Virtuose Hurengespräche
In seinem neuen Roman erzählt Wolf Wondratschek einen Tag im Leben eines 100-Euro-Scheins beziehungsweise der Leute, die ihn anfassen. Ein Episoden-Roman, dessen schöne Grundidee am Sprachfetischismus des Autors krankt.
In "Mittwoch", dem neuen Roman von Wolf Wondratschek, wandert ein 100-Euro-Schein einen Tag lang von Hand zu Hand, und diejenige Person, die ihn gerade im Besitz hält, erzählt ihre Geschichte. Mehr noch, der Schein funktioniert wie eine Wanze und scheint alle Gespräche in seiner näheren Umgebung aufzunehmen.
Da ist die Prostituierte, die ihre Freundin überreden will, es doch auch einmal mit dem horizontalen Gewerbe zu versuchen, der Boxer, der keinen Erfolg hat und nach Malta flüchtet, da ist die Frau, mit der er auf Malta eine Liaison eingeht, aus der er sich dann aber nicht traut, mehr zu machen. Und schließlich ist da das Tabakgeschäft, in dem die Männer beieinander stehen und sich ihre Leben erzählen.
Es sind also offensichtlich die Themen und Motive, die einem aus Wondratscheks Werk vertraut sind. Man staunt aber einmal mehr, auf welche Art er sie präsentiert: Huren, Kippen, harte Schläge, da erwartet man eine ebensolche draufgängerische Schreibe, knappe Sätze, raue Worte. Wondratscheks Stil hat aber so gar nichts Machohaftes an sich, der in Wien und München lebende Autor drückt sich vielmehr äußerst gewählt aus. Seine Sätze wirken wie poliert und nicht selten ist ihnen etwas Aperçuhaftes eigen: "Wie dämlich, dachte sie, die Blondine zu spielen, nur weil ich die passende Haarfarbe habe."
Allerdings wirken diese artifiziellen Sätze zuweilen recht befremdlich, mehr noch, alle Figuren klingen gleich. Ob Friseur oder Arzt, ob Hure oder Journalist, jeder und jede beherrscht die deutsche Sprache mit derselben Virtuosität.
Es geht also gar nicht um verschiedene Charaktere. Sein Personal dient Wondratschek offensichtlich allein dazu, sich durch seine Themen zu deklinieren, die Liebe, das Rauchen, das Boxen und nochmal die Liebe. So hat man es eigentlich nicht mit einem Roman zu tun, sondern mit einem Essay. Der Autor selbst zitiert im Klappentext einen Satz von Jorge Luis Borges, der genau beschreibe, was er versucht habe: "Er ließ seinen Geist schweifen, und er gab diesem Geist die Gestalt vieler Personen."
Was für den Leser dabei unklar bleibt, ist die Notwendigkeit des Ganzen. So beliebig der Weg eines 100-Euro-Scheins ist, so austauschbar sind auch Wondratscheks Figuren und ihre Geschichten. Wofür die ganze Kunst also? Warum wird das alles erzählt? Wie dämlich, denkt man, den Romancier zu spielen, nur weil man die passende Sprache dazu hat.
Besprochen von Tobias Lehmkuhl
Da ist die Prostituierte, die ihre Freundin überreden will, es doch auch einmal mit dem horizontalen Gewerbe zu versuchen, der Boxer, der keinen Erfolg hat und nach Malta flüchtet, da ist die Frau, mit der er auf Malta eine Liaison eingeht, aus der er sich dann aber nicht traut, mehr zu machen. Und schließlich ist da das Tabakgeschäft, in dem die Männer beieinander stehen und sich ihre Leben erzählen.
Es sind also offensichtlich die Themen und Motive, die einem aus Wondratscheks Werk vertraut sind. Man staunt aber einmal mehr, auf welche Art er sie präsentiert: Huren, Kippen, harte Schläge, da erwartet man eine ebensolche draufgängerische Schreibe, knappe Sätze, raue Worte. Wondratscheks Stil hat aber so gar nichts Machohaftes an sich, der in Wien und München lebende Autor drückt sich vielmehr äußerst gewählt aus. Seine Sätze wirken wie poliert und nicht selten ist ihnen etwas Aperçuhaftes eigen: "Wie dämlich, dachte sie, die Blondine zu spielen, nur weil ich die passende Haarfarbe habe."
Allerdings wirken diese artifiziellen Sätze zuweilen recht befremdlich, mehr noch, alle Figuren klingen gleich. Ob Friseur oder Arzt, ob Hure oder Journalist, jeder und jede beherrscht die deutsche Sprache mit derselben Virtuosität.
Es geht also gar nicht um verschiedene Charaktere. Sein Personal dient Wondratschek offensichtlich allein dazu, sich durch seine Themen zu deklinieren, die Liebe, das Rauchen, das Boxen und nochmal die Liebe. So hat man es eigentlich nicht mit einem Roman zu tun, sondern mit einem Essay. Der Autor selbst zitiert im Klappentext einen Satz von Jorge Luis Borges, der genau beschreibe, was er versucht habe: "Er ließ seinen Geist schweifen, und er gab diesem Geist die Gestalt vieler Personen."
Was für den Leser dabei unklar bleibt, ist die Notwendigkeit des Ganzen. So beliebig der Weg eines 100-Euro-Scheins ist, so austauschbar sind auch Wondratscheks Figuren und ihre Geschichten. Wofür die ganze Kunst also? Warum wird das alles erzählt? Wie dämlich, denkt man, den Romancier zu spielen, nur weil man die passende Sprache dazu hat.
Besprochen von Tobias Lehmkuhl
Wolf Wondratschek: Mittwoch
Jung und Jung Verlag, Wien 2013
244 Seiten, 22 Euro
Jung und Jung Verlag, Wien 2013
244 Seiten, 22 Euro