Vielfalt der türkischen Kunst

Von Barbara Wiegand |
Der Martin Gropius Bau und die beiden Häuser der Akademie der Künste zeigen in Berlin unter dem Titel "Istanbul Next Wave - Gleichzeitigkeit, Parallelen, Gegensätze" zeitgenössische Kunst aus der Türkei. Die präsentierten Werke reichen von den zwanziger Jahren bis in die Gegenwart.
Die immer wieder hoch gelobte Kunstbiennale von Istanbul, international anerkannte Künstler wie die in der Stadt am Bosporus geborene Ayse Erkmen – spätestens seit den 90er-Jahren befindet sich Istanbul im Aufbruch und steht für eine äußerst lebendige Kunst-Szene. Diese Vielfalt wollen die Kuratoren in dem dreiteiligen Ausstellungsprojekt aufzeigen. Dazu präsentiert man im Martin Gropius Bau Werke aus der Sammlung des Museums Istanbul Modern, aus den 20er-Jahren bis heute. Kurator Levent Kahkoglu:

"Diese Sammlung vereint Klassiker der türkischen Kunst und junge Namen. Wir können hier die verschiedenen Entwicklungen aufzeigen. Abstrakte Tendenzen der 60er und 70er-Jahre sind zu sehen wie Positionen aus den 80ern, die oft persönliche Geschichten thematisieren, oder sich auch mit politischen Inhalten befassen. Da zeigen sich große Parallelen zur internationalen Kunstwelt."

Diese Parallelen sind allerdings immer wieder so offensichtlich, dass vieles eher kopiert statt individuell inspiriert scheint. Die Vielfalt erschöpft sich in Studien älterer Stile. Die Werke sind geprägt vom deutschen Expressionismus oder französischen Impressionismus. Man findet Neue Sachlichkeit neben kubistischen Verformungen. So unterscheidet sich ein 1956 von Hikmet Onat gemalter Blick auf eine südliche Stadt nur dadurch von den Jahre zuvor von Cezanne gemalten derartigen Stadtansichten, dass ein Minarett statt einer Kirche zu sehen ist. Und Ferruh Basagas 1984 entstandene blaue Abstraktion hat schon viel von Feiningers Zersplitterungen aus den zehner und zwanziger Jahren. Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel, etwa die Arbeit von Ismet Dogan, der alte Kaligrafien in seine heutige Formensprache einbindet.

Insgesamt sehenswerter ist aber sicher die Ausstellung in der Akademie der Künste am Pariser Platz. Unter dem Titel "Boden unter meinen Füßen, nicht den Himmel" – ein Slogan der einst bei Frauenrechtsdemonstrationen in Istanbul skandiert wurde – setzen sich hier Künstlerinnen mit dem Thema Gleichberechtigung und Unterdrückung in ihrer Heimat auseinander. Das tun sie immer wieder einfallsreich und eigenwillig. Naza Eda Noyan etwa verstrickt in ihren Bildern die Frau subtil in ein ornamentales Muster in das symbolische Bilder der Gewalt gegen sie eingewoben sind. Kuratorin Beral Madra:

"Es gibt eine Unterdrückung, ideologisch religiös, aber das ist nicht die Mehrheit. Diese Werke sind in der Türkei schon ausgestellt, die wollen das durchbrechen. Die wollen alle junge Mädchen und Frauen bewusst machen."

Gesellschaftskritisches gibt es auch im zweiten Haus der Akademie der Künste im Hanseatenweg zu sehen. Denn die hier gezeigten Werke befassen sich mit Krieg und Terror, mit nationalem wie religiösem Fanatismus. Kurz gesagt, mit greifbaren, international diskutierten Problemen. Manches ist hier zwar eher plakativ als einfallsreich, aber vieles auch erfrischend ironisch.

So gibt es beim Rundgang durch die drei Ausstellungen an drei verschiedenen Orten sicher einiges zu entdecken. Insgesamt aber hält der Titel "Istanbul Next Wave – Gleichzeitigkeit - Parallelen - Gegensätze" – dann doch weniger als er verspricht.