diese Kur machen, die Panchakarma-Kur ist im Gegensatz zur Wellness-Kur als eine ayurvedische Therapie zu sehen."
Eine junge Frau hockt vor ihrem Bett mit einem Trekking Rucksack auf dem Rücken und liest rasant aus einer Speisekarte vor – um sich danach in einer Yogaübung zu entspannen. In einem anderen Film sitzen eine Politesse und ein Cowboy in trauter Zweisamkeit am Lagerfeuer – und fabulieren jeder für sich über Ayurveda Kuren in Indonesien und Botschaften aus dem Cyperspace, während nebenan ein Dalmatiner und eine Mixtur aus Talibankämpfer und Peter Pan neben einem Rennmotorrad auf wer weiß was oder wen warten.
Was ist da los? – Fragt man sich angesichts der wirren Bilder, die da im Haus am Waldsee über diverse Leinwände flimmern, begleitet von sich filmübergreifend vermengenden Soundtracks.
"Störung instrumenteller Kommunikation"
Stefan Panhans: "Wie, glaube ich, in unser aller Leben relativ absurde Situationen vorkommen, die wir vielleicht gar nicht so als Solches wahrnehmen. Andererseits ist es auch so, dass ich einen experimentellen Ansatz habe und versuche Dinge zusammenzubringen, die erstmal keinen thematischen Sinn oder Zweck haben. Es geht eher um eine Störung, eine Behinderung eines ständig schneller werdenden und fließenden Flusses von instrumenteller Kommunikation oder wie man das alles nennt."
Panhans ist in Chatrooms, auf Facebook und sonstigen Internetseiten unterwegs, beobachtet im Grenzland zwischen analoger und digitaler Wirklichkeit die Menschen, deren Privatsein im Zeitalter global vernetzter Kommunikation immer öffentlicher wird.
Haus am Waldsee in Berlin
Die Ausstellung ist im Berliner Museum "Haus am Waldsee" noch bis zum 16. März zu sehen© dpa / picture alliance / Robert Schlesinger
"Nachdem ich schon einige Arbeiten gemacht habe, habe ich die Arbeit der Situationisten kennengelernt. Es geht da um ein Umherschweifen in der Stadt. Bei mir kommt da noch das Internet dazu. Das Fernsehen. Printmedien. So ein multimedialer Raum, in dem ich mich herumtreibe. Und dann bildet sich so eine Art Palimpsest in mir. Und wenn es dann darum geht, wieder eine neue Arbeit zu machen, dann wird in mehreren Sitzungen hintereinander collagenhaft etwas entwickelt. Und dann entwickelt es sich noch mal weiter, wenn man konkret an die Arbeit geht. Mit Schauspielern, Kostümen, Setting und so weiter."
Ganz im Gegensatz zu seinen Quellen mit ihren medialen Bilderfluten bevorzugt Stefan Panhans die Standkamera: Es gibt keinen Schnitt, keinen Zoom oder Schwenk und meist nur eine Einstellung. Mit viel Liebe zum absurd alltäglichen Detail verdichtet der in Berlin lebende Künstler seiner Inszenierungen zu einem immer wieder kuriosen Kammerspiel, bei dem es lohnt, genau hinzusehen, aber auch hinzuhören.
Konsum ist harte Arbeit
Etwa wenn eine Frau mit Dreitagebart und Daunenjacke im künstlichem Schneetreiben ihre Jagd nach dem optimalen High Tech Gerät schildert. Wobei sie sich immer mehr in ihre Geschichte hereinsteigert, so dass einem klar wird: Konsum ist kein reines Kaufvergnügen – sondern harte Arbeit:
"Du rennst dann 10.000 Mal hin und her. Durch die ganzen Gänge, ja. Und fummelst und scannst und checkst rum, vergleichst. Und irgendwie hast du dauernd das Gefühl, vielleicht im entscheidenden Moment etwas vergessen zu checken. Das Wichtigste wäre genau mal wieder das, was du nicht weißt. Eine neue Schnittstellentechnik oder so was, was du trotz der ganzen 'Checkerei' blöderweise wieder mal nicht mitbekommen hast. Oder vergessen hast. Und schon haben sie dich wieder dran gekriegt, weil man eben genau das Teil ab der nächsten Woche haben muss."
Mehr noch als die Bilder sind Stefan Panhans Texte schön schräge Collagen und damit unverzichtbarer Teil seiner Arbeiten. Arbeiten, in denen er den ganz alltäglichen Irrsinn unserer Informationsgesellschaft ins ironische Visier nimmt: Man lacht – und fühlt mit, mit den Gestalten, denen man begegnet. Denn egal, ob einer oder mehrere: die Protagonisten in Stefan Panhans Videos wirken immer verloren, allein mit sich. Und so komisch das wirkt, in seiner Übertreibung, so tragisch ist es im Grunde auch:
Stefan Panhans: "Es ist ja schon so, dass es meistens Situationen sind, die an Träume erinnern können. Für Manche wird das eher ein Albtraum sein, Andere mögen sich amüsieren."
Passenderweise hat man im Haus am Waldsee die Fenster abgedunkelt. Im Dämmerlicht der Villa entführen einen die Bilder und Worte in ein Reich der Fantasie – total absurd – und zugleich ganz normal. Es ist ein faszinierender Spiegel des Lebens in multimedialen Zeiten, den uns Stefan Panhans hier vorhält.

Haus am Waldsee – Internationale Kunst in Berlin
Argentinische Allee 30, 14163 Berlin
19. Januar 2014 – 16. März 2014
Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr
7 Euro, ermäßigt 5 Euro Eintritt
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