"Ein bisschen wie Parfüm-Mischen"
Im letzten Bodensee-"Tatort" kommen die vier Fassbinder-Schauspielerinnen Hanna Schygulla, Margit Carstensen, Irm Hermann und Eva Mattes zusammen. Das gleiche einer Parfüm-Mischung, sagt Schygulla. Jede habe "ihren eigenen Duft".
Susanne Burg fragte Regisseurin Aelrun Goette und die Schauspielerinnen Hanna Schygulla und Eva Mattes: Wie viel Druck bedeutet es, wenn man einen letzten "Tatort" inszeniert?
Aelrun Goette: In allererster Linie ist es ein Geschenk. Dieser "Tatort" war für mich ein Geschenk insofern, weil vor gut einem Jahr die Fernsehspiel-Chefin Martina Zöllner auf mich zukam mit dieser Idee, für die großen Damen von Fassbinder, also Hanna Schygulla, Margit Carstensen, Irm Hermann, Eva Mattes den letzten "Tatort" für Eva zu schreiben.
Und ich hab dann gemeinsam mit meinem Koautoren Sathyan Ramesh relativ schnell eine Idee dazu entwickelt, also um es kurz noch mal zusammenzufassen: Spaß, Freude und ein Geschenk. Und das war unser Ziel, unser Wunsch, eine Geschichte zu schreiben, die diesen wunderbaren Schauspielern steht.
Burg: Und, Frau Schygulla, was meinen Sie, steht Ihnen die Geschichte?
Hanna Schygulla: Das wusste ich jetzt, dass Sie mich das fragen. Das müssen Sie…
Burg: Das war die Vorlage.
Schygulla: Sie müssen das eher Zuschauer fragen. Ich finde, ein Unterhaltungswert kam dabei raus, es hatte etwas sehr Zugespitztes, scharfe Kanten und Linien auch, dass es einen Tiefgang auch hat und amüsant ist gleichzeitig. Und das ist doch schon mal was.
Burg: Sie spielen eine geheimnisvolle Frau, von der nicht ganz klar ist, wie sie in den ganzen Fall verstrickt ist. Was hat Sie denn überhaupt gereizt daran, ja zu sagen beim "Tatort"?
"Sie sind anders an die Sache rangegangen"
Schygulla: Was für mich neu war, war auch das, weshalb ich ja gesagt habe, dass es eben neu war. Das, finde ich immer, ist doch schon mal was, was Neues zu machen.
Burg: Frau Mattes, für Sie war es jetzt teilweise neu, aber in erster Linie ja auch der Abschied von einer Rolle, mit der Sie ja 14 Jahre lang vertraut waren. Wie ist es nach 14 Jahren, wie sehr ist Ihnen diese Rolle der "Tatort"-Kommissarin Klara Blum auch ans Herz gewachsen?
Eva Mattes: Natürlich ist sie mir ans Herz gewachsen. Ich glaube, ich hätte das nicht 14 Jahre lang gemacht, wenn sie mir nicht ans Herz gewachsen wäre. Was jetzt an diesem letzten "Tatort" so schön war, unter anderem, sind diese drei Frauen. Übrigens, das steht dir sehr gut, Hanna, das Format in diesem Fall, finde ich, und es steht uns allen sehr gut. Und es ist eine wunderbare Eingangsfrage von dir gewesen, ob dir das Format steht, weil das dann Aelrun irgendwie auch dazu beflügelt hat, dass es uns steht, und ich finde, es steht uns allen wirklich sehr gut.
Und da ich auch Partnerinnen hatte, für die das Format eben ganz neu war, wie Hanna und auch Margit Carstensen, war dann noch auch für mich wieder was Neues drin, weil: Sie sind anders an die Sache rangegangen. Und da hab ich gedacht, ach, guck mal. Weil: Ich bin eigentlich gegen jede Routine, ich mag Routine überhaupt nicht, aber natürlich bin ich in einer Weise routiniert.
