Viel mehr als nur türkisch und lesbisch

Von Irene Hummel |
Die Berlinerin Ipek Ipekcioglu ist international bekannt als DJ für Partys mit orientalischem Einschlag. Jede Tanzfläche füllt sich rasend schnell, wenn Ipek ihren Mix aus Orientalischem, Clubsounds und Gay-Klassikern auspackt. Bekannt wurde DJ Ipek durch die Partyreihe "Gayhane", die erste Party für türkische Lesben und Schwule. Inzwischen legt sie aber überall auf der Welt auf, nicht nur in der Homosexuellen-Szene.
"Wer bin ich heute? Ich bin Ipek. Ich bin Migrantin zweiter Generation aus der Türkei, die in Deutschland lebt. Ich bin lesbisch, ich bin feministisch, ich bin ein Club-Mädchen - also ich gehe gern aus, ich arbeite als DJ, habe Sozialpädagogik studiert, Jura abgebrochen, wer bin ich noch?"

Eine ruhige Nebenstraße in Berlin-Neukölln, eine schöne große Altbauwohnung, hier wohnt Ipek Ipekcioglu mit ihrer Familie - zwei Katzen, einem Hund und mit ihrer Freundin.

"Früher war ich glaube ich eher so: ja, ich bin lesbisch, türkisch - und dann kam mein Name. Und jetzt bin ich Ipek."

Die fast schwarzen Haare fallen ihr gewollt zottelig weit in die Stirn und bis auf die Schultern. Unter dichten schwarzen Augenbrauen funkeln neugierige braune Augen. In legerer Freizeitkleidung, mit glitzernden Ohrringen und einem Lippen-Piercing macht die 35-Jährige einen jugendlich-unbeschwerten Eindruck.

Zu ihren Auftritten am DJ-Pult erscheint Ipek schon mal mit Kopftuch oder sogar im Tschador, aufzufallen gehört zur Show dazu, und sie weiß ihre Bühne zu nutzen. Nach dem 11.September 2001 war auf ihrem T-Shirt zu lesen:

"'Don´t Panic - I´m Islamic'. Weil auch in Deutschland die Islamophobia sich immer mehr verstärkt hatte gegenüber Migranten. Also, ja, ich fühle mich dem Allah nahe, Islam ist meine Religion. Ich mag aber die Politisierung des Islam nicht. Ich mag es nicht, was Islamisten daraus machen."

Ipeks Mutter zog nach dem Unfalltod des Vaters ihre Kinder alleine groß, Teile ihrer Kindheit verbrachten alle vier in der Türkei: im Internat und bei den Großeltern in Izmir.

"Ich bin ja ein Kofferkind. Das heißt, ich wurde wie ein Koffer durch die Gegend getragen, zwischen Deutschland und Türkei (lacht)."

Mit zehn kommt Ipek dann endgültig nach Berlin, schließt hier die Schule ab und studiert Sozialpädagogik bis zum Diplom. Schon als Jugendliche hatte sie sich nur in Mädchen verliebt.

Mit Mitte 20 dann sucht sie offensiv den Austausch mit anderen türkischstämmigen Lesben. Ihr Ziel: mehr Sichtbarkeit in der deutschen Gesellschaft!

Da kommt vor neun Jahren die Anfrage des SO 36 gerade recht: der Kreuzberger Kult-Club sucht einen DJ für die neue Partyreihe "Gayhane", die erste Party für türkische Lesben und Schwule.

Ihren Lebensunterhalt finanziert Ipek jedoch nicht mit lesbisch-schwulen Szene-Partys allein, sondern vor allem durch DJ-Jobs weltweit, mit gemischtem Publikum. So trat sie bisher unter anderem in New York und Tel Aviv, in Mali, Brasilien und in China auf.

"Ich lege so auf, glaube ich, wie ich selber tanzen würde."

Musik: Belkis Özener "Sevemedim Karagözlum"

"Das ist ein alter Song aus den 60er Jahren, einfach nur mit einer wunderbaren Stimme, mit hochtraurigen Lyrics. Heißt: Hey, meine Schwarzäugige, ich durfte dich nicht lieben. Was liebe ich sonst: Sema Mutlu mit ihrem Lied 'Warum kannst du mich nicht lieben'. Nein, ich leide nicht unter Liebeskummer (lacht), aber ich mag halt Dramatik."

"Ipek bedeutet Seide, mein Nachname Ipekcioglu bedeutet Seidenmachersohn. Meine Mutter dachte wohl, ich könnte irgendwann ja eine berühmte Autorin werden und dann wäre es gut, so einen Namen zu haben. Also Ruhm hat sie mir, glaube ich, insgeheim schon in die Wiege gelegt."

Ob die Mutter dabei wohl an den Ruhm als DJ und obendrein als die bekannteste deutsch-türkische Lesbe dachte? Das darf bezweifelt werden. Doch den Weg dahin hat sie für Ipek durchaus geebnet.

"Sie war von Grund auf eine Rebellin, die die ganzen konservativen Muster zu durchbrechen versuchte. Und das hat sie natürlich auch versucht mir weiterzugeben. Also bin ich feministisch dann aufgewachsen."

Als Ipek ihrer Mutter erzählt, dass sie sich schon seit der Pubertät in Mädchen verlieben würde, sagt die:

"'Tu nichts was du bereust, aber wenn du es tust, dann steh dazu.' Und mein Großvater hat mich halt in der Türkei gefragt: Ey, du bist Studentin, wofür brauchst du da ein Auto - schleppst du damit Jungs oder Mädchen ab? Da habe ich ihn angeguckt und habe gegrinst und 'Mädchen' gesagt."

Homosexualität ist in der Türkei zwar nicht gesetzlich verboten oder sogar, wie im Nachbarland Iran, mit der Todesstrafe bedroht. Aber dafür sei das Thema in der Türkei gesellschaftlich stark tabuisiert, bestätigt Ipek.

"Müzeyyen Senar hat das ja mal vor Jahren gesagt, dass sie lesbisch sei - aber niemand redet darüber. Und Müzeyyen Senar ist eine hochachtungsvolle sehr respektierte Sängerin in der Türkei, die jetzt im Alter von 80 ist. Aber würdest du jetzt in der Türkei irgendeinen x-beliebigen Bürger fragen, ob es irgendeinen lesbisch-schwulen Sänger gibt, würde er sagen: nein, das gibt's hier nicht."

Damit sich das ändert und Lesben und Schwule im türkischen Alltag sichtbarer werden, findet in Istanbul die "Pride-Week" statt, dieses Jahr zum zehnten Mal. Ipek wurde als Party-DJ eingeladen.

"Aber natürlich werde ich auf der Demonstration mitmachen und die lesbisch-schwule Flagge natürlich auch mit tragen."