"Die Menschen ermutigen, ihre Kunst zu machen"
Roger Willemsen war einer der beliebtesten Intellektuellen Deutschlands. Vor zwei Jahren starb er 60-jährig an einer Krebserkrankung. Sein Wohnhaus bei Hamburg wurde nun in neuer Funktion als "Villa Willemsen" eröffnet: Entstanden ist ein Rückzugsort und Inspirationsraum für Künstler verschiedener Sparten.
Im Garten der "Villa Willemsen" blühen weiße Rhododendron-Büsche, gleich hinter dem herrschaftlichen Haus am Wentorfer Mühlenteich steigt der Hang zum Sachsenwald auf. Oben im ersten Stock, im so genannten "Herrenzimmer", erklärt Nikolaus Gelpke, Hamburger Verleger und ein enger Freund von Roger Willemsen, für wen das Künstlerhaus gedacht ist:
"Das können Schriftsteller sein, das können Bildhauer sein, Maler – aus jeder Sparte der Kunst und Kultur gibt es Menschen, die eine Zeitlang kostenfrei logieren und essen wollen, leben und sich ihrer Kunst widmen können. Diese Möglichkeit haben sie in diesem Haus."
Willemsen hat sich über die Idee sehr gefreut
Die Sonne fällt auf den alten Holzfußboden mit Fischgrät-Muster, in einer Vitrine stehen alte Karaffen, daneben ein wuchtiger, aufgeräumter Schreibtisch. Die Idee, das Haus zu erhalten und zu einem Rückzugs- und Inspirationsort für Literaten und Künstlerinnen zu machen, entstand 2016, wenige Wochen vor Willemsens Tod.
"Ich hatte für den mare-Verlag schon sehr lange ein Künstlerhaus angedacht. Ursprünglich in Brasilien. Aber das hat nicht geklappt, über Jahre hinweg. Und dann habe ich gesagt: 'Dann machen wir einfach hier am Mühlenteich ein Künstlerhaus!' Und die acht Freunde, die da zufällig im Zimmer waren – wenige Tage vor seinem Tod – haben gesagt: 'Kommt, wir bilden das Kuratorium!' Das war eine ganz spontane Entscheidung, hier ein Künstlerhaus draus zu machen. Und Roger hat sich sehr darüber gefreut. Und da haben wir jetzt zwei Jahre gebraucht, um das umzusetzen mit der Stiftungsgründung und das Haus nochmal renovieren und so."
Die ersten Stipendiaten ziehen schon im Mai ein
Sechs Stipendiatinnen und Stipendiaten können gleichzeitig in der Villa leben und arbeiten. Die ersten ziehen noch im Mai ein: der Autor Frank Schulz und seine Kollegin Claudia Rusch. Zur Eröffnungs-Matinee spielte heute der Pianist Frank Chastenier, auch er ein guter Freund Roger Willemsens, zwei Stücke auf dem schwarzen Flügel im Erdgeschoss. Danach erklärte die Vorsitzende der Roger-Willemsen-Stiftung Julia Wittgens, dass nicht nur Schriftstellerinnen, Maler, Musikerinnen oder Bildhauer hierher eingeladen werden sollen:
"Roger hat hier gesessen und Pläne mit uns geschmiedet und hörte davon und war begeistert und wie immer sehr beteiligt, was dann sein muss und sagte dann plötzlich: 'Und vergesst das politische Kabarett nicht!' Nein. Das werden wir nicht tun. Natürlich denken wir auch daran. Denn wir wollen das Haus zu einem Ort des Austauschs der Künste und natürlich auch der Kritik machen."
Vieles aus Willemsens Nachlass ist im Haus geblieben
Ein Glück sei es, dass so vieles aus Roger Willemsens Nachlass, seine überquellende Bibliothek, die unzähligen CDs und viele der Möbel, im Haus geblieben ist. Obwohl der Publizist, Schriftsteller, Humorist und Humanist sie in seinem Testament anderen Menschen zugedacht hatte. Die dann aber darauf verzichteten und ihren Anteil an der Erbschaft der Stiftung überließen. Zur Eröffnung war heute auch Herbert Grönemeyer angereist. Er hofft, dass in der alten Villa etwas von den geistigen Anstößen entsteht, die Roger Willemsen der Gesellschaft geliefert hat:
"Er lieferte ununterbrochen, wühlte und suchte und machte und wollte ununterbrochen den Menschen freudiges Futter servieren. Und das immer mit so einem Bonner Rheinischen Humor." Geleitet wird das Künstlerhaus von Annette Schiedek. Auch sie eine langjährige Weggefährtin von Roger Willemsen. Auch sie ist glücklich und zuversichtlich, dass das, was diesen Mann ausgezeichnet hat, hier fortwirken kann:
"Der hat alle seine Freunde und die Menschen um ihn herum immer unterstützt. Dass sie ihren Weg gehen. Viele haben einen Haken in ihrem Lebensweg, wenn sie ihn getroffen haben, weil sie plötzlich den Mut gehabt haben, ihre eigenen Sachen zu machen. Und deswegen ist es so besonders schön, diesen Ort zu haben! Selbst nach seinem Tod macht er das noch weiter. Die Menschen zu ermutigen, ihre Kunst zu machen."