Ich weiß, wann ich im Licht stehe, ich brauche keine Zeichen am Boden, ich weiß, wie das geht mit dem Drehen. Und dann ist es manchmal sehr schön, wenn da so neue Elemente reinkommen, die sich vielleicht nicht ganz so auskennen und die vielleicht so sich wundern über manches, worüber ich mich gar nicht mehr wundere. Und das war sehr erfrischend für mich.
"Interessant, die Schublade des Bösen aufzumachen"
Burg: Sie haben ja eingangs gesagt, Frau Goette, dass es die Idee eben war, vier Fassbinder-Schauspielerinnen zusammenzubringen. Nur ist es ja so ein Mythos, der ja jetzt seit Jahrzehnten quasi im Raum steht, wie belebt man den aber auch oder wie füllt man den mit Leben, also was bedeutet es dann konkret, wenn vier Fassbinder-Schauspielerinnen, wenn man die zusammen inszenieren will, soll?
Goette: Ich finde das großartig, was Eva gerade beschrieb. Es ist für mich vor allem eine Rhythmusfrage, also jeder Mensch, ebenso wie jeder Schauspieler hat seinen eigenen Rhythmus. Und ich hab Eva so verstanden, dass natürlich ein routinierter Drehablauf einen bestimmten Rhythmus vorgibt, und plötzlich kommen drei Schauspielerinnen, die jede ihren eigenen Rhythmus hat, und was entsteht daraus Drittes. Deswegen fülle ich das nicht, sondern ich führe es zusammen.
Burg: Frau Schygulla, wie haben Sie das empfunden, ich würde gern noch mal auf diesen Mythos zurückkommen, mit dem Sie ja auch jetzt so viele Jahre leben. Nun sind Sie vier Schauspielerinnen noch mal in einem Raum, in einem Haus, in einer Szene zu sehen – wie empfinden Sie das, wenn so ein Mythos noch mal lebendig wird?
Schygulla: Als Gott-sei-Dank. Ist ja kein schönes Gefühl, nicht mehr vorhanden zu sein. Da ist natürlich viel Vorgeschichte mit drin, über das kann man heute lächeln, manches schwingt immer noch nach.
Ich fand besonders interessant, mal die Schublade des Bösen aufzumachen. Da hab ich früher immer so mir gedacht, ich finde es ja eigentlich so befreiend. Da gibt es ja dieses Gedicht von Brecht, "Die Maske des Bösen", es ist so anstrengend, böse zu sein. Das hat ja alles immer zwei Seiten, jetzt mal die andere Seite, dass diese Energie, die eigentlich das Gute will und dann das andere schafft, das ist ja auch schon im "Faust" drin, dass da auch ein Bett dafür geschaffen wird und dass man da was reinfließen lässt. Das fand ich jetzt mal sehr interessant für mich, weil ich mich da eigentlich immer eher raushalte, weil ich ja eher dran glaube, dass das Böse so anstrengend ist.
"Der hat eine gewisse Haftkraft, der Duft"
Burg: Und, haben Sie es als anstrengend empfunden? Viele sagen ja auch immer, es macht Spaß.
Schygulla: Ja, ja, also ich hab die Erfahrung gemacht, dass es Spaß macht, und ich finde, dass Aelrun eine sehr unangestrengte Art des Führens hat.
Burg: Frau Goette, nun war ja auch die Aufgabe, alle vier zusammen in Szene zu setzen, denn sie haben noch nie zusammen in einer Szene gedreht. Welche Gedanken sind da eingeflossen, das umzusetzen? Da kann man ja auf unterschiedliche Art und Weise herangehen.
Goette: Ich meine, ist ja klar, jede Figur hat eine bestimmte Backstory, bringt etwas mit. Es gibt natürlich eine Biografie der drei, wie sie zueinander gekommen sind, die vor dem Film stattgefunden hat, die wir uns überlegt haben. Dass wir diese Geschichte humorvoll erzählen wollen, ist ja schon im Drehbuch vorgegeben.
