Russische Opposition
Diskussions-Teilnehmer in Vilnius: Garri Kasparow erkennt auch eigene Fehler bei seiner Mitwirkung in der russischen Politik. © imago images / Vesa Moilanen
Opferrolle bevorzugt
08:12 Minuten
Wer hat Schuld am Krieg? Das diskutierten russische Exiloppositionelle im litauischen Vilnius. Dass sie selbst aber Putin zu lange zugeschaut haben, gestehen sie sich nicht ein, urteilt die Journalistin Gesine Dornblüth.
Auf der Plattform Forum Freies Russland bündeln sich weite Teile der russischen Exil-Opposition. Diese hat in Litauens Hauptstadt Vilnius eine Anti-Kriegskonferenz organisiert. Unter den intellektuellen Teilnehmern waren auch Ex-Schachweltmeister und Putin-Kritiker Garri Kasparow und Autor Viktor Jerofejew. Sie diskutierten die Schuldfrage am russischen Krieg gegen die Ukraine.
Ist die Bevölkerung ohnmächtig gegen Putin?
Im Kern gehe es um die Frage, ob die Aggression der Krieg Putins sei. Das sagt die Journalistin Gesine Dornblüth, die die Veranstaltung online mitverfolgt hat. Oder ob es sich um einen Krieg Russlands mit Zustimmung der Bevölkerung handele, die Putin erst möglich gemacht hat.
Die Schuldfrage, wie dieses "faschistische System" habe entstehen können, sei auch historisch mit Blick in die 1990er-Jahre diskutiert worden. Garri Kasparow, einst auch als Präsidentschaftskandidat engagiert, habe sich dazu klar geäußert: Jeder habe damals Fehler gemacht, er habe etwa Jelzin zu lange unterstützt – trotz Wahlmanipulation. Die russische Gesellschaft habe später zu lange zugeschaut, trotz Tschetschenienkrieg, den Gräueln von Grosny und Mariupol. Putin die Schuld zu geben, sei zu einfach, nicht angebracht.
Propaganda wirkt
Schriftsteller Viktor Jerofejew habe die russische Literatur als Mitverursacher der Putin-Zustimmung im Land ausgemacht: Diese habe den Menschen eingeimpft, Russen seien besser als alle anderen – genau das sei nun die Ideologie des Krieges mit der Ukraine.
Die Frage nach der Schuld werde auch unter Exilrussen geführt, so Dornblüth. „Es gibt verschiedene Projekte, auch Medienprojekte, Befragungen direkt unter Russen, auch im Land – immer noch.“
Den Krieg schon 2014 ignoriert
Daraus ergebe sich, dass viele Anhänger der Opposition sich selbst als Opfer sehen würden. Man gestehe sich nicht ein, dass viele Oppositionelle 2014 einfach den Krieg, der damals schon ein Krieg gegen die Ukraine gewesen sei, ignoriert hätten.
„Sie haben ihn aus Kalkül nicht Krieg genannt, weil die Annexion der Krim sehr beliebt war in der Bevölkerung – da gab es ja eine Zustimmung von mehr als 80 Prozent – und da wollte man die Bevölkerung nicht gegen sich aufbringen.“