Wer ist Roms neue Bürgermeisterin?
Schlaglöcher, verspätete Busse, Müll: Roms neue Bürgermeisterin Virginia Raggi empörte sich vor ihrer Wahl gern über die Ineffizienz der römischen Hauptstadt. Nun ist sie selbst am Drücker, die italienische Metropole nach vorn zu bringen.
Es war keine Zitterpartie, kein Kopf-an-Kopfrennen. Schon kurz nach Schließung der Wahllokale war klar: Virginia Raggi wird Roms neue Bürgermeisterin - mit 67,2 Prozent der Wählerstimmen. Da hat sie selbst erst einmal schlucken müssen:
"Dieses Ergebnis übertrifft all unsere Erwartungen, wir haben ja nicht nur in Rom gewonnen, sondern auch in Turin und in vielen Gemeinden Italiens. Das ist ein historisches Ergebnis. "
Das sind schon große Worte für eine Frau, die sich bei öffentlichen Veranstaltungen gerne bescheiden, zurückhaltend präsentiert. "Ich bin eine von euch" - diese Botschaft sollte bei den Wählern ankommen. Denn die Römer haben die Nase voll von den Politprofis, die ihre Stadt in den letzten Jahren zugrunde gerichtet haben.
"Wir sind Bürger, keine Politiker", sagte Raggi und hat die Wähler dort abgeholt, wo sie an der Stadtpolitik verzweifeln. Zum Beispiel an der Bushaltestelle. In Rom mit einem Bus von A nach B zu fahren gleicht einem Abenteuer. Wer pünktlich ankommen will, sollte einen Zeitpuffer einplanen.
"66 Prozent der Römer bewegen sich mit dem eigenen Fahrzeug fort. Es ist einfach praktischer. Wenn man eine halbe oder eine ganze Stunde auf einen Bus warten oder sogar umsteigen muss! Das heißt, zweimal Wartezeit einplanen. Da schafft man doch überhaupt nichts."
Mahatma Gandhi ist ihr politisches Vorbild
Auch Raggi hat eine Vorliebe für den Individualverkehr. Sie fährt gern Fahrrad - in Rom ein lebensgefährliches Unterfangen. Und sie hat ein Faible für schnellere Zweiräder. Eine Suzuki SV 650 nennt sie ihr eigen. Ansonsten fällt die 37-Jährige nicht durch spektakuläre Vorlieben auf. Der "Kleine Prinz" ist ihr Lieblingsbuch, Mahatma Gandhi ihr politisches Vorbild. Doch wer den Moloch Rom mit seinen beinahe 60.000 Angestellten regieren will, kommt mit gewaltfreiem Widerstand nicht weit, muss durchgreifen können.
Raggi: "Dieses Heer von Angestellten muss rationalisiert, effizienter werden. Es ist doch unvorstellbar, dass all diese Leute für uns arbeiten, und die Stadt ist dreckig, die Busse funktionieren nicht, der ganze Motor stottert."
Zur Politik kam Virginia Raggi vor sechs Jahren, als sie ihren Sohn im Kinderwagen durch den Großstadtdschungel schob, vorbei an Schlaglöchern, zugeparkten Gehwegen und übervollen Müllcontainern. Ihr Mann gewann sie für die Protestbewegung Fünf Sterne des Kabarettisten Beppe Grillo. 2013 zog sie in den Stadtrat ein. Vor ihrer Kandidatur hat sie eine Verpflichtung unterschrieben, der Bewegung "keinen schweren Schaden zuzufügen". Bei Zuwiderhandlung drohen der Ausschluss und eine saftige Strafe. Werden die Römer künftig von einer Marionette eines ehemaligen Komikers regiert? Raggi musste im Wahlkampf immer wieder ihre Unabhängigkeit unter Beweis stellen:
"Wir haben freie Hand. Wir haben keine Gefälligkeiten erhalten und wir wollen auch keine. Deshalb schulden wir auch niemandem etwas, nur uns Bürgern."
Deshalb wird die Anwältin immer wieder auch die Bürger um ihre Meinung fragen. Mehr direkte Demokratie hat sie versprochen und ein Referendum zu einer Frage die ganz Italien bewegt. Soll Rom an seiner Bewerbung für Olympia 2020 festhalten? Raggi hat bereits durchblicken lassen, dass sie die Stadt noch nicht reif dafür hält. Aber sie hat ja jetzt die Möglichkeit, das zu ändern.