Es ist sehr wichtig, dass wir in Deutschland gemeinsam für orthodoxe Belange eintreten und eine gemeinsame Stimme haben in diesem Land. Wir sind keine zu unterschätzende Minorität mehr.
Vielfalt in der orthodoxen Kirche
Im Dialog: Bischof Emmanuel von Christoupolis setzt sich für den Austausch zwischen orthodoxen Traditionen mit anderen christlichen Konfessionen ein. © picture alliance / dpa / Christophe Gateau
Die anderen Geschwister
87:38 Minuten
Rund drei Millionen Menschen in Deutschland gehören der orthodoxen Kirche an. Sie versteht sich als Einheit, trotz unterschiedlicher Patriarchen, Sprachen und Traditionen. Auch politisch sind die Dinge kompliziert.
Symphonia meint in der orthodoxen Theologie das harmonische Zusammenspiel von Kirche und Staat. Die Wurzeln liegen im byzantinischen Reich, als die beiden Bereiche nicht so scharf getrennt waren. Die Idee sei lange wichtig geblieben, sagt der katholische Theologe und Ostkirchenkundler Thomas Bremer: „Wir können Reflexe davon heute noch in der Orthodoxie sehen.“
Schwieriges Verhältnis zur Politik
Als Beispiel führt die aus Belarus stammende Religionspädagogin Yauheniya Danilovich ihr Herkunftsland an. Dort habe die Kirche nicht einmal auf die Inhaftierung und strafrechtliche Verfolgung eines Priesters reagiert. "Eine starke Umarmung des Staates kann auch das kirchliche Leben und die Stimme der Kirche zum Verstummen bringen", warnt Danilovich.
Sie habe sehr gemischte Gefühle, wenn in der Göttlichen Liturgie, der orthodoxen Eucharistiefeier, für den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill gebetet werde. „Deswegen kann ich nicht sagen: Politik ist das eine, die Kirche etwas anderes. Gerade in der Situation in der Ukraine sehen wir das sehr deutlich.“ Patriarch Kyrill unterstützt den russischen Präsidenten Wladimir Putin und hat erklärt, russischen Soldaten, die im Kampf sterben, seien ihre Sünden vergeben, weil sie sich opferten.
Zwei unterschiedliche Blöcke
Der Krieg in der Ukraine ist nicht der einzige Konfliktpunkt. Schon im Vorfeld des panorthodoxen Konzils 2016 haben sich tiefe Gräben innerhalb der orthodoxen Kirche aufgetan. Thomas Bremer warnt zwar davor, alle Mitglieder einer Kirche über einen Kamm zu scheren. Doch erkennt er grundsätzlich zwei sich gegenüberstehende Blöcke.
„Ich würde sagen, dass die griechisch geprägte Orthodoxie versteht, dass sie in einer modernen Welt lebt und dass sie überlegt, wie orthodoxes Leben und Glauben in dieser Moderne funktionieren kann“, sagt Bremer. Die russisch-orthodoxe Kirche sehe dagegen die Moderne eher als etwas Abzulehnendes und versuche, sich in ein Bollwerk zurückzuziehen.
Für Bischof Emmanuel von Christoupolis, der zur griechisch-orthodoxen Metropolie in Deutschland zählt, sind die Auswirkungen des globalen Streits auf die lokale Zusammenarbeit in der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland bedauerlich.
Die russisch-orthodoxe Kirche lässt bereits seit 2018 ihre Mitgliedschaft in der Bischofskonferenz ruhen. Kommunikationskanäle gebe es aber weiterhin, betont Bischof Emmanuel: "Wir sind eine Familie, in der es momentan Probleme gibt. Aber wir schließen keinen aus.“
Orthodoxer Unterricht ohne Lehrerausbildung
Ein gemeinsames Projekt der verschiedenen Gemeinschaften in Deutschland ist der orthodoxe Religionsunterricht. Er richtet sich an Kinder verschiedener Herkunftssprachen, erklärt Yauheniya Danilovich, und soll die Kinder auch befähigen, auf Deutsch über ihren Glauben Auskunft zu geben.
Liturgische Texte werden in deutscher Übersetzung durchgesprochen, erklärt Danilovich. Das sei allerdings herausfordernd, denn: „In der Kirche erleben die Kinder die Texte in einer anderen Sprache.“
Die Religionspädagogin an der Universität Münster beklagt, dass der Religionsunterricht, den es mittlerweile in fünf Bundesländern gibt, immer noch kaum wahrgenommen werde – obwohl seine Anfänge in den 1950er-Jahren lägen.
Von der Vielfalt lässt sich lernen
Auch eine Möglichkeit zum Lehramtsstudium der Orthodoxen Theologie besteht bislang in Deutschland nicht. Ebenso fehle es vielen katholischen und evangelischen Lehrkräften an Kenntnissen über die Orthodoxie, sagt Danilovich.
„Ökumene und Gemeinschaft sind kein Selbstläufer. Man muss dafür arbeiten“, fasst Bischof Emmanuel seine Erfahrungen aus dem Dialog zwischen orthodoxen Traditionen und mit anderen christlichen Konfessionen zusammen.
Yauheniya Danilovich ergänzt, nicht-orthodoxe Christinnen und Christen könnten sich fragen, wo in den ihnen fremd erscheinenden Ikonen oder der Göttlichen Liturgie Christus als der gemeinsame Glaubenskern zu finden sei. Thomas Bremer sagt, die orthodoxe Kirche lehre durch ihre Vielfalt vor allem eins: „Man kann das Christentum auch anders leben.“