Vierundvierzig verdammte Tage
Halb Roman, halb Biographie: Kein Wunder, dass die Anverwandten wenig glücklich waren mit diesem Buch über den 2004 verstorbenen Fußballer und Fußballtrainer Brian Clough. Der Leser dagegen profitiert von der schonungslosen und radikalen Sicht des Krimi-Autors David Peace auf seine Hauptfigur.
Schon der Titel, "Damned United" weist darauf hin, dass hier kein Blatt vor den Mund genommen wird; auf den fünfhundert Seiten des Buches findet man so viele "verdammt" und "verfickt" wie in der ganzen deutschen Literatur zusammen genommen.
Erzählt werden dabei gerade einmal zehn Jahre aus dem Leben Brian Cloughs, und zwar nicht, wie man erwarten könnte, in chronologischer Folge. Stattdessen etabliert David Peace zwei Erzählstränge: Der eine handelt von Cloughs verletzungsbedingtem Ende als überaus erfolgreicher Stürmer und seinem Beginn als Trainer von Derby County, einem unbedeutenden Zweitligaverein, den er in die Erste Liga und schließlich zur Meisterschaft führt. Der zweite Erzählstrang widmet sich dagegen seinem anschließenden katastrophalen Misserfolg als Trainer des Serienmeisters Leeds United Mitte der siebziger Jahre. David Peace arbeitet also mit dezidiert literarischen Mitteln, nicht mit dem Fußnotenapparat einer sachlichen Biographie. Gekonnt, ja meisterlich schneidet er die beiden Erzählstränge gegeneinander; in schnellem, geradezu rasanten Ballwechseln springt der Text von der Ich-Perspektive des Leeds-Trainers zur Du-Perspektive, in der vom Schicksal des Derby-Trainers berichtet wird.
So zeichnet dieser Roman auch formal das Portrait eines Getriebenen. David Peace’ Brian Clough nämlich kennt kein Innehalten, kennt keine Kompromisse, weder was die eigene (auch alkoholische) Belastbarkeit angeht, noch was die Belastbarkeit der Geldbeutel seiner Arbeitgeber betrifft. Hemmungslos kauft er neue Spieler, gönnt auch wohl sich selbst hier und da eine Extrazulage, versackt an Hotelbars statt sich um seine Familie zu kümmern. Es ist ein raues Klima, in dem dieser Brian Clough lebt, das dreckige, harte England der Vor-Thatcher-Zeit. Fußball ist hier nicht einfach nur ein Spiel, Fußball ist das ganze Leben. Und es ist Brian Cloughs Mittel, um Rache zu nehmen, Rache dafür, dass er nur zwei Spiele als Nationalspieler spielen durfte, Rache für die Verletzung, die seine Karriere abrupt beendete, Rache schließlich auch dafür, dass er als Trainer von Derby County gehen musste. So rennt er spätestens bei Leeds United gegen die ganze Welt an. 44 Tage bloß, dann hat er es sich mit allen verdorben und muss auch dort die Segel streichen.
Hier endet der Roman, auch wenn das wirkliche Leben noch ein Nachspiel hatte: mit dem Verein Nottingham Forest feierte Clough später seine größten Erfolge. Aber Peace interessiert sich weniger für Resultate als für die Kämpfe, die dahin führen. Er glaube nicht an Glück, heißt es in "Damned United", er glaube auch nicht an Gott, er glaube nur an Brian Clough. Dieser Hybris ist es, der Aufstieg und Fall dieser Figur und damit das grandiose Drama dieses Romans zu verdanken sind, das eine traditionelle Biographie dem deutschen Leser gewiss nicht hätte vermitteln können.
Besprochen von Tobias Lehmkuhl
David Peace: Damned United
Aus dem Englischen von Thomas Lötz
Wilhelm Heyne Verlag, München 2011
512 Seiten, 9,95 Euro
Erzählt werden dabei gerade einmal zehn Jahre aus dem Leben Brian Cloughs, und zwar nicht, wie man erwarten könnte, in chronologischer Folge. Stattdessen etabliert David Peace zwei Erzählstränge: Der eine handelt von Cloughs verletzungsbedingtem Ende als überaus erfolgreicher Stürmer und seinem Beginn als Trainer von Derby County, einem unbedeutenden Zweitligaverein, den er in die Erste Liga und schließlich zur Meisterschaft führt. Der zweite Erzählstrang widmet sich dagegen seinem anschließenden katastrophalen Misserfolg als Trainer des Serienmeisters Leeds United Mitte der siebziger Jahre. David Peace arbeitet also mit dezidiert literarischen Mitteln, nicht mit dem Fußnotenapparat einer sachlichen Biographie. Gekonnt, ja meisterlich schneidet er die beiden Erzählstränge gegeneinander; in schnellem, geradezu rasanten Ballwechseln springt der Text von der Ich-Perspektive des Leeds-Trainers zur Du-Perspektive, in der vom Schicksal des Derby-Trainers berichtet wird.
So zeichnet dieser Roman auch formal das Portrait eines Getriebenen. David Peace’ Brian Clough nämlich kennt kein Innehalten, kennt keine Kompromisse, weder was die eigene (auch alkoholische) Belastbarkeit angeht, noch was die Belastbarkeit der Geldbeutel seiner Arbeitgeber betrifft. Hemmungslos kauft er neue Spieler, gönnt auch wohl sich selbst hier und da eine Extrazulage, versackt an Hotelbars statt sich um seine Familie zu kümmern. Es ist ein raues Klima, in dem dieser Brian Clough lebt, das dreckige, harte England der Vor-Thatcher-Zeit. Fußball ist hier nicht einfach nur ein Spiel, Fußball ist das ganze Leben. Und es ist Brian Cloughs Mittel, um Rache zu nehmen, Rache dafür, dass er nur zwei Spiele als Nationalspieler spielen durfte, Rache für die Verletzung, die seine Karriere abrupt beendete, Rache schließlich auch dafür, dass er als Trainer von Derby County gehen musste. So rennt er spätestens bei Leeds United gegen die ganze Welt an. 44 Tage bloß, dann hat er es sich mit allen verdorben und muss auch dort die Segel streichen.
Hier endet der Roman, auch wenn das wirkliche Leben noch ein Nachspiel hatte: mit dem Verein Nottingham Forest feierte Clough später seine größten Erfolge. Aber Peace interessiert sich weniger für Resultate als für die Kämpfe, die dahin führen. Er glaube nicht an Glück, heißt es in "Damned United", er glaube auch nicht an Gott, er glaube nur an Brian Clough. Dieser Hybris ist es, der Aufstieg und Fall dieser Figur und damit das grandiose Drama dieses Romans zu verdanken sind, das eine traditionelle Biographie dem deutschen Leser gewiss nicht hätte vermitteln können.
Besprochen von Tobias Lehmkuhl
David Peace: Damned United
Aus dem Englischen von Thomas Lötz
Wilhelm Heyne Verlag, München 2011
512 Seiten, 9,95 Euro