Videospiel-Förderung
Ohne klare Planbarkeit rund um die Videospielförderung tapsen Spielestudios aktuell im Dunkeln. © imago images / fStop Images / Malte Mueller via www.imago-images.de
Erdbeben in der Gaming-Branche
08:25 Minuten
Die deutsche Videospiel-Branche ist im Aufschwung. Das hängt auch mit einer staatlichen Förderung zusammen, die seit 2019 ausgeschüttet wird. Doch jetzt ist der Topf leer – auch für nächstes Jahr. Viele Entwickler bangen nun um ihre Zukunft.
Videospiele erzielen in Deutschland jedes Jahr zehn Milliarden Euro Umsatz. Das macht die Bundesrepublik zum fünftgrößten Markt der Welt und zu Europas Marktführer. Doch nur fünf Prozent davon landen auch bei deutschen Spielestudios. Um das zu ändern, und um einen größeren Anteil davon im Land zu halten, wurde 2019 eine staatliche Förderung für Videospielentwicklung eingeführt.
Doch diese Woche kam die Meldung, dass das jährliche Budget von 50 Millionen Euro aus dem Fördertopf nicht nur für 2022, sondern auch das gesamte nächste Jahr schon verplant ist, weshalb ein Stopp für neue Anträge verhängt wurde. Nur bereits bewilligte Projekte erhalten noch Geld – und das, obwohl ein Aufbau von Deutschland als Spielestandort sogar im Koalitionsvertrag verankert ist.
Ohne die Förderung sei es jedoch in der Bundesrepublik schwierig, konkurrenzfähig zu bleiben, erklärt Felix Falk, Geschäftsführer des Verbands “Game”, dem Verband der deutschen Videospiel-Branche. Denn ohne die Subvention lägen die Produktionskosten bis 30 Prozent über denen anderer Länder.
Das macht deutsche Entwicklungen auch für Investoren, die oft aus dem Ausland kommen, weniger attraktiv, sagt Riad Djemili, Geschäftsführer des Spielestudios Maschinen-Mensch, das unter anderem die Curious-Expedition-Reihe macht:
“Wenn ich zu einem Publisher gehe, also zu einem Vertrieb, der auch oft das Spiel mitfinanziert, der sieht dann ganz viele Bewerbungen, – Tausende teilweise. Und da konkurrieren natürlich mit allen anderen Studios aus der Welt.”
Es geht um das Image vom Spielestandort Deutschland
Die Förderung ist aber ein zweischneidiges Schwert, denn sie wird von Anfang an mit eingepreist. Was das heißen kann, beschreibt Djemili:
Meine Erfahrung ist: Wenn wir Publishern pitchen, wir brauchen fünf Millionen, dann sagen die: Alles klar, also 2,5 Millionen, weil die Förderung kriegt ihr ja.
Wenn diese Förderung jetzt aber auf einmal wegfällt, dann sind natürlich auch die Verträge mit Publishern und Investoren hinfällig, weil fest eingeplant war, dass es diesen Zuschuss geben wird. Und man kann das vertraglich vereinbarte Spiel nicht für die Hälfte des Budgets produzieren.
Das Ausbleiben der Förderung birgt also die Gefahr, dass die Zuverlässigkeit von Deutschland als Standort infrage steht. Denn das Ziel ist ja nicht, einzelne Spiele, sondern eine Branche zu fördern. Und das geht nicht ohne Planbarkeit.
Das Subventionswettrennen
Eine weitere Gefahr ist, dass Staaten sich gegenseitig mit immer größeren Summen überbieten, um nicht nur konkurrenzfähig zu bleiben, sondern andere Länder aus dem Markt zu preisen.
Damit das nicht passiert, hat der Verband Game, der damals die Förderung in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung ausgearbeitet hat, darauf geachtet, mit Ländern wie Frankreich und England gleichzuziehen und sie nicht zu überbieten.
Trotzdem wäre es eigentlich schöner, wenn es ohne ginge, sagt der parlamentarische Staatssekretär Michael Kellner:
Am allerbesten wäre es, es gibt faire Wettbewerbsbedingungen in allen Ländern und keinen Förderwettlauf. Aber da wir diesen Förderwettlauf haben, ist natürlich auch unser Interesse, dass Wertschöpfung auch in Deutschland stattfindet und dass sich hier die großen Spielstudios ansiedeln und hier auch Spiele entwickelt werden.
