Der Sommer kann im Kampf gegen das Coronavirus helfen
05:43 Minuten
Der Virologe Alexander Kekulé rechnet damit, dass erst in anderthalb Jahren ein Impfstoff gegen das Coronavirus vorliegt. Aber er prognostiziert, dass im Sommer die Coronaviren zumindest schwächer werden. Bis dahin gilt: Die Krankheit möglichst aus dem Land halten.
Liane von Billerbeck: Man muss nur nach China sehen, dann wird klar, dass ab einer bestimmten Ausbreitung des Coronavirus auch mit drastischen Einschränkungen nichts mehr zu löten ist. Nun hat man eher zufällig auch in Norditalien Erkrankte entdeckt. Professor Alexander Kekulé, renommierter Virologe und Seuchenexperte, der eher nicht zum Alarmismus neigt, fordert jetzt eine völlig neue Strategie bei der Bekämpfung des Virus. Sie haben gestern in einer persönlichen Presseerklärung daran erinnert, dass die am Coronavirus Erkrankten in Norditalien nur zufällig entdeckt worden sind. Heißt das, auch bei uns oder anderswo in Europa können längst Erkrankte umherlaufen?
Alexander Kekulé: Grundsätzlich ist es möglich, dass wir in Europa weitere Erkrankte haben. Es kann vor allem in den nächsten Wochen einfach auftreten, dass wir Fälle haben, die nicht mehr wie bisher mit Einreisen aus China verbunden sind. In der Situation, in der wir sind - das sieht man in Norditalien - wenn man es da nicht ganz frühzeitig erkennt, haben wir einen Ausbruch mit vielen Betroffenen, und müssen unter Umständen ganze Dörfer, halbe Städte abriegeln. Um solche Situationen, wie wir sie dann auch in China gesehen haben, zu vermeiden, ist die einzige Möglichkeit: Ganz frühzeitig merken, wenn wir einen solchen Fall haben. Und darum ist mein Vorschlag, dass wir alle Schwersterkrankten, die Lungenerkrankungen haben, die eine schwere Grippe haben, auch zugleich auf dieses Coronavirus testen, damit wir solche Fälle ganz früh feststellen können.
Jeden Erkrankten auf den Virus zu testen, würde zu weit gehen
Billerbeck: Das heißt, jeder, der so wirkt, als hätte er nur eine Grippe, der soll auf dieses Virus getestet werden?
Kekulé: Nein, das würde vielleicht ein bisschen zu weit gehen, aber wir haben ja einen großen Teil von Grippeerkrankten, die wirklich im Krankenhaus landen. Wir haben jedes Jahr an der Grippe auch einige Tote, manchmal sind es über tausend, und diese Schwerstkranken, die also auf den Intensivstationen des Krankenhauses sind, zu testen, wäre meines Erachtens notwendig, und das wäre auch kein zu großer Aufwand.
Billerbeck: Sind denn die deutschen und anderen Labore in Europa auf solche vielen Testfälle vorbereitet?
Kekulé: Wir sind in Deutschland noch relativ gut, ich glaube, wir können in relativ kurzer Zeit die Kapazitäten dafür schaffen. Ich hatte das schon vor zwei Wochen dem Robert-Koch-Institut vorgeschlagen, und ich glaube, wir können das. Es ist so, dass natürlich die Krankenhäuser auf der anderen Seite immer finanzielle Probleme haben, und wenn jetzt nicht eine Anweisung von der Bundesregierung kommt, dann werden natürlich die Finanzleute in den Krankenhäusern für so was kein Geld ausgeben wollen. Das heißt, wir müssen uns wirklich aktiv dazu entschließen, hier – wenn ich mal so sagen darf – die Sicherheitsgurte anzuschnallen. Das heißt nicht, dass das Flugzeug abstürzt, aber man muss sich auf eine schwierige Zeit vorbereiten.
Der Test ist nur das eine
Billerbeck: Der Test ist das eine, danach kommt ja die Frage, was tun wir, wenn wir wissen, dass möglicherweise viele Menschen das Virus in sich tragen. Was muss dann geschehen?
Kekulé: Ich bin grundsätzlich sehr optimistisch. Ich glaube, dass unsere Gesundheitsämter gut aufgestellt sind, und wenn wir dann wirklich so einen Ausbruch feststellen, dann gehe ich davon aus, dass es in einer Größenordnung von 20 bis 50 Fälle passiert. Die müssen wir dann natürlich isolieren, wenn sie krank sind, in Quarantäne stellen, wenn sie nur Kontakt hatten. Und mit diesem Verfahren können wir eigentlich in Deutschland diese Seuche ganz gut bekämpfen. Wir haben da Pandemiepläne in den Krankenhäusern, die müssen wir jetzt schon mal nachprüfen, ob die noch funktionieren natürlich. Viele Krankenhäuser haben das zwar in der Schublade, aber noch nicht so richtig praktiziert. Man muss vielleicht auch dazusagen: Wir haben eigentlich von der Situation jetzt schon definitionsgemäß das, was man eine Pandemie nennt, alle Kriterien sind erfüllt – es ist eine politische Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation, wann sie die erklären wird.
Billerbeck: Sie wären also dafür, dass die WHO diese Pandemie aufgrund des Coronavirus ausruft?
Kekulé: Das kann ich der WHO nicht empfehlen. Die Konsequenzen sind im Grunde genommen nur definitionsgemäß – das, glaube ich, muss man den Menschen auch sagen, das klingt so alarmistisch, wir haben jetzt eine Pandemie. Das ist eigentlich nur für die Epidemiologen und vor allem für die Behörden in den verschiedenen Ländern, damit die dann sozusagen mit der WHO nach einem neuen Protokoll korrespondieren können. Viel mehr ist das nicht, und deshalb muss man vielleicht schon vorher Entwarnung geben, dass auch die Ansage einer Pandemie keine Katastrophe für uns bedeutet. Andere Länder in Europa wären da natürlich auf unsere Hilfe angewiesen, das muss man ganz klar sagen. Wir sind hier besser aufgestellt als die meisten anderen Länder in der EU auf jeden Fall.
Ein Impfstoff? - Frühestens in anderthalb Jahren.
Billerbeck: Kurze Frage zum Schluss: Wie sieht es denn aus mit einem möglichen Impfstoff gegen dieses Virus?
Kekulé: Wir haben drei Dinge, die uns irgendwann retten werden – das eine irgendwann der Impfstoff, damit rechne ich frühestens in eineinhalb Jahren. Zweitens haben wir viele Medikamente in der Schublade, die wir noch nicht so ausprobiert haben gegen das Virus, könnte auch sein, dass da was rauskommt, was ein bisschen zumindest wirkt. Und drittens könnte es sein, dass uns der Sommer hilft.
Wenn es warm ist, werden diese Coronaviren normalerweise schwächer, und die Krankheiten schwächen sich ab – das könnte eigentlich unser bester Verbündeter sein. Und weil diese positive Entwicklung möglicherweise stattfinden könnte, meine ich, dass wir jetzt die Krankheit so weit wie möglich und so lange wie möglich aus dem Land halten sollten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.