Schygulla: Ich finde es ein bisschen auch wie Parfüm-Mischen, stelle ich mir vor. Ich hab das noch nie. Ich misch manchmal selber, indem ich mich mit mehreren ansprühe, aber das ist da schon ein … Aber ich meine, da sind jetzt so vier menschliche Pflanzen zusammen, und die haben alle einen eigenen Duft, und dann entsteht ein gemeinsamer Duft. Und der hat bei aller Schwere eben auch. oder vielleicht ist es umgekehrt, der hat eine Leichtigkeit, und dann ist was Schweres, was noch nachhallt, so wie bei "Opium" oder so, der hat eine gewisse Haftkraft, der Duft.
"Ich war ja richtig verliebt in dich"
Burg: Frau Mattes, wie haben Sie das empfunden?
Mattes: Man kann uns gerne leicht irgendwo hinstellen, aber man muss dann auch was Tolles draus machen können, und das haben wir ja in Aelrun wirklich gefunden. Aber ich erinnere mich, wie du mich, glaub ich, gefragt hast, zu wem ich mich denn hingezogen fühle oder was ich denn für eine Beziehung zu Hanna habe, Hanna Schygulla, und dann hab ich dir das halt gesagt, was ich für eine Beziehung zu Hanna habe.
Schygulla: Sag es mir doch bitte auch!
Mattes: Ich war ja richtig verliebt in dich, als ich 15 war. Wir sind mal zusammen in einem Aufzug gefahren, im BR in München, und da kannten wir uns nämlich noch gar nicht richtig, aber ich kannte dich natürlich, weil ich hab ja alle die Filme gesehen ab meinem 15. Lebensjahr. Ich war in diesem Moment so verliebt in diesen Fahrstuhl, und es war so deine Aura, dein was weiß ich, dein Parfum, dein alles.
Und dann im "Wildwechsel" diese kleine Szene, die wir da hatten, weißt du, wo ich da auf dem Stuhl, auf dem gynäkologischen, sitzen musste, und du hast die Gynäkologin gespielt. Da hatte ich auch schon so ein. ich hatte einfach immer ein starkes Gefühl zu dir, und das habe ich ihr erzählt, und das hat sie natürlich benutzt und da mit reingetan, und deswegen haben wir da auch diese, ja, diese Annäherung, die vielleicht dann bei dir tatsächlich das Geheimnis noch so ein bisschen größer macht.
"Du hast schon was von einem Kornfeld"
Schygulla: Bei mir ist es auch so: Ich sag oft, ich kann mich besser annähern den Leuten, die hinter der Kamera stehen, als denen vor der Kamera. Das ist eigentlich immer schon so gewesen, seit ich Film mache. Aber zu den Schauspielern, die mir sehr nahe kommen könnten und auch in manchen Momenten schon gekommen sind – wir haben ja schon einiges erlebt, Eva – dazu gehört einfach sie. Und wie sie eine Tochter bekommen hat, die Hanna heißt, habe ich mir gedacht, ach, wäre das schön, wenn sie dabei auch an mich gedacht hat.
Mattes: Ich hab an ein wogendes Kornfeld gedacht, und von einem Kornfeld hast du schon auch was. Also der Name Hanna war natürlich. Du warst die erste Hanna, und dann kam meine zweite Hanna dazu. Da mischt sich natürlich viel rein in den Namen, aber du auch, und ich hab dich dann ja auch besucht da in der Garderobe, als ihr gedreht habt, "Lili Marleen " war das, glaube ich. Und das war mir auch ganz wichtig, wollte dich da gerne besuchen mit meiner Hanna.
Burg: Und nun kann man Sie beide noch mal erleben in dem Bodensee-"Tatort", nach 14 Jahren geht er zu Ende. "Wofür es sich zu leben lohnt" heißt er, läuft morgen, am Sonntag, in der ARD um 20:15 Uhr. Die Regisseurin ist Aelrun Goette, Eva Mattes, Hanna Schygulla vielen Dank fürs Gespräch!
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