Förderung kann sich lohnen
Wenn das gelingt, kann sich die Investition sogar rentieren. Das zeigt das Beispiel Frankreich. Denn nach Erhebungen der dortigen Regierung führt jeder Euro Förderung zu 1,80 Euro mehr Steuereinnahmen und acht Euro zusätzlicher Investition in das Land, so Felix Falk.
In diesem Zusammenhang scheint es sinnvoll, dass auch hierzulande die Förderung von Videospielen weiter gestärkt wird – wie ja auch im Koalitionsvertrag vorgesehen. Dass das gesamte Budget für nächstes Jahr trotzdem schon aufgebraucht ist, liegt an der Art, wie das System aufgebaut ist. Denn es gibt einen großen Topf, aus dem so lange verteilt wird, bis nichts mehr übrig ist, erklärt Michael Kellner, der für die Förderung zuständige parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.
Auch deshalb sei für 2023 geplant, dass die Regierung einen Rückblick auf die bisherige Förderung wirft und sich überlegt, wie genau es weitergehen soll. Bis dahin ist für die Branche jedoch noch nicht alles verloren. Am 10. November findet im Bundestag die sogenannte Bereinigungssitzung statt, wo der Haushaltsbedarf fürs nächste Jahr durchgegangen wird.
Alle Seiten signalisieren, dass sie noch einmal Geld für die Videospielförderung aus nicht verwendeten Budgets an anderer Stelle umschichten wollen. Das hat zum Beispiel der Haushaltspolitische Sprecher der FDP, Otto Fricke, im Gespräch mit Game-Geschäftsführer Felix Falk gesagt, aber auch Michael Kellner von den Grünen ist dafür.
Die Branche wächst
Die bisherigen drei Jahre Förderung scheinen sich ausgezahlt zu haben. Dabei hatte Game eigentlich damit gerechnet, dass positive Entwicklungen etwas mehr Zeit brauchen.
Doch Felix Falk sagt, dass der Verband innerhalb von zwei Jahren zwölf Prozent mehr Fachkräfte und 26 Prozent mehr Unternehmensgründungen in der Branche beobachten konnte. Dazu berichten die Game-Mitglieder, dass der Umfang ihrer Spiele um 50 - 200 Prozent wachsen konnte, was sie auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger macht. Gerade beim Nachwuchs mache sie die Förderung bemerkbar:
“Ganz viele, die zum Beispiel von der Uni kommen und Gamedesign oder Games-Grafik gelernt haben, trauen sich jetzt auch ihr eigenes Unternehmen zu gründen, weil sie sagen: Okay, ich trau mir jetzt zu, das wie in Frankreich und England auch finanzieren zu können mit der Games-Förderung.”
Die Alternative zum großen Fördertopf
Eine Option, um mit der wachsenden Spielebranche mitzuhalten, hat das ursprüngliche Förderkonzept von Game vorgesehen. Hier war der Plan, die Summe von 50 Millionen Euro jedes Jahr um zehn Millionen Euro zu erhöhen – bis 100 Millionen Euro pro Jahr erreicht sind.
Eine andere Option wäre, das Konzept anderer Länder zu kopieren. Denn bei vielen gibt es keinen festen Topf, sondern sie arbeiten mit Steuererleichterungen. Das hat den großen Vorteil, dass es keinen Deckel gibt und man sich an tatsächlichen Einnahmen orientieren kann. Für den zuständigen parlamentarischen Staatssekretär Kellner ist das durchaus eine Variante, die für die Überprüfung nächsten Jahr im Raum steht.
Doch egal, welches Konzept am Ende gewinnt, für Spieleentwickler Riad Djemili zählt vor allem eins:
"Was jetzt wichtig wäre – insgesamt für uns Unternehmer – ist, dass es planbarer wird. Dass wir einfach verlässlich wissen, dass die Computerspiele-Förderung für mehrere Jahre bestehen bleibt und dass wir auf mehrere Jahre hinaus verlässlich planen können und sagen können: In dem Jahr wird dieses Instrument zur Verfügung stehen oder nicht."