Insgesamt geht es uns auch darum, mehr Aufmerksamkeit auf das Thema Frauenfußball zu lenken und dahinter tolle Player, Menschen, etc. zu versammeln. Da darf man ruhig mal auch ein bisschen lauter sein.
Viktoria 89 Berlin
Spielerinnen der Frauenmannschaft von FC Viktoria 1889 Berlin. In fünf Jahren will der Verein in der Bundesliga spielen. © dpa / picture alliance / Christoph Soeder
Mit Frauenpower in die Bundesliga
07:19 Minuten
Mehr Sichtbarkeit, mehr Geld, mehr Fans: Sechs Unternehmerinnen wollen den Frauenfußball in Berlin revolutionieren und das Team von Viktoria 89 in den nächsten fünf Jahren zur Nummer eins in der Hauptstadt machen. Wie soll das klappen?
Saisonauftakt in der Regionalliga Nordost der Frauen: Viktoria 89 trifft auf Union Berlin. Völlig ungewohnt für ein Spiel in dieser Leistungsklasse strömen 700 Zuschauerinnen und Zuschauer ins schnuckelige Stadion in Berlin-Lichterfelde. Manch Bundesligaspiel der Frauen ist nicht so gut besucht.
Am Einlass steht Tabea Kemme, vielfache Nationalspielerin, Olympiasiegerin, TV-Expertin. Sie verkauft Eintrittskarten.
„Von den Gründerinnen kam die Frage in den Medien: ‚Hey, wer Bock hat, kann helfen‘. Und ich wollte in meinem Leben schon immer mal Bier ausschenken, das ging aber nicht - und deswegen stehe ich jetzt gerade an der Kasse. Es ist einfach schön, dieses Gefühl hier aufgreifen zu können. Was hier gerade passiert, dieser Prozess, bin ich absoluter Fan von. Also ich kann das nur weit und breit unterstützen.“
Mit einem ähnlichen Konzept wollte Tabea Kemme vor einem Jahr Präsidentin von Turbine Potsdam werden. Der Plan scheiterte.
Alle blicken gespannt auf das Berliner Projekt
Nun blicken alle gespannt auf das Berliner Projekt. Sechs Unternehmerinnen aus Wirtschaft, Sport und Medien, allesamt Fußballfans, haben das Frauenteam von Viktoria 89 aus dem Traditionsverein ausgegliedert und eine GmbH gegründet.
Das werde die deutsche Sportwelt nachhaltig verändern, sagt Katharina Kurz selbstbewusst. Sie ist Mitinhaberin der Brauerei BRLO und eine der Gesellschafterinnen des Frauenteams von Viktoria 89.
Das Vorbild kommt aus Los Angeles. Dort gründeten prominente Schauspielerinnen und Sportlerinnen um Natalie Portman und Serena Williams den Angel City FC, für den nun auch die deutsche Nationalspielerin Almuth Schult im Tor steht. Innerhalb von zwei Jahren nahm der Klub 35 Millionen Dollar an Sponsorengeldern ein, heißt es.
Eine Million Euro in drei Monaten gesammelt
Katharina Kurz und ihre Mitstreiterinnen haben innerhalb von drei Monaten eine Million Euro eingesammelt - wie in einem Startup-Unternehmen. Knapp 80 Investorinnen und Investoren beteiligten sich daran.
„Frauenfußball soll ja kein Charity-Ding bleiben, sonst verdient am Ende ja auch niemand was. Natürlich soll das wirtschaftlich funktionieren. Na klar wollen wir Sponsoringgelder und irgendwann die Spielerinnen besser bezahlen. Das geht nur nicht von heute auf morgen. Das geht nur mit mehr Aufmerksamkeit und Begeisterung.“
Eine Tatort-Kommissarin als Botschafterin
Die Saisonpremiere gegen Union beginnt verheißungsvoll. Nach drei Minuten gehen die Viki-Girls, wie sie sich nennen, in Führung. Das schnelle 2:0 wird wegen Abseits aberkannt, stattdessen erzielt Union nach einer halben Stunde den Ausgleich.
Schauspielerin, Tatort-Kommissarin und neuerdings Viki-Girls-Botschafterin Ulrike Folkerts "war total froh, dass wir gleich erst mal ein Tor geschossen haben".
Folkerts sitzt mitten im Publikum auf der Tribüne, den neu gestylten himmelblau-violetten Fanschal um den Hals.
Seit der EM sei sie vom Frauenfußball richtig angefixt, erzählt Ulrike Folkerts. Sie ist gern Teil des Viktoria-Projekts. Professionellere Rahmenbedingungen für die Spielerinnen findet sie gut:
„Ihnen eine Wertschätzung zu geben, ist total wichtig und eine ganz tolle Phase jetzt, wo wir das in Schwung bringen können.“
In fünf Jahren in die Bundesliga
Die Ziele von Viktoria 89 sind ehrgeizig: mehr Sichtbarkeit, mehr Geld, mehr Fans - und innerhalb der nächsten fünf Jahre will der Verein Schritt für Schritt hoch in die erste Bundesliga.
Ein kostspieliger Weg, weiß Mitgesellschafterin Katharina Kurz, denn ohne qualitativ hochwertige Neuzugänge wird der Aufstieg kaum möglich sein.
Beispiel RB Leipzig: Erst als Ex-Nationalspielerin Anja Mittag kam, schaffte es das Team von der Regionalliga in die 2. Liga.
Die personelle Qualität des Teams zu steigern, ist das eine. Die Rahmenbedingungen zu verbessern, das andere. Hier habe sich in der kurzen Zeit schon enorm viel getan, stellt Marlies Sänger fest, seit vielen Jahren Kapitänin der Viki-Girls und ein Riesenfan des neuen Projekts.
Wir haben bessere Trainingsbedingungen, wir haben jetzt das Allianz-Kasino dazubekommen, wo die Männer auch trainieren dürfen. Im Sommer haben wir komplett auf Rasen trainiert, das war damals nicht so üblich. Wir haben eine Physiotherapeutin, die uns jederzeit zur Verfügung steht. Wir haben ein großes Trainer- und Betreuerteam, was wir damals auch so in der Form nicht hatten.
251 Euro als Grundeinkommen
Und vor allem: Die Spielerinnen haben ein monatliches Grundeinkommen in Höhe von 251 Euro. Sie haben Verträge erhalten und sind damit in der Berufsgenossenschaft versichert.
„Aktuell fühlt es sich einfach supergut an, die Mannschaft ist supergut drauf. Wir haben halt heute nicht alles das zeigen können, was wir eigentlich können, aber es macht einfach super viel Spaß aktuell.“
Obwohl die Viki-Girls das Lokalderby gegen die Eisernen Ladys von Union Berlin am Ende mit 1:2 verlieren, erkennt das Publikum die gezeigte Leistung an. Vielleicht gilt der Applaus auch der Aufbruchstimmung, die Viktoria 89 mit der klaren Ansage erzeugt hat, die Nummer eins in Berlin werden zu wollen. Auch die Konkurrentinnen von Union und Türkyemspor investieren neuerdings in den Frauenfußball.
„Prinzipiell finde ich total super, dass sich jetzt etwas bewegt. Vielleicht sind wir da nicht ganz unschuldig. Ich denke schon, dass Konkurrenz das Geschäft natürlich belebt. Was Besseres kann es doch für den Frauenfußball nicht geben, dass sich jetzt alle bewegen.“