Virologen über Impfpflicht

Wenn Druck auf Skepsis trifft

10:10 Minuten
Eine Frau sitzt in einer Impfkabine im Impfzentrum in Essen und bekommt den Impfstoff von Biontech/Pfizer gespritzt.
Viele Menschen sind freiwillig ins Impfzentrum gekommen. Ob der Gang in Zukunft verpflichtend wird, soll im Bundestag im Januar in einer Orientierungsdebatte über eine Impfpflicht diskutiert werden. © picture alliance/dpa/Fabian Strauch
Moderation: Axel Rahmlow |
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Ob es eine Impfpflicht gibt, darüber wird weiterhin diskutiert. Während die einen darin den besten Schutz in der Pandemie sehen, fordern andere mehr Aufklärung. Ein Streitgespräch zwischen den beiden Virologen Herbert Pfister und Jürgen Rissland.
Die Diskussion über eine Impfpflicht gegen das Coronavirus hält an. Dabei kommt in der beginnenden Omikron-Welle auch die Frage auf, ob eine solche gesetzliche Regelung noch verhältnismäßig ist, wenn sich selbst Geimpfte anstecken können. Nun soll darüber erst einmal im Bundestag in einer Orientierungsdebatte gesprochen werden, bevor es um ein eventuelles Gesetz geht.

Skepsis bei Impfstoffen

Aber auch unter Virologen gehen die Meinung über eine Impfpflicht auseinander. So spricht sich Herbert Pfister, ehemaliger Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Köln, für eine solche aus. Jürgen Rissland vom Institut für Virologie des Universitätsklinikum des Saarlandes hält dagegen eine Beratungspflicht für sinnvoller.
Pfister unterstreicht dazu, dass es zwar eine 100-prozentige Schutzwirkung durch eine Impfung nicht geben könne, aber ein 90- oder 85-prozentiger Schutz sei „eine ganz feine Sache“. Schließlich gehe es beim Impfen nicht allein um den eigenen Schutz, sondern auch um den der Mitmenschen.
Rissland kann den Wunsch nach einer höheren Impfquote nachvollziehen. Das Problem sei aber, dass es sich bei den Vakzinen um neue Impfstoffe handelt und es Menschen gibt, „die zumindest eine gewisse Skepsis haben“. Deswegen gebe es offene Fragen, die beantwortet werden müssten.

Ängste ernst nehmen

Deswegen könne eine Impfpflicht, die er nicht völlig ausschließt, nur „das letzte Mittel in einer Kette anderer Maßnahmen“ sein, unterstreicht Rissland. Vielmehr könne eine Beratungspflicht dabei helfen, unsichere Menschen durch Aufklärung zu überzeugen. Er erlebe es selbst in seiner Arbeit, dass skeptische Menschen – wenn ihre Ängste ernst genommen werden – mit Argumenten überzeugt werden können.
Über die Impfstoffe sei bereits mehr als ein Jahr gesprochen worden, entgegnet Pfister. „Diejenigen 25 Prozent, die heute in Deutschland immer noch ungeimpft sind, sind den Beratungsgesprächen nicht zugänglich“, ist sich der Mediziner sicher. Vielmehr werde auf diese Menschen durch eine Impfpflicht der Druck erhöht, „indem man einfach für Geimpfte bestimmte Freiheitsgrade erlaube, und diese Freiheitsgrade den beharrlich Ungeimpften verwehrt“.

Frage der Verhältnismäßigkeit

Dies wurde bereits gemacht, unterstreicht dagegen Rissland. Und dieser Druck wirke auch. Die Frage sei aber, wie schnell. Denn bereits jetzt bestehe eine moralische Impfpflicht. Doch für eine normative Impfpflicht – also eine per Gesetz – müssten die juristischen Dimensionen der Angemessenheit, der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit geklärt sein: ob beispielsweise alle anderen Optionen ausgereizt wurden.
Auch bei der Impfpflicht für Beschäftigte in der Pflege ist Rissland skeptisch. Denn diese würden teilweise mit den Füßen abstimmen oder „dem Druck auf andere Art und Weise ausweichen“, etwa durch Krankschreibungen. Damit werde das Versorgungsproblem in den Akutkrankenhäusern noch vergrößert, gibt der Virologe zu bedenken.
(rzr)

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