Videospiel-Emulatoren

Zwischen kommerzieller Verwertung und schützenswertem Kulturgut

Ein Nintendo SNES-Controller vor einem Röhrenfernseher
Nintendos Spiele dürften zu denen gehören, die am häufigsten emuliert werden. Gleichzeitig gilt Nintendo als eine der klagefreudigsten Firmen der Branche. © picture alliance / dpa-tmn / Caroline Seidel
Moderation: Dennis Kogel und Jenny Genzmer |
Das Lieblingsspiel aus der Kindheit? Läuft auf modernen Computern vermutlich nicht mehr. Gegen dieses Verschwinden kultureller Artefakte – nicht nur bei Videospielen – kämpfen viele Freiwillige. Doch vielen Rechteinhabern ist das ein Dorn im Auge.
Für viele ist es mit großen Gefühlen und den ersten Erfahrungen mit Videospielen verknüpft: Monkey Island, das klassische Point’n’Click Adventure über den trotteligen Piraten Guybrush Threepwood. Hinter dem Spiel steckt das mittlerweile geschlossene Studio Lucasfilm Games (später: LucasArts), das für viele der wichtigsten Spiele der 90er-Jahre steckt: Indiana Jones, Maniac Mansion und eben Monkey Island.
Neben dem Genre haben die Titel auch die Entwicklungsumgebung "SCUMM" und noch eine Sache gemeinsam: Sie wären fast in der Versenkung verschwunden. Denn auf vielen modernen PCs und Konsolen funktionierte diese Codebasis einfach nicht.
Die Lösung dieses Problems ist eine Software namens "ScummVM". Dieses kostenloses und von Freiwilligen gepflegte Programm ermöglicht, die Klassiker weiterhin auf allen möglichen Plattformen zu spielen – vom nagelneuen Computer bis zum Smartphone. Dafür baut "ScummVM" eine virtuelle Umgebung, die Funktionen der alten PCs nachbaut. Jetzt feiert dieses Werkzeug seinen 20. Geburtstag.

Anerkennung vom großen Vorbild

Zu den Gratulanten, die dem Team hinter "ScummVM" Respekt zollen, gehört auch Ron Gilbert, den man wohl als echte Entwicklerlegende bezeichnen kann. Er ist einer der Köpfe hinter Spielen wie Monkey Island und Maniac Mansion und wurde mit vielen Preisen ausgezeichnet. Für ihn ist "ScummVM" ein technisches Meisterwerk.
"Dass sie die Engine rückentwickelt haben, um sie zu verstehen, das hat mich umgehauen. Ich weiß ja selbst, wie schwierig es war, das Original zu schreiben, mit all den merkwürdigen Tricks, die wir damals benutzt haben. Unsere Rechner damals waren nicht so fortschrittlich wie heute und wir mussten jeden einzelnen Trick ausnutzen, um die Pixel auf den Bildschirm zu bringen."
Die Entstehung von ScummVM selbst sei dabei eher zufällig passiert, sagt Lothar Serra Mari, ein deutscher Programmierer, der im Leitungsteam der Software arbeitet. Diese entstand nämlich als Zusammenschluss zweier Hobbyprojekte, die einfach nur verstehen wollten, wie "SCUMM" funktioniert. Die Spiele zum Laufen zu bringen, war damals noch nicht Teil des Plans.
Doch das Team wuchs und irgendwann kam die Ambition: Können wir damit nicht diese Spiele, die viele Menschen sehr lieben und auch sehr vermissen, nicht zurückbringen? Am 8. Oktober 2001 startete "ScummVM" in einer ersten Version die nur Monkey Island 2 unterstützte. Heute können 250 alte Spiele dank der Software auf modernen Systemen gespielt werden.

Angst vor kommerziellen Einbußen

Aber es gibt auch Gegenwind: Spiele-Publisher, also die Verlage, denen üblicherweise die Rechte gehören, sehen solche Bemühungen oft kritisch, erklärt der Fachanwalt für IT-Recht, Christian Rauda:
"Ein Publisher hat natürlich starke wirtschaftliche Interessen und überlegt auf gut Deutsch: Kann ich mit diesem Werk in Zukunft noch Geld verdienen?"
Deshalb gehen die Rechteinhaber oft gegen Internetseiten vor, die ermöglichen, alte Spiele auf ihren Webseiten zu spielen, oder die dafür nötigen Dateien, sogenannte ROMs, herunterzuladen. Solche Angebote sind zum Teil sehr beliebt und nehmen Geld durch Werbeeinblendungen ein.
Vielen Publishern ist das aber ein Dorn im Auge, weshalb sie rechtliche Schritte gegen die Betreiber dieser Seiten einleiten und sie häufig auch dazu zwingen, ihren Betrieb einzustellen. Die Begründung: Es wird dabei gegen das Urheberrecht verstoßen und es wird durch diese Verbreitung illegaler Kopien schwieriger, Geld mit dem geistigen Eigentum zu verdienen.
Bei Spielen ist dieser Urheberrechtsverstoß ziemlich offensichtlich, doch auch viele Emulatoren, Programme, die alte Hardware imitieren, sind nicht legal. Denn sobald sie einen Code verwenden, der aus der Originalhardware oder dem Betriebssystem stammt, ist auch das eine Verletzung des Urheberrechts.

Ein riesiges Problem für Archivare

"ScummVM" fällt dabei nicht unter diese Definition eines Emulators und es wird kein alter Code wiederverwendet. Trotzdem hatte LucasArts, die Firma, hinter Monkey Island und Co. binnen eines Jahres eine Klage eingereicht, die mit viel Aufwand bekämpft werden musste.
Diese Aversion von Rechteinhabern gegen Emulatoren, hat dabei auch große Auswirkungen auf Archive und Mussen, die digitale Kultur – egal ob Spiele, Software oder auch digitale Kunstwerke – erhalten wollen. Momentan sei es so, dass fast jeden Tag neue Datenformate entstünden, die wieder aufwendig kompatibel gemacht werden müssten, um diese Artefakte der Menschheit am Leben zu erhalten, erklärt Dr. Klaus Rechert, Forscher an der Universität Freiburg. Darum sei die Emulation ganzer Systeme eigentlich sehr sinnvoller:
"Ohne Emulation wären viele Dinge oder werden viele Dinge in Zukunft nicht mehr authentisch nutzbar." Doch die verworrene Rechtslage macht das schwer: "Das führt tatsächlich zum Paradox, dass Sie ein Kunstwerk aus den frühen 90ern haben, das auf einem alten Apple läuft und sie zwar die Rechte am Kunstwerk haben, aber es sehr schwierig ist, an eine Lizenz zu kommen, dieses Kunstwerk in der Cloud zu zeigen."
Eine Anpassung des Urheberrechts, die die Arbeit von Archiven und Museen vereinfachen würde, ist aktuell nicht in Sicht. Deshalb sieht Rechert die Zukunft digitaler Artefakte aktuell eher düster:
"Irgendwann werden wir auf die Zeit der 90er, Anfang der Nuller, zurückblicken und davon wird dann wenig übrig sein. Oder wir werden dann anfangen müssen, die Artefakte, die wir finden, zu interpretieren."
Mehr zum Thema